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BGH - Entscheidung vom 03.08.2005

2 StR 202/05

Normen:
StGB § 266 Abs. 1

Fundstellen:
NStZ 2006, 38
wistra 2005, 460

BGH, Beschluß vom 03.08.2005 - Aktenzeichen 2 StR 202/05

DRsp Nr. 2005/14502

Voraussetzungen einer Untreue durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

1. Ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB erfordert, dass der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises bei Einräumung von Ermessensspielraum, Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist.2. Auch wer als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater im Geschäftsleben auftritt, hat eine Vermögensfürsorgepflicht nur auf Grund einer entsprechenden konkreten Rechtsbeziehung zu bestimmten Personen, in der Regel seinen Mandanten.

Normenkette:

StGB § 266 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Untreue in 32 Fällen, wegen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht, wegen Bankrotts und wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmerentgelt in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Wertung des Geschehens im Fall B I. der Urteilsgründe als tateinheitliche Untreue in 32 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken:

Nach den Feststellungen war der Angeklagte als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater seit Mitte der 80er Jahre für die Unternehmensgruppe des S. tätig. S. wollte seine geschäftlichen Tätigkeiten in einer Holdinggesellschaft zusammenfassen. Er ließ einen Prospekt der noch zu gründenden "K. AG" für Investoren drucken. Als Pläne hinsichtlich der Beteiligung eines Großinvestors gescheitert waren, stellte ihm der Angeklagte den gesondert verfolgten P. vor, der in Griechenland größere Beträge akquirieren könne. Der Angeklagte entwarf unter dem 14. Mai 1998 einen Vertrag zwischen sich und P. "über die Abwicklung von Zahlungsverkehr", welcher nicht unterschrieben wurde. Er eröffnete im Juli 1998 ein Treuhänderanderkonto für die K. AG in Gründung bei der Commerzbank, der Hausbank des P.. Er händigte dem P. mehrere Ausfertigungen eines von ihm blanko unterschriebenen und mit dem Wirtschaftsprüfersiegel versehenen Formulars aus, wonach der namentlich zu bezeichnende Interessent Vorzugsaktien der K. AG kaufen wolle und der Kaufpreis auf das Konto der K. AG bei der Commerzbank überwiesen werden solle ("Bankbestätigung"). Eine solche Bestätigung benötigten griechische Anleger, um Gelder ins Ausland transferieren zu können. Außerdem entwarf der Angeklagte eine "Information note" mit Angaben zur Gesellschaft.

P. begann im Sommer 1998 mit Hilfe der vorgenannten Unterlagen und des ins Griechische übersetzten Prospekts der K. AG, in Griechenland Kleinanleger zu werben, denen Aktien der K. AG & Cie. mit einem Nennwert von 5 DM zu Preisen zwischen 10,40 DM und 36 DM pro Aktie verkauft wurden. Den den Nennwert übersteigenden Betrag sollte der P. erhalten. Die Käufer gewannen aufgrund des Prospektes und weiterer Werbemaßnahmen den Eindruck, es handele sich um ein erfolgreiches Unternehmen mit Grundeigentum und zahlreichen Beteiligungen, u. a. an der bereits erfolgreich an der Börse notierten Firma "1 ". Tatsächlich waren sowohl die Aktien der K. AG als auch die der K. AG & Cie. wertlos, weil S. seine Beteiligungen nicht eingebracht hatte, was der Angeklagte wußte. Beide Firmen wurden am 2. September 1998 gegründet, am 7. September 1998 übernahm die Firma D. Ltd. des P. die Aktien der K. AG & Cie. In der Zeit vom 5. August 1998 bis zum 7. Oktober 1999 gingen auf dem Treuhänderanderkonto der K. AG in 32 Einzelbeträgen Zahlungen von insgesamt 681.908,80 DM von getäuschten Anlegern ein. Der Angeklagte verfügte über 562.515 DM, indem er in 25 Fällen selbst Abhebungen vornahm oder P. eine Vollmacht zur eigenen Abhebung überließ. Den Differenzbetrag setzte er unwiderlegt für die Kosten der Gesellschaftsgründungen ein. Die Anleger erhielten kein Geld zurück.

