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BGH - Entscheidung vom 27.09.2005

4 StR 413/05

Normen:
StPO § 22 Nr. 5 § 338 Nr. 2

Fundstellen:
NStZ 2006, 113
StV 2006, 4
StV 2006, 676

BGH, Beschluß vom 27.09.2005 - Aktenzeichen 4 StR 413/05

DRsp Nr. 2005/18085

"Sachgleichheit" im Sinn von § 22 Nr. 5 StPO

1. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus. 2. Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte.

Normenkette:

StPO § 22 Nr. 5 § 338 Nr. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 53 Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem Fall" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

"Die Revision hat mit der Rüge der Verletzung von § 22 Nr. 5 StPO Erfolg.

Die Rüge ist zulässig erhoben i.S.d. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO . Die Revision teilt alle Tatsachen mit, die die konkrete Rüge begründen.

Die Rüge hat in der Sache Erfolg, da ein erkennender Richter, der Richter am Landgericht Sch., in der Sache als Zeuge vernommen wurde.

Der Begriff der Sache ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus (BGHSt 9, 193). Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte (BGHSt 31, 358 ). Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358 , 359).

Vorliegend wurde RiLG Sch. in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens gegen B. als Zeuge vernommen. Dem B. wurde vorgeworfen, von Bremen mindestens 300 g Heroingemisch am 27. August 2004 nach Bielefeld gebracht zu haben, um es gemeinsam mit dem Angeklagten und einer weiteren Person abzusetzen. Nach dem Revisionsvortrag und ausweislich der Anklageschrift ... wurde dem Angeklagten vorgeworfen, am 27. August 2004 eine größere Menge Heroin aus Bremen erhalten zu haben, die von B. überbracht wurde (SA Band 10, S. 2297). Mithin wurde Richter am Landgericht Sch. in der Sache, wegen desselben konkreten Tatgeschehens, als Zeuge vernommen. Die Tatsache, dass das vorliegende Verfahren gegen den Angeklagten in diesem Punkt auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO letztlich eingestellt wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis, zumal diese Einstellung seiner Zeugenvernehmung zeitlich nachfolgte (SA PB S. 46). Sinn der Vorschrift des § 22 Nr. 5 StPO ist es nämlich, schon den Anschein eines Verdachtes der Parteilichkeit zu vermeiden (BGHSt 14, 219 , 221). Vorliegend hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht über die Richtigkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen, die im vorliegenden Verfahren mit Hilfe eines Dolmetschers stichprobenartig überprüft wurde. Dabei hat er als Zeuge auf Abweichungen der Protokolle von der TKÜ aufmerksam gemacht. Im vorliegenden Verfahren war derselbe Sachverhalt" [auch bezüglich der jetzt abgeurteilten Taten] "unter Zuhilfenahme desselben Beweismittels zu würdigen. Über die Verlässlichkeit der Übersetzung in den polizeilichen TKÜ-Protokollen hat er als Zeuge im Verfahren gegen B. Angaben gemacht. Dadurch war bei ihm eine 'Festlegung' auf den Inhalt der gemachten Zeugenaussage gegeben, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit für das vorliegende Verfahren besorgen lassen könnte."

Dem tritt der Senat bei.

Hinweise:

Anmerung Binder StV 2006, 676

Vorinstanz: LG Bielefeld, vom 11.05.2005
Fundstellen
NStZ 2006, 113
StV 2006, 4
StV 2006, 676