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BGH - Entscheidung vom 30.05.2005

II ZR 236/03

Normen:
BGB § 181

Fundstellen:
DStR 2005, 1066

BGH, Urteil vom 30.05.2005 - Aktenzeichen II ZR 236/03

DRsp Nr. 2005/9761

Voraussetzungen eines Insichgeschäfts des Geschäftsführers einer GmbH

Hat der Geschäftsführer nach dem Gesellschaftsvertrag für über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehende Geschäfte die Einwilligung der Gesellschafter einzuholen, so kann bei unklaren Vertretungsverhältnissen eines ganzen Konglomerats von Gesellschaften von der Erteilung der Einwilligung zu einer Grundstücksveräußerung nicht ausgegangen werden, wenn diese nicht eindeutig nachgewiesen ist.

Normenkette:

BGB § 181 ;

Tatbestand:

Gesellschafter der mit einem Stammkapital von 2.812.700,00 EUR ausgestatteten klagenden GmbH waren die R. GmbH (im folgenden: R.) und die tschechische F. a.s. Gesellschafter der R. waren zu 10 % deren Geschäftsführer S. und zu 90 % die C. a.s. Vorstandsvorsitzender der C., der F. und weiterer Unternehmen, mit denen die Klägerin enge Geschäftsbeziehungen unterhielt, war Dr. Z.. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist nach § 2 ihrer Satzung

"... die Herstellung und der Vertrieb von

- geschweißten Stahl- und Präzisionsstahlrohren

- Elektroinstallationsmaterial

- Erzeugnissen aus Stahlrohren und anderen Werkstoffen".

Für die Vornahme über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehender Geschäfte hat der Geschäftsführer die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einzuholen (§ 7 Abs. 3 der Satzung).

S., der zu dieser Zeit nicht nur Geschäftsführer der R., sondern - von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit - auch der einzige organschaftliche Vertreter der Klägerin war, gründete am 13. Dezember 2000 als alleiniger Gesellschafter die Beklagte und schloß am selben Tag - für beide Gesellschaften handelnd - einen notariellen Kaufvertrag. Durch ihn wurde der gesamte für die Herstellung der von der Klägerin vertriebenen Waren notwendige Teil ihres Unternehmens einschließlich der Produktionsanlagen, der Umlaufgüter und betriebsnotwendigen Grundstücke an die Beklagte veräußert; der Klägerin blieb danach nur noch der Geschäftsbereich "Handel mit Präzisionsstahlrohren und Sonderstählen", auf den 8 % der bisherigen Geschäftstätigkeit entfiel. Die Parteien streiten darum, ob für dieses Geschäft ein wirksamer Gesellschafterbeschluß gefaßt worden ist. Die Beklagte meint, dieser Beschluß sei durch die von ihr vorgelegte, nicht datierte "Abtretungs- und Aufrechnungsvereinbarung" zwischen der Klägerin, der R., der C. a.s., der Fe. a.s. H. und der Ze. V. a.s. getroffen worden; die Klägerin hingegen hält diese Urkunde für verfälscht und im übrigen für formunwirksam.

Die Klägerin hat mit der Klage in erster Linie die Verurteilung der Beklagten zur Bewilligung der Löschung der aufgrund des Kaufvertrages bewilligten Auflassungsvormerkungen für vier verkaufte Grundstücke sowie - mit der Zwischenfeststellungsklage - die Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages nebst einem Nachtrag vom 23. Juli 2001 begehrt. Mit ihrer Widerklage will die Beklagte die Verurteilung der Klägerin zur Bewilligung der Eintragung der Beklagten als Eigentümerin der betreffenden Grundstücke erwirken.

Das Landgericht hat durch Teilurteil der Zwischenfeststellungsklage entsprochen, die Widerklage abgewiesen und die Entscheidung über die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkungen dem Schlußurteil vorbehalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage entsprochen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kaufvertrag vom 13. Dezember 2000 mit dem Nachtrag vom 23. Juli 2001 sei wirksam zustande gekommen, weil der Geschäftsführer S. zur Vornahme des In-Sich-Geschäfts berechtigt gewesen sei und die ihm hierfür erteilte Zustimmung keiner besonderen Form bedurft habe.

Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Dabei braucht der Senat auf die Frage nicht einzugehen, ob - wie das Berufungsgericht angenommen hat - der Beschluß über die Ermächtigung des Herrn S. zum Abschluß des Vertrages der notariellen Beurkundung deswegen nicht bedurfte, da die 92 % des Unternehmens erfassende Veräußerung des gesamten Produktionsbereichs einschließlich der notwendigen Produktions- und weiteren Anlagen keine Änderung des Unternehmensgegenstandes darstelle, da die Klägerin weiterhin "im Bereich von Stahlrohren" tätig bleibe und die Produktion jederzeit wieder aufnehmen könne. Denn es fehlt schon überhaupt ein Beschluß der Gesellschafterversammlung der Klägerin, der angesichts der die Grundlagen der Gesellschaft betreffenden Bedeutung des Vertrages unerläßlich war. Zugunsten der Beklagten kann dabei unterstellt werden, daß die "Abtretungs- und Aufrechnungsvereinbarung" von Dr. Z. unterschrieben worden ist, daß Blätter der Urkunde nachträglich nicht ausgetauscht worden sind und daß ihr inhaltlich das Einverständnis mit dem späteren Vorgehen S. bei der Veräußerung wesentlicher Teile des Gesellschaftsvermögens zu entnehmen ist. An einem wirksamen Gesellschafterbeschluß fehlt es schon deswegen, weil die Mitgesellschafterin F. a.s. - wie die Klägerin schon im ersten Rechtszug mit Recht bemängelt hat - an seinem Zustandekommen nicht mitgewirkt hat. Sie wird zwar in der genannten Urkunde einleitend erwähnt, ist jedoch weder als Vertragsbeteiligte im Rubrum noch in den Unterschriftsfeldern aufgeführt. Soweit die Urkunde dreimal die Unterschrift von Dr. Z., der Leitungsorgan von mehr als 30 verschiedenen Gesellschaften war, enthält, kann angesichts dieser äußeren Gestaltung der Vereinbarung nicht angenommen werden, daß er nicht nur für die jeweils ausdrücklich genannten Gesellschaften C., Fe. H. und Ze. V., sondern zugleich als organschaftlicher Vertreter der F. a.s. den Beschluß gefaßt und unterzeichnet hat, zumal nichts dazu vorgetragen worden ist, daß die Gesellschafter der Klägerin zu einer Universalversammlung haben zusammentreten wollen.

Verfehlt ist auch die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, der Vertrag sei von der Klägerin konkludent genehmigt worden. Das hätte vorausgesetzt, daß ihre Gesellschafterversammlung, um einen entsprechenden Genehmigungswillen zu bilden, überhaupt von dem geschlossenen Kaufvertrag in Kenntnis gesetzt worden wäre. Hierzu ist nichts vorgetragen oder festgestellt worden. Aus der bloßen Tatsache der nicht in den Händen der Gesellschafterversammlung, sondern des Geschäftsführers S. der Klägerin liegenden Vollziehung des Geschäfts, auf die das Berufungsgericht abhebt, läßt sich für eine Genehmigung des nicht ordnungsgemäß abgestimmten Vorgehens des Herrn S. nichts herleiten.

Fundstellen
DStR 2005, 1066