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BGH - Entscheidung vom 11.01.2005

3 StR 450/04

Normen:
StGB § 21

Fundstellen:
NStZ-RR 2005, 167

BGH, Beschluß vom 11.01.2005 - Aktenzeichen 3 StR 450/04

DRsp Nr. 2005/3281

Verminderte Schuldfähigkeit bei Sexualstraftat in hohem Alter

Zwar besteht nicht bei jedem Täter, der jenseits einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht, Anlass, der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nachzugehen, jedoch ist deren Erörterung jedenfalls dann veranlasst, wenn neben der erstmaligen Sexualdelinquenz in hohem Alter weitere Besonderheiten in der Person des Täters bestehen, die geeignet sind, auf die Möglichkeit einer durch Altersabbau bedingten Enthemmtheit hinzudeuten.

Normenkette:

StGB § 21 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen in vier Fällen, wegen sexuellen Mißbrauchs einer Jugendlichen, wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Jugendlichen, wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Jugendlichen in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Strafausspruches.

Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Senat aus den in der Antragsschrift dargelegten Gründen das Verfahren im Fall II. 3) der Urteilsgründe eingestellt und den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Nachprüfung des Urteils im danach verbleibenden Umfang aufgrund der Revisionsbegründung hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die Möglichkeit einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB nicht geprüft hat. Zwar besteht nach der Rechtsprechung nicht bei jedem Täter, der jenseits einer bestimmten Altersgrenze erstmals Sexualstraftaten begeht, Anlaß, der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nachzugehen (vgl. BGH NStZ 1999, 297 m. w. N.). Jedoch ist deren Erörterung jedenfalls dann veranlaßt, wenn neben der erstmaligen Sexualdelinquenz in hohem Alter weitere Besonderheiten in der Person des Täters bestehen, die geeignet sind, auf die Möglichkeit einer durch Altersabbau bedingten Enthemmtheit hinzudeuten (vgl. BGHR StGB § 21 Sachverständiger 5; s. auch Kröber NStZ 1999, 298). So ist es hier. Nach den bisherigen Feststellungen hat der zur Tatzeit nicht vorbestrafte 71jährige Angeklagte bis zur Begehung der abgeurteilten Sexualdelikte sozial eingeordnet gelebt. Hinzu kommen im Urteil näher dargelegte gesundheitliche Beeinträchtigungen (Morbus Crohn).

Über den Strafausspruch ist daher insgesamt neu zu entscheiden. Der Senat kann nach den getroffenen Feststellungen ausschließen, daß der Angeklagte bei Begehung der Taten schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB war.

Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, ob zur Beurteilung der Frage einer Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sachverständige Hilfe in Anspruch zu nehmen sein wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 20 Rdn. 60 f. m. w. N.).

Vorinstanz: LG Oldenburg, vom 09.07.2004
Fundstellen
NStZ-RR 2005, 167