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BGH - Entscheidung vom 02.03.2005

5 StR 518/04

Normen:
StGB § 23 Abs. 3

BGH, Urteil vom 02.03.2005 - Aktenzeichen 5 StR 518/04

DRsp Nr. 2005/4332

Untauglicher Versuch bei Anstiftung eines verdeckten Ermittlers

1. § 23 Abs. 3 StGB setzt voraus, dass der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, dass der Versuch nach der Art des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen konnte. 2. Aus grobem Unverstand handelt der Täter zudem aber nur dann, wenn er trotz ungeeigneten Mittels den Taterfolg für möglich hält, weil er bei der Tatausführung von völlig abwegigen Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge ausgeht. Dabei muss der Irrtum nicht nur für fachkundige Personen, sondern für jeden Menschen mit durchschnittlichem Erfahrungswissen offenkundig, ja geradezu handgreiflich sein.3. Bei der (misslungenen) Anstiftung eines verdeckten Ermittlers zur Begehung einer Straftat liegen die Voraussetzungen eines untauglichen Versuchs regelmäßig nicht vor.

Normenkette:

StGB § 23 Abs. 3 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision gegen diese Strafe. Die Revision des Angeklagten, die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge begründet wird, richtet sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I. Sachverhalt

Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte, den Zeugen P als Auftragsmörder zur Tötung eines Geschäftspartners zu dingen. Daß der Zeuge ein nach § 110a StPO vom Bundeskriminalamt eingesetzter Verdeckter Ermittler war, erfuhr der Angeklagte erst nach seiner Verhaftung.

II. Revision des Angeklagten

1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO ), mit der beanstandet wird, das Landgericht habe es unterlassen aufzuklären, daß der Angeklagte den Zeugen P nach dem letzten Treffen noch dreimal angerufen und ihm klar gemacht habe, er halte ihn für einen Polizisten, ist jedenfalls unbegründet. Nachdem der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen hatte, er habe den Zeugen nach dem letzten Treffen trotz mehrfacher Versuche nicht mehr erreicht (UA S. 15), brauchte sich dem Landgericht eine weitere Auswertung der abgehörten Telefonate nicht aufzudrängen. In den Überwachungsprotokollen ist für die beiden ersten Anrufe als Inhalt lediglich "Anwahlversuch" mitgeteilt, für den letzten Anruf ist keine Inhaltsangabe enthalten.

2. Mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, das Landgericht habe fehlerhaft nicht die Diskrepanz erörtert, daß der Vernehmungsbeamte zwar in der Hauptverhandlung ausgesagt habe, der Angeklagte sei bei seiner ersten Befragung angesichts der Erkenntnis, daß der vermeintliche Auftragsmörder ein Verdeckter Ermittler war, "sehr überrascht und irritiert" gewesen, jedoch in seinem Vermerk über die Befragung keinen Hinweis auf eine solche Überraschung und Irritierung aufgenommen habe.

Gerügt wird hiermit ein (sachlichrechtlicher) Erörterungsmangel oder eine "Aktenwidrigkeit" der tatrichterlichen Feststellungen. Der behauptete Widerspruch kann aber durch die Vernehmung des Zeugen ohne weiteres ausgeräumt worden sein. Die Rüge ist daher, weil sich aus den Urteilsgründen ein Erörterungsmangel nicht ergibt, auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung durch das Revisionsgericht gerichtet. Ein in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannter Ausnahmefall liegt hier nicht vor, da der von der Revision vorgetragene Akteninhalt nicht durch Urkundenbeweis in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (vgl. BGH, Urt. vom 10. Juli 2001 - 5 StR 236/01 m.w.N.).

3. Sachrüge

a) Zum Schuldspruch weist das Urteil keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf.

Nach den Feststellungen liegt der beendete Versuch einer (Ketten-) Anstiftung zum Mord vor (§§ 30 Abs. 1 , 211 , 52 StGB ); das Landgericht hat den Schuldspruch zutreffend gefaßt (vgl. BGH NJW 1996, 2239 , 2241, insoweit in BGHSt 42, 86 nicht abgedruckt).

Insbesondere ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Zu deren Überprüfung ist das Revisionsgericht nur eingeschränkt berufen und in der Lage. Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl. § 337 StPO ) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend zu sein, es genügt, daß sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und daß die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 18 , 20; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; Überzeugungsbildung 26).

Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu Lasten des Angeklagten nicht. In seinem Vorbringen zu einzelnen Tatkomplexen wendet sich der Beschwerdeführer überwiegend gegen die Schlußfolgerungen des Landgerichts, mit denen es die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung nicht ernst gemeint, widerlegt. Damit wird der unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen.

