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BGH - Entscheidung vom 11.04.2005

II ZR 299/03

Normen:
HGB § 235

BGH, Urteil vom 11.04.2005 - Aktenzeichen II ZR 299/03

DRsp Nr. 2005/8033

Rechtsstellung eines stillen Gesellschafters nach Kündigung der Beteiligung

1. Einem stillen Gesellschafter steht nach Kündigung seiner Beteiligung kein Anspruch auf Rückzahlung seiner Anlage, sondern auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu.2. Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die stillen Gesellschafter einen Anspruch auf jährliche Ausschüttungen in Höhe von 10% der geleisteten Einlage haben, dass dieser Anspruch aber von der Liquidität der Gesellschaft abhängt, so hat diese für den Fall, dass sie sich auf fehlende Liquidität beruft, die gesamte Vermögenslage darzustellen und gegebenenfalls zu beweisen.

Normenkette:

HGB § 235 ;

Tatbestand:

Die beklagte Aktiengesellschaft beschäftigt sich u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Das erforderliche Kapital bringt sie auf, indem sie mit zahlreichen Kleinanlegern stille Gesellschaften gründet, bezogen jeweils auf ein bestimmtes "Unternehmenssegment". Die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust des jeweiligen Segments beteiligt und haben ggf. eine Nachschußpflicht bis zur Höhe ihrer Entnahmen. Außerdem haben sie ein Recht auf Entnahme i.H.v. jährlich 10 % ihrer eingezahlten Einlage. Diese Entnahme soll an den Gesellschafter ausgezahlt werden, wenn und soweit er seine Einlage in Form einer Einmalzahlung leistet. Bei einer Einlagezahlung in Raten soll die Entnahme dagegen dem Einlagenkonto gutgeschrieben werden. In § 12 der Vertragsbedingungen heißt es:

"1. - 4. --

5. Das Entnahmerecht kann auch bei einem negativen Kapitalkonto ausgeübt werden.

6. Bei der Entnahme ist Rücksicht auf die Liquiditätslage der Gesellschaft zu nehmen."

Der Kläger beteiligte sich am 15. Februar 1998 an dem "Unternehmenssegment VII" der Beklagten. Nach dem "Zeichnungsschein" hatte er eine Einmalzahlung i.H.v. 63.000,00 DM und monatliche Raten i.H.v. 1.050,00 DM über 10 Jahre zu zahlen, insgesamt 189.000,00 DM. In den Beträgen ist jeweils ein Agio i.H.v. 5 % enthalten.

Ab Januar 2001 zahlte die Beklagte die monatlichen Ausschüttungen nicht bzw. nicht in voller Höhe. Dazu berief sie sich in fünf jeweils als "Newsletter" bezeichneten Schreiben an die stillen Gesellschafter auf Liquiditätsprobleme. Aus diesem Grund und wegen einer negativen Presseberichterstattung über die Beklagte ließ der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 3. April 2002 die fristlose Kündigung seiner stillen Beteiligung erklären.

Mit der Klage verlangt er die Rückzahlung seiner Einlage (abzüglich der Entnahmen) i.H.v. 48.571,68 EUR, hilfsweise Nachzahlung der noch offen stehenden Entnahmen. Den Hilfsanspruch hat die Beklagte i.H.v. 5.010,66 EUR anerkannt. Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger hilfsweise eine Stufenklage erhoben mit dem Ziel, nach entsprechender Auskunftserteilung ein Auseinandersetzungsguthaben ausgezahlt zu bekommen. Die Beklagte hat im Wege der Anschlußberufung Widerklage auf Zahlung der rückständigen Einlageraten erhoben.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Anschlußberufung als unzulässig verworfen. Gegen die Zurückweisung der Berufung richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist teilweise begründet und führt hinsichtlich der Stufenklage zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Vorinstanzen haben die Zahlungsklage - abgesehen von dem anerkannten Teil - zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht aber nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Parteivortrag der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Anspruch auf Auskunft über das Auseinandersetzungsguthaben zu.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung des Zahlungsantrags ausgeführt: Der Kläger berufe sich weder auf eine arglistige Täuschung noch auf eine Sittenwidrigkeit des Gesellschaftsvertrages, sondern mache nur die Rechte aus seiner Kündigung geltend. Daraus stehe ihm aber kein Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage zu. Wenn in dem Zeichnungsschein bezüglich der Auszahlung am Ende der Vertragsdauer von "Guthaben" die Rede sei, so sei damit das Auseinandersetzungsguthaben gemeint.

