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BGH - Entscheidung vom 22.03.2005

XI ZB 33/04

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4 § 520 Abs. 2 § 574 Abs. 2

BGH, Beschluß vom 22.03.2005 - Aktenzeichen XI ZB 33/04

DRsp Nr. 2005/5897

Verwerfung der Berufung als unzulässig ohne Anhörung des Berufungsklägers

Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn eine rechtzeitig eingegangene Berufungsbegründung bei der Entscheidung über die Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung nicht berücksichtigt wird. Auf ein Verschulden des Gerichts kommt es dabei nicht an; Fehler in der Gerichtsorganisation dürfen vielmehr nicht zu Lasten der rechtsuchenden Partei gehen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4 § 520 Abs. 2 § 574 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Kaufpreisanspruch für die Rückübertragung von Aktien in Höhe von 100.000 EUR geltend. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Hiergegen hat er fristgemäß Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat das Berufungsgericht die Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Juni 2004 verlängert. Die Berufungsbegründung ist als Telefax am 30. Juni 2004 und im Original am 2. Juli 2004 bei dem Berufungsgericht eingegangen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung - ohne den Beklagten zuvor anzuhören - mit Beschluß vom 7. Juli 2004 als unzulässig verworfen, weil die Berufungsbegründung erst am 2. Juli 2004 eingegangen und somit die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei. Das am 30. Juni 2004 eingegangene Telefax trägt den handschriftlichen Vermerk des Senatsvorsitzenden: "Dieses Fax wurde von mir am 14.07.04 um 9.30 Uhr im Postfach der Wachtmeisterei aufgefunden."

II. Die Rechtsbeschwerde, mit der der Beklagte die Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses begehrt, ist zulässig und begründet.

1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO , die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (Senatsbeschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407 , 1408 m.w.Nachw.; zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), sind erfüllt. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ) erforderlich, da die angefochtene Entscheidung, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, das Verfahrensgrundrecht des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, daß das Gericht seinen Sachvortrag zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt (BVerfGE 58, 353 , 356 und 60, 120, 122 f.). Das rechtliche Gehör ist insbesondere dann verletzt, wenn ein Schriftsatz bei der Entscheidung unberücksichtigt bleibt, der, obwohl bei Gericht eingegangen, nicht zu den Akten gelangt (BVerfGE 46, 185 , 187 f.). So liegt der Fall hier. Die per Telefax rechtzeitig bei Gericht eingegangene Berufungsbegründung ist bei der Verwerfungsentscheidung nicht berücksichtigt worden. Daß der Vorsitzende des Berufungssenats das Telefax erst am 14. Juli 2004 vorgefunden hat, ist unerheblich, weil es auf ein Verschulden nicht ankommt. Fehler in der Gerichtsorganisation dürfen, unabhängig von den Gründen, auf denen sie beruhen, nicht zu Lasten der rechtsuchenden Partei gehen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beklagte hat seine Berufung, was das Berufungsgericht infolge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG verkannt hat, rechtzeitig begründet.

3. Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ). Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1, § 72 Nr. 1 GKG ).

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 07.07.2004