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BGH - Entscheidung vom 16.12.2005

V ZR 273/04

Normen:
EGBGB Art. 233 § 5
ZGB-DDR § 321 § 322
Grundstückverkehrsverordnung § 12 Abs. 2

BGH, Urteil vom 16.12.2005 - Aktenzeichen V ZR 273/04

DRsp Nr. 2006/2550

Rechtsfolgen des Übergangs eines Grundstücks in Volkseigentum zu Zeiten der ehemaligen DDR

1. Mit dem Übergang eines Grundstücks in Volkseigentum erloschen gem. § 12 Abs. 2 GrundstücksverkehrsVO/DDR zu Zeiten der ehemaligen DDR alle bestellten Dienstbarkeiten.2. Anstelle erloschener Dienstbarkeiten außerhalb des Grundbuchs bestehende Mitbenutzungsrechte sind gem. § 8 Abs. 1 GBBerG mit Ablauf des Jahres 2000 kraft Gesetzes erloschen.

Normenkette:

EGBGB Art. 233 § 5 ; ZGB -DDR § 321 § 322 ; Grundstückverkehrsverordnung § 12 Abs. 2 ;

Tatbestand:

Die damaligen Eigentümer eines heute den Beklagten gehörenden Grundstücks in K./Sachsen bestellten 1967 dem jeweiligen Eigentümer des benachbarten, den Klägern gehörenden Grundstücks ein Zugangs- und Zufahrtsrecht, das in das Grundbuch eingetragen wurde. Als das belastete Grundstück 1969 im Wege des Erbgangs in das Eigentum des Volkes fiel, wurde die Dienstbarkeit gelöscht, ohne dass dem eine Aufgabe- oder eine andere Erklärung der Kläger zugrunde gelegen hätte.

Die Beklagten, die das Grundstück seit 1970 nutzten, führten 1992 mit der damaligen Eigentümerin, der Gemeinde W. , Verhandlungen über den Ankauf. In diesem Zusammenhang teilten sie ihr mit Schreiben vom 10. September 1992 mit, das "Wegerecht über den Hof für Familie W." bleibe bestehen, "im Grundbuch von Familie W." sei aber festzuhalten, dass sich die Kläger an der Instandsetzung finanziell zu beteiligen hätten. 1993 erwarben die Beklagten das Grundstück und beanstandeten die Inanspruchnahme des Zugangs- und Zufahrtsrechts durch die Kläger zunächst nicht. Seit Juli 2002 verwehren sie ihnen die Nutzung. Die Kläger legten daraufhin eine andere Zufahrt auf eigenem Grund und Boden an.

Das Amtsgericht hat dem Antrag der Kläger, die Beklagten im Wege der Grundbuchberichtigung zur Bewilligung der Wiedereintragung des Rechts zu verurteilen, stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage, auch im Hilfsantrag, der auf Einräumung einer entsprechenden Dienstbarkeit gerichtet worden ist, abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren ursprünglichen Haupt- und Hilfsantrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagten hätten das Grundstück gutgläubig lastenfrei erworben. Zwar sei ein solcher Erwerb für Grundstücke im Beitrittsgebiet durch Art. 233 § 5 EGBGB eingeschränkt gewesen. Diese Einschränkung betreffe aber nur Mitbenutzungsrechte nach §§ 321 , 322 ZGB -DDR, nicht hingegen Dienstbarkeiten, die vor Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der DDR unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs begründet worden seien. Die Voraussetzungen eines gutgläubig lastenfreien Erwerbs hätten vorgelegen. Durch die Löschung der Dienstbarkeit sei das Grundbuch unrichtig geworden. Dass dies den Beklagten bekannt gewesen sei, hätten die Kläger nicht bewiesen. Aus dem Schreiben vom 10. September 1992 lasse sich eine solche Kenntnis nicht folgern.

II. 1. Im Ergebnis zutreffend hält das Berufungsgericht die Dienstbarkeit für erloschen. Das ergibt sich allerdings nicht aus einem gutgläubig lastenfreien Erwerb des dienenden Grundstücks durch die Beklagten. Vielmehr ist die Dienstbarkeit schon mit dem Übergang des Grundstücks in Volkseigentum erloschen. § 12 Abs. 2 der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken - Grundstücksverkehrsverordnung - vom 11. Januar 1963 (GBl. II Nr. 22 S. 159) in der Fassung der 2. Grundstücksverkehrsverordnung vom 16. März 1965 (GBl. II Nr. 37 S. 273) sah nämlich für den Fall, dass ein Grundstück oder Gebäude - wie hier - als erbenloser Nachlass auf den Staat überging, ein Erlöschen sämtlicher Belastungen vor. Den Gläubigern der untergegangenen Rechte stand dafür ein Entschädigungsanspruch zu (§§ 8, 9 der Anordnung zur Grundstücksverkehrsverordnung vom 27. März 1963, GBl. II Nr. 30 S. 202).

2. Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich ein Grundbuchberichtigungsanspruch auch nicht auf ein außerhalb des Grundbuchs entstandenes Mitbenutzungsrecht der Kläger stützen. Ob ein solches Mitbenutzungsrecht an einem ehemals volkseigenen Grundstück überhaupt entstehen konnte, ist zweifelhaft, weil das Grundstück in Rechtsträgerschaft des Rates der Gemeinde stand und von diesem, wenn auch nicht durch eigene Dienststellen, genutzt wurde (vgl. dazu Senat, Urt. v. 14. November 2003, V ZR 72/03, VIZ 2004, 193 , 194 f.). Diese Zweifel können hier auf sich beruhen. Jedenfalls wäre ein Mitbenutzungsrecht nach § 8 Abs. 1 GBBerG mit Ablauf des Jahres 2000 kraft Gesetzes erloschen, da es nicht gebucht war und die Kläger eine Klage auf Bewilligung der Eintragung nicht erhoben und eine andere verjährungsunterbrechende Maßnahme zur Sicherung des Rechts nicht ergriffen haben.

3. Bei dieser Situation kommt allerdings ein Anspruch aus § 116 SachenRBerG in Betracht, den die Kläger mit dem ersten Hilfsantrag geltend machen. Zur Entscheidung darüber fehlt es indes an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht, an das die Sache zurückzuverweisen ist, nachzuholen haben wird.

Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 22.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 6 S 4885/03
Vorinstanz: AG Hainichen, vom 04.11.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 4 C 295/03