Der Angeklagte - der den objektiven Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat - erteilte dem Verdeckten Ermittler mündlich den Auftrag zur Tötung seines Geschäftspartners. Die Strafkammer hat ausreichend dargelegt, weshalb sie einen endgültigen und vorbehaltlosen Auftrag zur Tötung angenommen und die Einlassung des Angeklagten, er habe die Auftragserteilung subjektiv nicht ernst gemeint und den Verdeckten Ermittler durch falsche Angaben auf den Arm genommen, als widerlegt ansieht. Sie hat ihre Überzeugung naheliegend auch darauf gestützt, daß der Angeklagte schriftliche Aufzeichnungen und Lichtbilder - in einer äußerst vorsichtigen und Fingerabdruckspuren auf den Unterlagen vermeidenden Weise - übergab, aus denen sehr detailliert hervorgeht, daß der Geschäftspartner das Opfer sein sollte, und die den Verdeckten Ermittler ohne weiteres in die Lage versetzten, dessen Tötung durchführen zu können.

Die Annahme der Strafkammer, daß der vermeintliche Auftragsmörder keinen Vorschuß erhalten, sondern aus den nach dem Tod des Opfers einzuholenden Geldforderungen befriedigt werden sollte, ist - zumal vor dem Hintergrund der vorangegangenen Bemühungen des Angeklagten, den Zeugen G zu den gleichen Zahlungsbedingungen zu beauftragen (UA S. 8) - nicht lebensfremd und vom Revisionsgericht hinzunehmen.

Weiterhin ist es kein Widerspruch, wenn nach den Urteilsgründen der Angeklagte einerseits wußte, daß ein Auftragsmörder nur gegen Bezahlung zur Verfügung steht, und andererseits die Entlohnung erst nach Begehung der Tat erfolgen sollte; als Ausgleich für den späteren Zeitpunkt der Zahlung wurde eine Gewinnbeteiligung vereinbart.

Auch hat das Landgericht nicht übersehen, daß der Angeklagte zwischenzeitlich an der Authentizität des "Auftragsmörders" zweifelte. Die Urteilsgründe ergeben aber hinreichend, weshalb es davon überzeugt ist, daß der Angeklagte seine Zweifel überwand und beim letzten Treffen kein ernsthaftes Mißtrauen gegenüber dem Verdeckten Ermittler hegte.

Die weiteren den Schuldspruch betreffenden Beanstandungen erweisen sich ebenfalls lediglich als Angriffe gegen die Überzeugungsbildung des Tatgerichts. Die von der Revision aufgezeigten Besonderheiten sind keine logischen Brüche. Sie sind in einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden Weise von der Strafkammer aufgelöst worden und hätten auch in einer Gesamtwürdigung zu keinem anderen Ergebnis führen müssen.

b) Desgleichen ist die Strafzumessung des Landgerichts rechtsfehlerfrei.

Wegen des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers mußte sich dem Landgericht bei der Bemessung der Freiheitsstrafe die Prüfung der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 3 StGB nicht aufdrängen. § 23 Abs. 3 StGB setzt voraus, daß der Täter aus grobem Unverstand verkannt hat, daß der Versuch nach der Art des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen konnte. Zwar hat - was die Strafkammer auch strafmildernd berücksichtigt hat - keine objektive Gefährdungslage bestanden, weil bei dem Verdeckten Ermittler von vornherein kein Tatentschluß bewirkt werden konnte. Aus grobem Unverstand handelt der Täter aber nur dann, wenn er trotz ungeeigneten Mittels den Taterfolg für möglich hält, weil er bei der Tatausführung von völlig abwegigen Vorstellungen über gemeinhin bekannte Ursachenzusammenhänge ausgeht. Dabei muß der Irrtum nicht nur für fachkundige Personen, sondern für jeden Menschen mit durchschnittlichem Erfahrungswissen offenkundig, ja geradezu handgreiflich sein (BGHSt 41, 94 , 95). Das ist hier nicht der Fall.

Dem Einsatz des Verdeckten Ermittlers hat das Landgericht auch sonst ausreichend strafmildernd Rechnung getragen. Es hat berücksichtigt, daß der Anstoß zum letzten Treffen von diesem ausgegangen ist. Eine darüber hinausgehende Strafmilderung war im Hinblick darauf nicht geboten, daß der Angeklagte bereits zuvor eigene Aktivitäten und Bemühungen entfaltet hatte, um die Tat zu verwirklichen, und daß gegen ihn bereits Tatverdacht bestand (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 67 f.).

III. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

Es stellt keinen den Rechtsfolgenausspruch gefährdenden Rechtsfehler dar, daß das Landgericht dem Angeklagten strafmildernd zugute gehalten hat, er habe sich dem Strafverfahren gestellt, sich teilgeständig eingelassen und ursprünglich in geordneten Verhältnissen gelebt.

Auch konnte dem Angeklagten zugute gehalten werden, daß objektiv keine Gefahr für den Geschäftspartner bestand. Seine weiteren Bemühungen, dessen Tötung auf andere Art und Weise zu erreichen, führten nach den Urteilsfeststellungen zu keiner konkreten Gefährdung.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 18.05.2004