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BGH - Entscheidung vom 26.01.2005

5 StR 290/04

Normen:
StGB § 212 Abs. 1 § 224 Abs. 1 § 227 Abs. 1

Fundstellen:
NStZ 2005, 384

BGH, Urteil vom 26.01.2005 - Aktenzeichen 5 StR 290/04

DRsp Nr. 2005/2428

Tötungsvorsatz bei gefährlichen Gewalthandlungen; Strafzumessung bei Körperverletzung mit Todesfolge und gröbster Fahrlässigkeit

1. Die Abgrenzung einer bewusst fahrlässigen von einer bedingt vorsätzlichen Tötung erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, weil bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt.2. Fälle mit gedankenloser, dumpfer bloßer Verletzungsabsicht, die mit gröbster Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesfolge einhergeht, und Fälle mit bereits bedingtem Tötungsvorsatz können in subjektiver Hinsicht so eng beieinander liegen, dass ihr Schuldgehalt - jedenfalls beim Fehlen von Mordmerkmalen - nicht von gravierend unterschiedlichem Gewicht ist. Das angemessene Strafmaß für Totschlag oder versuchten Totschlag wird sich daher in solchen Fällen im Ergebnis von demjenigen für Körperverletzung mit Todesfolge oder gefährliche Körperverletzung kaum beträchtlich unterscheiden.

Normenkette:

StGB § 212 Abs. 1 § 224 Abs. 1 § 227 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Schwurgerichtskammer hat die Angeklagten jeweils wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen zwischen sieben und acht Jahren verurteilt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge weitgehend Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich hingegen als unbegründet.

I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Die Angeklagten W und H sollten am 19. Februar 2003 gemeinsam zu einer Hauptverhandlung vor dem Strafrichter des Amtsgerichts Cottbus erscheinen. Sie beschlossen deshalb, den Vortag nicht zu Hause zu verbringen, sondern gemeinsam verschiedene Bekannte zu besuchen, um nicht von der Polizei zwecks Vorführung festgenommen werden zu können. Der Angeklagte R schloß sich ihnen an. Zwischen 17.00 und 18.00 Uhr gelangten die Angeklagten zu dem später geschädigten D, einem früheren Arbeitskollegen des Angeklagten W, der auch dem Angeklagten H flüchtig bekannt war. In der Einraumwohnung des D, die sich in einem Hochhaus in der Leipziger Straße in Cottbus befand, hielt sich auch die den Angeklagten bis dahin unbekannte, später getötete K auf. In geselliger Runde wurde Musik gehört sowie Bier und Schnaps getrunken, bis die Alkoholvorräte zur Neige gingen. Gegen 20.00 Uhr stahl deshalb der Angeklagte R im nahegelegenen REWE-Markt zwei Flaschen Korn.

Während des weiteren gemeinsamen Trinkens begann der schon betrunkene D, den Angeklagten R zu provozieren und zu beleidigen. Den aufkommenden Streit wollten beide im Hausflur außerhalb der Wohnung austragen. D, der infolge seiner Trunkenheit schon erheblich schwankte, führte dort einen Schlag gegen R, den dieser aber leicht abwehren konnte; umgekehrt schlug R nunmehr D mit der Handkante ins Gesicht, woraufhin dieser blutend zu Boden ging. Beide gingen zurück in die Wohnung, wo gemeinsam weitergetrunken wurde. Bald kam es jedoch wieder, ausgehend von D, zum Streit zwischen den beiden und erneuten Schlagversuchen D's sowie zu kräftigen Faustschlägen des Angeklagten R in D's Gesicht. R warf nunmehr die Gläser aus D's Wohnzimmerschrank zu Boden und schlug diesem weiter mehrfach kräftig mit der Faust ins Gesicht. Als daraufhin D's Blut auf die Kleidung des Angeklagten W spritzte, wurde auch dieser wütend. Angesichts der Eskalation ging K, die schon zuvor erfolglos schlichtend auf die Streitenden eingewirkt hatte, zwischen R und D ; sie wurde jedoch durch einen heftigen Schlag von R auf die Couch neben den Angeklagten W geschleudert. Dies paßte W ebensowenig wie ihre anschließende Einmischung in sein Gespräch mit H, der sie mit dem Handrücken ins Gesicht schlug. Nunmehr versetzte W ihr mit seinem rechten Ellenbogen derart wuchtige Schläge ins Gesicht, daß sie heftig blutete und das Blut bis auf die Tapete hinter der Couch spritzte. H versetzte D Stöße mit dem Knie und trat und schlug ihn mit voller Wucht gegen das Gesicht; auch der Geschädigten K trat er ins Gesicht.

