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BGH - Entscheidung vom 17.02.2005

IX ZB 88/03

Normen:
InsO § 20 Abs. 2 § 297

BGH, Beschluß vom 17.02.2005 - Aktenzeichen IX ZB 88/03

DRsp Nr. 2005/4281

Zulässigkeit eines Eigenantrags auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen der Restschuldbefreiung

1. Ein Eigenantrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht mehr zulässig, nachdem auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren bereits eröffnet worden ist.2. Die Unzulässigkeit eines Eigenantrags nach Verfahrenseröffnung kann nicht über einen Wiedereinsetzungsantrag beseitigt werden.3. Darüber, dass ein Gläubigerantrag bereits zur Verfahrenseröffnung geführt hat, kann nur dann hinweggegangen werden, wenn ein Fehler des Insolvenzgerichts zu der Verspätung des Eigenantrags beigetragen hat.4. Bei der Versäumung der dem Schuldner zur Stellung eines Eigenantrags gesetzten richterlichen Frist ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich.5. Hat das Beschwerdegericht eine Entscheidung des Insolvenzgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, so ist es, falls die Sache auf eine erneute sofortige Beschwerde hin wieder zu ihm gelangt, gem. § 4 InsO i.V.m. § 577 Abs. 4 S. 4 ZPO analog an die rechtliche Beurteilung, auf welcher die Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar beruhte, gebunden.6. Die Restschuldbefreiung kann dem Schuldner grundsätzlich nur gewährt werden, wenn er einen eigenen Antrag auf Insolvenzveröffnung gestellt hat.

Normenkette:

InsO § 20 Abs. 2 § 297 ;

Gründe:

I. Ein Gläubiger stellte im Juni 2002 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Diesem wurde der Insolvenzantrag am 12. Juni 2002 zugestellt. Zugleich wurde er darauf hingewiesen, daß er binnen zwei Wochen nach Zustellung einen eigenen Insolvenzantrag stellen und Restschuldbefreiung erlangen könne. Durch Beschluß vom 1. Juli 2003 wurde das Verfahren als Regelinsolvenzverfahren eröffnet. Erst danach beantragte auch der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Restschuldbefreiung. Zugleich stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Insolvenzgericht hat sämtliche Anträge zurückgewiesen. Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet, und damit seien die Sachanträge wegen Verfristung unzulässig. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht mit Beschluß vom 17. September 2002 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Wiedereinsetzungsantrag sei gegenstandslos, weil für die Sachanträge keine Frist bestanden habe. Mit Beschluß vom 13. März 2003 hat das Amtsgericht die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung wiederum zurückgewiesen, dieses Mal mit der Begründung, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei ein weiterer Insolvenzantrag unzulässig. Die neuerliche sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 7 InsO statthafte und nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung ist zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.

a) Wie der Senat in einer Parallelentscheidung vom heutigen Tage (IX ZB 176/03, z.V.b. in BGHZ) im einzelnen dargelegt hat, kann gegen den Schuldner grundsätzlich nur ein einziges Insolvenzverfahren betrieben werden. Mehrere Insolvenzanträge gegen denselben Schuldner werden mit der Eröffnung zusammengefaßt; solange ein eröffnetes Insolvenzverfahren nicht abgeschlossen ist, sind spätere Eröffnungsanträge grundsätzlich unzulässig. Somit ist auch ein Eigenantrag nicht mehr zulässig, nachdem auf Antrag eines Gläubigers das Insolvenzverfahren bereits eröffnet worden ist.