Dagegen ist von Rechts wegen nichts einzuwenden. Die Auslegung, daß mit "Guthaben" i.S. der Auszahlungsregelung das Auseinandersetzungsguthaben nach § 235 HGB gemeint ist und nicht die Summe aller Einzahlungen abzüglich der Entnahmen, ist nicht nur möglich, sondern angesichts der dies im einzelnen regelnden §§ 21 f. der Allgemeinen Vertragsbedingungen naheliegend.

Ein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage kann dagegen nur bestehen, wenn der Gesellschaftsvertrag nichtig ist - ohne daß die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft eingreifen - oder wenn die Beklagte im Wege des Schadensersatzes verpflichtet ist, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen (vgl. Sen.Urt. v. 21. März 2005 - II ZR 140/03, z.V.b.). Das macht der Kläger aber selbst nicht geltend. Obwohl das Landgericht in seinem Urteil ausgeführt hat, daß dem Kläger die Bedeutung des in § 12 Abs. 6 der Vertragsbedingungen enthaltenen Liquiditätsvorbehalts aufgrund des Vertragstextes und der Angaben in dem Emissionsprospekt habe klar gewesen sein müssen, hat der Kläger auch im zweiten Rechtszug nicht behauptet, er habe sich bei Vertragsschluß darüber in einem Irrtum befunden.

II. 1. Zur Abweisung der auf die Errechnung und Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens gerichteten Stufenklage hat das Berufungsgericht ausgeführt: Auch auf ein Auseinandersetzungsguthaben habe der Kläger derzeit keinen Anspruch, weil seine Kündigung mangels eines Kündigungsgrundes unwirksam sei. Daß die Beklagte die gewinnunabhängigen Ausschüttungen eingestellt bzw. reduziert habe, reiche dafür nicht aus. Nach dem Vertrag habe das Entnahmerecht nämlich unter dem Vorbehalt ausreichender Liquidität gestanden, und daran habe es in der fraglichen Zeit gefehlt. Auch der von dem Kläger vorgelegte Presseartikel sei nicht geeignet, das Vertrauen in die Anlage nachhaltig zu erschüttern. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht auf eine fehlende Rentabilität der Anlage berufen. Das normale wirtschaftliche "Auf und Ab" müsse er hinnehmen. Aus der aktuellen Krise könne nicht der Schluß gezogen werden, daß die Beklagte am Ende der Vertragslaufzeit nicht in der Lage sein werde, die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen.

2. Das hält in einem entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Ob ein zur Kündigung berechtigender wichtiger Grund vorliegt, ist grundsätzlich eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden kann, ob der Tatrichter den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, wesentliche Tatsachen außer acht gelassen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Verfahrensregeln verletzt hat (BGH, Urt. v. 28. Februar 1972 - III ZR 212/70, NJW 1972, 1128, 1129; v. 25. März 1993 - X ZR 17/92, NJW 1993, 1972 , 1973; v. 1. Dezember 1993 - VIII ZR 129/92, NJW 1994, 443 , 444). Die Würdigung des Berufungsgerichts leidet an einem derartigen Rechtsfehler.