Insgesamt beteiligten sich alle drei Angeklagten, die aufgeheizter Stimmung waren und bereits die bisherigen Gewalthandlungen gebilligt hatten, im gemeinschaftlichen Zusammenwirken an massiven Gewalttätigkeiten. Zwischen ihnen bestand ein unausgesprochenes Einverständnis darüber, die beiden ersichtlich betrunkenen, ihnen körperlich weit unterlegenen Geschädigten, die sich auch nicht wehrten, zu mißhandeln; die Angeklagten schlugen teils gemeinsam, teils abwechselnd mit Fäusten und Handrücken auf diese ein und versetzten ihnen mit beschuhten Füßen Tritte gegen Kopf und Körper. H und R streiften sich Handschuhe über, um sich bei den Gewalttätigkeiten nicht selbst zu verletzen; R zog zudem Jacke und Pullover aus, damit diese nicht blutig würden. Nach weiteren von allen gebilligten Tritten und Schlägen - ohne daß die jeweils aktiv Tätigen im einzelnen festzustellen waren - lagen die Opfer schließlich schwer verletzt und hilflos auf dem Boden; D war bewußtlos, K stöhnte und wimmerte vor Schmerzen.

Als R aus dem Badezimmer kam, wo er sich Blut abgewaschen hatte, erkannte er angesichts des blutüberströmten und hilflosen Zustandes der Geschädigten das Ausmaß des Geschehens und wurde "schlagartig nüchtern". Über sein Mobiltelefon rief er den Notruf 110 an und erklärte "völlig außer sich und weinend", in der Leipziger Straße "zum Hochhaus hin" lägen zwei Leute, die "am Kopf kaputt" seien. W prüfte kurze Zeit später den Puls von D, der noch spürbar war, rief über die Notrufnummer bei der Polizei an und bat um einen Notarzt in die Leipziger Straße, wobei er sich aber in der Angabe des Stadtbezirks irrte, so daß sein Notruf nicht zum Auffinden der Opfer führte.

Die erheblich alkoholisierten Geschädigten erlitten durch die Mißhandlungen der Angeklagten schwerwiegende Verletzungen. D kam erst am Vormittag des 19. Februar 2003 wieder zu sich, von einer Vielzahl teils blutender Wunden entstellt, mit gebrochener Rippe und einem Schädelhirntrauma. Sein Sehvermögen ist seitdem eingeschränkt, und er leidet unter Gleichgewichtsstörungen. K war infolge der ihr zugefügten Verletzungen am 18. Februar 2003 gegen 23.00 Uhr verstorben. Ihr Gesicht wies neben großen Hämatomen eine Platzwunde und knöcherne Verletzungen am Schädel auf. Weiter fanden sich Zeichen massiver stumpfer Gewalteinwirkung auf den Kopf und Hals. Die dabei entstandenen Gesichtsweichteilzerreißungen sowie mehrfache Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche führten in Verbindung mit einer Bluteinatmung unmittelbar zum Tode. Die Schädelbasis- und Gesichtsschädelbrüche sind nach zutreffender Einschätzung des medizinischen Sachverständigen am ehesten durch zahlreiche Fußtritte gegen den Kopf oder das Schlagen mit einem Gegenstand erklärbar, wobei auch ein Aufspringen auf den am Boden liegenden Kopf als Ursache in Betracht komme, nicht aber ein Sturzgeschehen; gleiches gelte für die festgestellten Rippenserienbrüche, die am ehesten durch Knien auf dem Körper oder durch Aufspringen mit flachen Sohlen, nicht aber durch einen Sturz entstanden seien.

