Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 24.03.2005

3 StR 402/04

Normen:
StGB § 15 § 212 Abs. 1

BGH, Urteil vom 24.03.2005 - Aktenzeichen 3 StR 402/04

DRsp Nr. 2005/5741

Tötungsvorsatz bei gefährlichen Gewalthandlungen

1. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. 2. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, so dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt.

Normenkette:

StGB § 15 § 212 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hatte mit Urteil vom 17. April 2002 den Angeklagten I. der gefährlichen Körperverletzung sowie der Zuhälterei in zwei Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt. Den Angeklagten G. hatte es wegen gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden war. Dieses Urteil hatte der Senat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten durch Urteil vom 13. Februar 2003 ( 3 StR 430/02) in den Schuldsprüchen wegen gefährlicher Körperverletzung und in den Strafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im zweiten Durchgang hat das Landgericht mit Urteil vom 30. März 2004 den Angeklagten I. wegen gefährlicher Körperverletzung und - der im Schuldspruch bereits rechtskräftigen - Zuhälterei in zwei Fällen zur Jugendstrafe von zwei Jahren und elf Monaten und den Angeklagten G. wegen gefährlicher Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags und beanstandet im übrigen die Strafaussprüche.

Das Rechtsmittel, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, hat mit der vom Generalbundesanwalt vertretenen Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht mehr an.

1. Nach den Feststellungen verabredeten die Angeklagten und vier weitere unbekannt gebliebene Mittäter, gemeinsam den Nebenkläger schwer zu mißhandeln. In Ausführung dieses Entschlusses versetzte ihm einer der vier unbekannt gebliebenen Mittäter mit einem Baseballschläger oder einem ähnlich aussehenden harten Gegenstand einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf, so daß der Nebenkläger zu Boden ging. Dann schlugen und traten die sechs Angreifer auf ihn ein. Einer von ihnen schlug mit dem harten Gegenstand nochmals kräftig in das Gesicht des Geschädigten, worauf dieser vorübergehend das Bewußtsein verlor. Anschließend flüchteten sie und ließen das Tatopfer schwer verletzt zurück. Der Nebenkläger erlitt eine zweifache Fraktur der Augenhöhle, eine Zersplitterung des Unterkiefers mit Verlust eines Schneidezahns, einen Rippenbruch, Prellungen am gesamten Körper sowie eine Gehirnerschütterung. Ihm mußte im Augenbereich eine Stahlplatte eingesetzt werden.

Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Angeklagten sämtliche in ihrer Gegenwart ausgeführten Schläge und Tritte, auch die Schläge mit dem harten Gegenstand auf den Kopf des Tatopfers, billigten. Vom Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes hat es sich nicht überzeugen können. Hierzu hat es lediglich mit einem Satz ausgeführt, es sei nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellbar gewesen, daß die Angeklagten tödliche Verletzungen billigend in Kauf genommen hätten, "und zwar mangels zureichender Anhaltspunkte sowohl für die objektiven Tatbestandsmerkmale als auch für den subjektiven Tatbestand".

2. Dagegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

a) Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, so daß bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todes indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35, 38, 51; BGH NStZ-RR 2000, 165 f.).

b) Den Anforderungen an eine sorgfältige Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes werden die Ausführungen der Strafkammer nicht ansatzweise gerecht. Die festgestellten Gewalthandlungen, insbesondere die zwei gezielten, kräftigen Schläge mit einem Baseballschläger oder einem vergleichbaren gefährlichen Gegenstand auf den für tödliche Verletzungen sehr anfälligen Kopf des Tatopfers, legen wegen ihrer offensichtlichen Lebensgefährlichkeit sowohl das Wissen um ihre möglicherweise tödliche Wirkung als auch deren Billigung sehr nahe. Dies gilt vor allem deshalb, weil das gezielte und heftige Schlagen mit einem solchen Gegenstand im einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode kommen, sind nicht festgestellt. Angesichts der von den Angeklagten gebilligten massiven Einwirkungen auf den Kopf des Geschädigten und der festgestellten schweren Verletzungen reicht es nicht aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal mit einem Satz abzulehnen. Unklar bleibt, was die Strafkammer mit dem Hinweis auf die unzureichenden "Anhaltspunkte für die objektiven Tatbestandsmerkmale" meint. Ihren Ausführungen läßt sich nicht einmal sicher entnehmen, ob sie das Wissen der Angeklagten um die möglicherweise tödliche Wirkung der von ihnen gebilligten Gewaltanwendung als erwiesen angesehen hat und sich lediglich vom Willenselement nicht hat überzeugen können.

3. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an eine Jugendkammer des Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.

Vorinstanz: LG Hannover, vom 30.03.2004