Das Landgericht sieht sowohl den Treubruchs- als auch den Missbrauchstatbestand der Untreue gegenüber den Kapitalanlegern als erfüllt an. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Missbrauchsalternative des § 266 StGB scheidet bereits deshalb aus, weil dem Angeklagten von den Kapitalanlegern keine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über ihr Vermögen eingeräumt worden ist. Die Kapitalanleger haben selbst Geldbeträge als Kaufpreis für eine bestimmte Anzahl Aktien auf das Treuhänderanderkonto überwiesen, wodurch es aus ihrem Vermögen ausschied. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass mit der Überweisung auf das Anderkonto der Angeklagte mit einem Aktienerwerb beauftragt wurde, wobei er vor einem Erwerb die Werthaltigkeit der Aktien eigenständig hätte überprüfen sollen. Eine derartige Geschäftsabwicklung ist weder ausdrücklich festgestellt noch ergibt sie sich aus in den Urteilsgründen mitgeteilten Geschäftsunterlagen. Dass die "Siegelung und das Auftreten des Angeklagten als Wirtschaftsprüfer" ein besonderes Vertrauen der griechischen Anleger geschaffen hätten, wird durch die Feststellungen nicht belegt. Auch aus § 8 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer ergibt sich keine auf gesetzlicher Grundlage beruhende Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den griechischen Anlegern. Das Anderkonto ist für die K. AG in Gründung eingerichtet worden. Eine Treupflicht gegenüber den Einzahlern könnte sich nur auf Grund vertraglicher Absprachen mit diesen oder sonstiger eine Treupflicht begründender Umstände ergeben.

Auch die Treubruchsalternative liegt nach den Feststellungen nicht vor. Ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB erfordert, dass der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises bei Einräumung von Ermessensspielraum, Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. Rdn. 28, 29 m.w.N.). Die Feststellungen bieten keine hinreichende Grundlage, eine Vermögensfürsorgepflicht des Angeklagten für die griechischen Kapitalanleger anzunehmen. Der Angeklagte ist mit ihnen nicht in Kontakt getreten; es ist nicht erkennbar, dass ihnen gegenüber mit der Einschaltung des Angeklagten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater geworben worden ist, der eine "ordnungsgemäße" Verwendung der Gelder überwachen sollte. Dass der Angeklagte den griechischen Kapitalanlagevermittlern V. und Di. als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der K. AG vorgestellt wurde, begründet für ihn ebensowenig eine Vermögensfürsorgepflicht gegenüber den künftigen Aktionären wie die Einrichtung eines Anderkontos für die K. AG in Gründung oder der Inhalt der mit dem Wirtschaftsprüfersiegel versehenen "Bankbestätigung". Auch wer als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater im Geschäftsleben auftritt, hat eine Vermögensfürsorgepflicht nur auf Grund einer entsprechenden konkreten Rechtsbeziehung zu bestimmten Personen, in der Regel seinen Mandanten.

2. Die Verurteilung wegen Untreue in 32 Fällen kann danach keinen Bestand haben. Dies führt zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen B I. der Urteilsgründe auch hinsichtlich der jeweils tateinheitlich verwirklichten Beihilfe zum Betrug. Für den Fall, dass der neue Tatrichter den Tatbeitrag des Angeklagten erneut als Beihilfehandlung wertet, wird er folgendes zu bedenken haben: Die Frage, ob das Verhalten eines Tatbeteiligten eine Einheit oder Mehrheit von Handlungen bildet, richtet sich nicht nach der Haupttat, sondern nach dem Tatbeitrag, den der Beteiligte geleistet hat. Beziehen sich mehrere Hilfeleistungen auf eine Tat, liegt nur eine Beihilfe vor. Fördert der Gehilfe durch eine Handlung mehrere Haupttaten eines oder mehrerer Haupttäter, liegt ebenfalls nur eine einheitliche Beihilfe vor (vgl. BGH NJW 2000, 1732 , 1735; NStZ 1993, 584 ).

3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen B I. führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Hingegen können die rechtsfehlerfrei festgesetzten weiteren Einzelstrafen (Fälle B II. bis IV.) bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, daß die milden Einzelstrafen durch den genannten Rechtsfehler beeinflusst worden sind.

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 13.12.2004
Fundstellen
NStZ 2006, 38
wistra 2005, 460