Zum subjektiven Tatbestand hat das Landgericht lediglich mit zwei knappen Sätzen (UA S. 25 und S. 49) ausgeführt, es sei nicht nachweisbar, daß die Angeklagten ihre Opfer töten wollten. Jedoch hätten sie während der massiven Gewalteinwirkungen auf die geschädigte K erkennen können und müssen, daß sie ihr dadurch lebensgefährliche Verletzungen beibringen können, die zum Tode führen.

Zugunsten von H und W hat die Schwurgerichtskammer die anzuwendenden Strafrahmen jeweils gemäß §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB verschoben. Bei diesen Angeklagten, die schon am Vormittag des Tattages gemeinsam mit dem Trinken begonnen hatten, vermochte das Landgericht in Anschluß an die Ausführungen mehrerer Sachverständiger - anders als bei dem Angeklagten R - eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Steuerungsfähigkeit infolge Alkoholisierung zumindest nicht auszuschließen. Bei allen Angeklagten wurde von den psychiatrischen Sachverständigen ein langjähriger Alkoholmißbrauch festgestellt, der sich indes noch nicht zu einem Hang im Sinne von § 64 StGB verfestigt habe.

II. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung der Schuldsprüche.

1. Die Sachrüge führt - wie der Generalbundesanwalt zutreffend geltend macht - über das ausdrückliche Begehren der Staatsanwaltschaft in ihren mit der Sachrüge unbeschränkt geführten Revisionen hinaus zur Beanstandung des Fehlens einer Begründung für die Verneinung eines - wenn auch nur bedingten - Tötungsvorsatzes der Angeklagten.

a) Die Abgrenzung einer bewußt fahrlässigen von einer bedingt vorsätzlichen Tötung erfordert bei schwerwiegenden Gewalthandlungen, wie sie das Landgericht hier festgestellt hat, eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise stellt dabei für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar (BGH NStZ 2003, 431 ), weil bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 58). Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todeserfolges indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation mit einzubeziehen sind (vgl. BGHSt 36, 1 , 10).

b) Diesen Prüfungsanforderungen werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Angesichts der nach den Feststellungen vom gemeinschaftlichen Willen aller Angeklagten getragenen massiven Einwirkungen auf Kopf und Rumpf der erkennbar stark betrunkenen und schließlich hilflos am Boden liegenden Opfer durch Schläge und Tritte reichte es nicht aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal abzulehnen. Dies versteht sich hinsichtlich der verstorbenen K angesichts der Schwere und Vielzahl der ihr zugefügten Kopfverletzungen von selbst. Auch bezüglich des geschädigten D läßt sich ein Tötungsvorsatz nicht ohne weiteres so knapp ausschließen, wie dies das Landgericht getan hat; schließlich haben die Angeklagten auch auf ihn gemeinschaftlich bis zu seiner Bewußtlosigkeit eingeschlagen und eingetreten.

Selbst wenn dem Landgericht wegen der Beweislage und der Komplexität des Tatablaufs eine individuelle Zuordnung einzelner Gewalttätigkeiten weitestgehend nicht möglich war, entband dieser Umstand es nicht davon, die Frage des Tötungsvorsatzes mit Blick auf die Gesamtheit der von allen Mittätern gewollten Gewalthandlungen sorgfältig zu prüfen, zumal Exzeßhandlungen einzelner Angeklagter nicht festzustellen waren.