b) Die Unzulässigkeit eines Eigenantrags nach Verfahrenseröffnung kann nicht über einen Wiedereinsetzungsantrag beseitigt werden. Selbst wenn eine Wiedereinsetzung zulässig wäre, änderte dies nichts daran, daß der Gläubigerantrag bereits zur Verfahrenseröffnung geführt hat. Darüber kann nicht schon dann hinweggegangen werden, wenn den Schuldner an der Verspätung des Eigenantrags kein Verschulden trifft, sondern nur dann, wenn ein Fehler des Insolvenzgerichts zu der Verspätung beigetragen hat (vgl. Senatsbeschluß vom heutigen Tage in der Sache IX ZB 176/03). Im übrigen ist eine Wiedereinsetzung auch unzulässig. Für den Eigenantrag ist im vorliegenden Fall - wie es rechtlich geboten ist (vgl. Senatsbeschluß IX ZB 176/03) - eine richterliche Frist gesetzt worden. Bei deren Versäumung ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 4 InsO i.V.m. § 233 ZPO nicht möglich (zur entsprechenden Rechtslage bei Versäumung der Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO vgl. MünchKomm-InsO/Schmahl, § 20 Rn. 99; Uhlenbruck/Vallender, § 287 InsO Rn. 19).

c) Das Beschwerdegericht war an seiner Entscheidung nicht durch die Bindungswirkung seiner ersten Beschwerdeentscheidung gehindert.

Hat das Beschwerdegericht eine Entscheidung des Insolvenzgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, so ist es, falls die Sache auf eine erneute sofortige Beschwerde hin wieder zu ihm gelangt, gemäß § 4 InsO i.V.m. § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO analog (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1995 - XI ZR 182/94, BGHR ZPO § 565 Abs. 2 - Bindungswirkung 5; Urt. v. 23. Juni 1992 - XI ZR 227/91, NJW 1992, 2831 , 2832) an die rechtliche Beurteilung, auf welcher die Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar beruhte, gebunden; nicht bindend sind die lediglich mittelbaren Grundlagen der Aufhebung (vgl. BGHZ 132, 6 , 10; 145, 316, 319; BGH, Urt. v. 29. März 1990 - IX ZR 24/88, NJW 1990, 2127 m.w.N.; [v. 24. März 1993 - IV ZR 291/91, NJW-RR 1993, 834 ; v. 15. Februar 1995 - VIII ZR 126/94, NJW 1995, 1673 ;] MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 565 Rn. 9; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 563 Rn. 11).

Im vorliegenden Fall lag der Aufhebung und Zurückverweisung durch die erste Beschwerdeentscheidung unmittelbar die Rechtsansicht zugrunde, die Sachanträge des Schuldners seien nicht verfristet, weil keine Frist bestanden habe. Demgegenüber ist die zweite Beschwerdeentscheidung darauf gestützt, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei ein weiterer Insolvenzantrag unzulässig.

2. Auch die Zurückweisung des Restschuldbefreiungsantrags ist Rechtens.

a) Die Restschuldbefreiung kann dem Schuldner - sowohl im Verbraucherinsolvenzverfahren als auch im Regelinsolvenzverfahren - grundsätzlich nur gewährt werden, wenn er einen eigenen Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hat (BGH, Beschl. v. 25. September 2003 - IX ZB 24/03, NZI 2004, 511 ; v. 8. Juli 2004 - IX ZB 209/03, NZI 2004, 593 ), der im vorliegenden Fall - wie unter 1 ausgeführt - nicht mehr zulässig ist.

b) Die Aussicht auf Restschuldbefreiung darf dem Schuldner zwar nicht aus Rechtsunkenntnis verloren gehen. Falls nur ein Gläubigerantrag vorliegt, hat sich der durch § 20 Abs. 2 InsO gebotene Hinweis auch darauf zu erstrecken, daß der Schuldner zur Erreichung der Restschuldbefreiung neben dem dahin gehenden Antrag selbst noch einen Insolvenzantrag stellen muß. Für den Restschuldbefreiungsantrag gilt die gesetzliche Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO , worauf das Insolvenzgericht den Schuldner aufmerksam zu machen hat; für den Insolvenzantrag ist dem Schuldner vom Insolvenzgericht eine Frist zu setzen (Senatsbeschluß vom heutigen Tage in der Sache IX ZB 176/03, z.V.b. in BGHZ). Im vorliegenden Fall genügte der dem Antragsteller im Juni 2002 erteilte Hinweis des Insolvenzgerichts jedoch diesen Anforderungen vollauf. Auch stellt der Antragsteller nicht in Abrede, daß er die ihm mitgeteilte Frist von zwei Wochen nicht eingehalten hat.

Vorinstanz: LG Augsburg, vom 13.03.2003