a) Ohne Erfolg bleibt die Revision allerdings mit ihrem Einwand, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, mit dem Kläger vor der Einstellung bzw. Reduzierung der Ausschüttungen eine entsprechende Einigung herbeizuführen. In § 12 Abs. 6 der Vertragsbedingungen ist nicht geregelt, wie sich die dort vereinbarte "Rücksichtnahme" auf die Liquiditätslage der Beklagten organisatorisch vollziehen soll. Dem Kläger war aber bekannt, daß er nicht der einzige stille Gesellschafter der Beklagten war. Das Anlagemodell setzte vielmehr voraus, daß sich zahlreiche Anleger in der gleichen Art beteiligten. Dann aber konnte der Kläger nicht erwarten, daß die Beklagte bei einem Liquiditätsengpaß mit jedem dieser Anleger Verhandlungen über eine einverständliche Einstellung oder Reduzierung der Entnahmen aufnehmen würde. Erst recht war von vornherein klar, daß sich die Beklagte in einem derartigen Fall nicht auf unterschiedliche Regelungen je nach dem Verhandlungsergebnis einlassen konnte. Die Pflicht zur Rücksichtnahme hatte den Zweck, die Beklagte und damit auch die Gesamtheit der Anleger in einem Liquiditätsengpaß vor einer Insolvenz oder jedenfalls vor dem Erfordernis unwirtschaftlicher Maßnahmen zu schützen. Dieser Zweck konnte nur erreicht werden, wenn die Beklagte in einer solchen Situation schnell und angemessen würde handeln können. Diese Auslegung des § 12 Abs. 6 der Vertragsbedingungen ergibt sich im übrigen auch aus der allgemeinen gesellschaftlichen Treuepflicht.

b) Die Einstellung bzw. Reduzierung der Ausschüttungen nach § 12 Abs. 6 der Vertragsbedingungen war aber nur dann zulässig, wenn die Beklagte tatsächlich nicht genügend Liquidität hatte, um die Entnahmeansprüche der Anleger ohne Gefährdung ihrer langfristigen Zielsetzungen erfüllen zu können. War dagegen ausreichende Liquidität vorhanden und hat die Beklagte dennoch in das Entnahmerecht der Anleger eingegriffen, kann sich daraus ein Grund für eine außerordentliche Kündigung des jeweiligen Gesellschaftsvertrages ergeben. Gleich zu beurteilen ist der Fall, daß ein Liquiditätsengpaß durch eine Maßnahme verursacht worden ist, die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Beklagten lag. Nach § 8 der Vertragsbedingungen ist die Beklagte nämlich ohne Zustimmung der stillen Gesellschafter nur zu Maßnahmen berechtigt, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören.

Diese Ausnahmevoraussetzungen darzulegen und notfalls zu beweisen, ist Sache der Beklagten. Sie hat dazu vorgetragen, die Aussetzung der Entnahmen sei erforderlich gewesen, weil sie im Jahre 2001 an das konzernverbundene Bankhaus P. GmbH & Co. KGaA 26,3 Mio. DM habe zahlen müssen, weitere Verpflichtungen i.H.v. 18,2 Mio. DM bestünden, Umsatzsteuernachzahlungen i.H.v. 14 Mio. DM fällig geworden seien und eine Rückstellung wegen einer periodenfremden Gewerbesteuerschuld i.H.v. 29 Mio. DM erforderlich geworden sei. Dieser Vortrag ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht ausreichend. Die Beklagte hätte ihre Vermögenslage zu den fraglichen Zeitpunkten insgesamt darstellen müssen. Nur dann wäre es möglich gewesen, ihren Vortrag auf Schlüssigkeit zu überprüfen. Die Angabe nur einzelner Ausgabeposten läßt dagegen nicht erkennen, ob die Beklagte unter Berücksichtigung ihres sonstigen Zahlungsflusses in einem Liquiditätsengpaß war. Auch hätte die Beklagte erläutern müssen, wieso Zahlungen an das Bankhaus P. zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gehört haben sollen. Daß der Kläger auf den Vortrag der Beklagten nicht näher eingegangen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dem Vortrag der Beklagten läßt sich schon im Ansatz kein Liquiditätsengpaß entnehmen. Deshalb konnte sich der Kläger auf die pauschale Erwiderung in der Berufungsbegründung beschränken, zu der Liquiditätslage fehle "jeglicher Vortrag" der Beklagten.

3. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil der Beklagten, die auf die Unvollständigkeit ihres Vortrags bislang nicht hingewiesen worden ist, Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben werden muß. Dazu ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

III. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 64.762,24 EUR festgesetzt.

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 03.09.2003