c) Danach bedürfen die für den Schuldspruch erforderlichen subjektiven Tatumstände erneuter Aufklärung und Bewertung. Der neue Tatrichter wird dabei auch den möglichen Einfluß der teils erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten zu bedenken haben (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55). Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf können hier angesichts schwer aufklärbarer Tatumstände einerseits und einer rechtfehlerfrei vorgenommenen Zurechnung sämtlicher Gewalthandlungen aufgrund gemeinsamen Tatenschlusses bei Ausschluß etwaiger Exzeßtaten andererseits bestehen bleiben. Diese Feststellungen können lediglich um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen. Danach wird für den neuen Tatrichter kein Raum sein für eine über das bisher Festgestellte hinaus gehende Individualisierung und Aufteilung der einzelnen Tatbeiträge auf die einzelnen Angeklagten, auch im Hinblick auf die Frage des Tötungsvorsatzes. Bei den (bislang entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht lückenhaft festgestellten) Verletzungsfolgen von D bieten sich ergänzende Feststellungen zum Heilungsverlauf seit der vorangegangenen Hauptverhandlung an.

d) Wird ein vorrangig zu prüfendes aktives Tötungsdelikt erneut mangels Tötungsvorsatzes verneint, wird ein lediglich durch Unterlassen begangener (ggf. versuchter) Totschlag im Ergebnis bei der subjektiven Befindlichkeit der Angeklagten möglicherweise aus den gleichen Gründen ausscheiden.

Der Senat weist auf folgende - namentlich bei gruppendynamisch geprägtem Geschehen typische - Besonderheit bei hochgradig brutalen Gewalttaten hin: Fälle mit gedankenloser, dumpfer bloßer Verletzungsabsicht, die mit gröbster Fahrlässigkeit hinsichtlich einer möglichen Todesfolge einhergeht, und Fälle mit bereits bedingtem Tötungsvorsatz können in subjektiver Hinsicht so eng beieinander liegen, daß ihr Schuldgehalt - jedenfalls beim Fehlen von Mordmerkmalen - nicht von gravierend unterschiedlichem Gewicht ist. Das angemessene Strafmaß für Totschlag oder versuchten Totschlag wird sich daher in solchen Fällen im Ergebnis von demjenigen für Körperverletzung mit Todesfolge oder gefährliche Körperverletzung kaum beträchtlich unterscheiden.

Da jedoch bei Taten dieser Art bedingter Tötungsvorsatz näherliegt als nur grobe Fahrlässigkeit, kann der Senat die minderen Schuldsprüche auf der Grundlage der unvertretbar knappen Begründung des Landgerichts hier nicht hinnehmen. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil jedenfalls bezogen auf die Angeklagten W und H die Strafaussprüche Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten enthalten.

2. Der neue Tatrichter wird auch zur Schuldfähigkeit der Angeklagten und zur Grundlage für eine etwaige Maßregel nach § 64 StGB mit sachverständiger Hilfe eigene neue Feststellungen zu treffen haben. Der Senat weist zudem darauf hin, daß die Staatsanwaltschaft zu Recht die zugunsten der Angeklagten H und W infolge ihrer Alkoholisierung jeweils vorgenommene Strafrahmenverschiebung nach §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB beanstandet.

a) Die Frage einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB bei erheblicher Alkoholisierung hat der Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Der grundsätzlich schuldmindernde Umstand einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit kann dabei durch schulderhöhende Umstände ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich liegt insbesondere dann nahe, wenn eine vermeidbare Alkoholisierung durch Umstände in der Person des Täters (etwa Neigung zu Aggressionen oder Gewalttätigkeiten unter Alkoholeinfluß) oder in der Tatsituation (etwa Trinken in gewaltbereiten Gruppen oder gewaltgeneigten Situationen) das Risiko der Begehung von Gewalttaten erkennbar signifikant erhöht hat (BGH NJW 2004, 3350 , zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

b) Nach diesen Maßstäben begegnet der Automatismus, mit dem das Landgericht im angefochtenen Urteil den Angeklagten W und H eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB zugebilligt hat, durchgreifenden Bedenken. Der Angeklagte W ist mehrfach wegen Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluß vorbestraft. Der Angeklagte H hat zwar lediglich einmal im März 2002 gemeinsam mit W im alkoholisierten Zustand eine Straftat mit gewalttätiger Entgleisung begangen, ist aber nach eigener Einschätzung leicht reizbar, wenn er Alkohol getrunken hat. Beide Angeklagte kannten damit die ungünstigen Wirkungen erheblicher Alkoholisierung auf ihre Gewaltbereitschaft. Eine Ausnahme von der unter solchen Umständen angezeigten Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB käme nur bei einer absoluten Strafdrohung in Betracht (vgl. BGH NJW 2004, 3350 , 3353, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Nach den getroffenen Feststellungen liegt jedoch die Annahme von Mordmerkmalen hier fern.

III. Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen versagen.

a) Das Urteil ist mit allen erforderlichen Unterschriften rechtzeitig zu den Akten gelangt. Die Revisionen der Angeklagten W und R beanstanden lediglich im Ansatz mit Recht, daß der Verhinderungsvermerk mißverständlich angebracht worden ist, weil der bekundende Richter nicht - wie vorliegend geschehen - "in Vertretung" für den verhinderten unterschreibt, sondern lediglich die Verhinderung mit seiner Unterschrift bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 275 Rdn. 20 m.w.N.). Der Mangel ist letztlich indes ebenso unschädlich wie die Unterschrift direkt über dem Verhinderungsvermerk. Aus § 275 Abs. 2 Satz 2 StPO folgt lediglich, daß der Verhinderungsvermerk wirksam "angebracht" sein muß; aus dem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen Unterschrift und Vermerk ergibt sich hier noch hinreichend eindeutig, daß die Verhinderung bezeugt werden sollte und wer dies getan hat (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 275 Rdn. 35).

b) Alle übrigen Verfahrenrügen sind mangels vollständigen Vortrags der den jeweiligen Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ) unzulässig oder zumindest offensichtlich unbegründet.

2. Auch die Sachrügen bleiben ohne Erfolg.

a) Die Feststellungen zum gemeinschaftlichen Tatenschluß beruhen insgesamt auf tragfähiger Grundlage. Auch die Beweiswürdigung, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, begegnet keinen Bedenken. Das Landgericht hat die den Feststellungen widersprechenden Angaben der Angeklagten W und R insbesondere aufgrund des objektiven Spurenbildes und der teilgeständigen Angaben des Angeklagten H in nachvollziehbarer und vertretbarer Weise für widerlegt erachtet. Dies ist aus revisionsrechtlicher Sicht hinzunehmen. Die gegenseitige Zurechnung der verschiedenen körperlichen Mißhandlungen der beiden Opfer einschließlich der Zufügung schließlich tödlicher Verletzungen ist rechtsfehlerfrei erfolgt; nach den Feststellungen bestand zwischen allen drei Angeklagten das unausgesprochene Einverständnis darüber, die beiden ihnen körperlich weit unterlegenen und sich nicht wehrenden Geschädigten zu mißhandeln (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04).

b) Insgesamt enthält die Strafzumessung bei allen Angeklagten aus revisionsrechtlicher Sicht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.

Daß das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei dem Angeklagten R verneint hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken; zudem mußte bei ihm ohnehin eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21 , 49 Abs. 1 StGB angesichts seiner negativen Vorerfahrungen mit Alkohol ersichtlich ausscheiden. Der neue Tatrichter wird allerdings auch bei dem Angeklagten R - wie bei den übrigen Angeklagten - über die Frage der Steuerungsfähigkeit und einer Maßregel nach § 64 StGB (vgl. zum Maßstab BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5) neu zu befinden haben.

Vorinstanz: LG Cottbus, vom 18.12.2003
Fundstellen
NStZ 2005, 384