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BGH - Entscheidung vom 28.06.2005

KZR 26/04

Normen:
EG Art. 81
EGV 1400/2002 Art. 3

Fundstellen:
DAR 2006, 96
GRURInt 2006, 57
NJW-RR 2006, 689
wrp 2006, 109

BGH, Urteil vom 28.06.2005 - Aktenzeichen KZR 26/04

DRsp Nr. 2006/1946

"Qualitative Selektion"; Rechtsfolgen der Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb; Zivilrechtliche Rechtspositionen der Vertragshändler

»Die Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb regelt nur die Voraussetzungen, unter denen Vertriebsvereinbarungen des Kraftfahrzeugsektors gruppenweise gemäß Art. 81 Abs. 3 EG von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt sind. Zivilrechtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten des Kraftfahrzeugherstellers lassen sich aus ihr nicht herleiten.«

Normenkette:

EG Art. 81 ; EGV 1400/2002 Art. 3 ;

Tatbestand:

Die Klägerin war bis zum 30. Juni 2002 als Vertragswerkstatt und - mit dem Status einer Handelsvertreterin im Nebenberuf - als Vermittlerin von Neuwagengeschäften der beklagten Kraftfahrzeugherstellerin tätig. Das Vertragsverhältnis, dem ein von der Beklagten verwendeter Mustervertrag "Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommen" (Anlage B zur Klageschrift, künftig nur: Anlage B) zugrunde lag, endete aufgrund einer von der Beklagten im Mai 2000 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Die Beklagte beabsichtigte, für ihr Vertragswerkstättensystem zum 1. Oktober 2003 nach den Vorgaben der am 1. Oktober 2002 in Kraft tretenden neuen Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb (Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor, ABl. EG Nr. L 203 v. 1.8.2002 S. 30, künftig: VO Nr. 1400/2002) ein qualitativ-selektives System nach dem Vertragsmuster "Kundendienst- und Teilevertriebsvertrag für Mercedes-Benz Pkw" (Anlage A zur Klageschrift, künftig nur: Anlage A) einzuführen. Zu diesem Zweck entwickelte sie sogenannte Standards für die qualitative Selektion (Anlage C zur Klageschrift, künftig nur: Anlage C), die ab 1. Oktober 2003 - dem Ablauf der Übergangsfrist für die Anpassung bestehender Verträge an die VO Nr. 1400/2002 - einheitlich für alle Daimler-Benz-Vertragswerkstätten gelten sollten.

Den Vertragswerkstätten, deren Vertragsverhältnis sie nicht gekündigt hatte, bot die Beklagte mit Wirkung ab 1. Oktober 2003 neue Verträge nach dem Muster der Anlage A unter Zugrundelegung der Standards nach Anlage C an. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die bestehenden Verträge nach dem Muster der Anlage B fortbestehen, die nach Auffassung der Beklagten durch die frühere Gruppenfreistellungsverordnung für den Kraftfahrzeugvertrieb (Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl. EG Nr. L 145 v. 29.6.1995 S. 25, künftig: VO Nr. 1475/95) vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt waren und demzufolge gemäß Art. 10 der VO Nr. 1400/2002 in den Genuß der einjährigen Übergangsfrist kamen.

Die Klägerin forderte die Beklagte vor dem 1. Oktober 2002 mehrfach auf, mit ihr zum 1. Oktober 2002 einen Werkstättenvertrag nach dem Muster der Anlage A abzuschließen, dem bis zum 30. September 2003 die Standards des alten Werkstättenvertrages nach dem Muster der Anlage B und ab 1. Oktober 2003 die in der Anlage C formulierten Standards zugrunde liegen sollten. Die Beklagte lehnte dies ab und stellte der Klägerin lediglich den Abschluß eines neuen Vertrages ab 1. Oktober 2003 in Aussicht, sofern die Klägerin die dafür geltenden Selektionskriterien erfülle.

Die Klägerin erhob daraufhin im November 2002 Klage auf Abgabe einer Willenserklärung zum Abschluß eines Vertrages des vorbezeichneten Inhalts sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für den Schaden, der ihr, der Klägerin, daraus entstehe, daß diese Willenserklärung nicht bereits zum 1. Oktober 2002 abgegeben worden sei. Am 8. Mai 2003 bot die Beklagte der Klägerin nach Durchführung eines Auditierungsverfahrens den Abschluß eines Servicevertrages an. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Leistungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Den Feststellungsantrag hat die Klägerin hinsichtlich des Schadens weiterverfolgt, der ihr daraus entstanden sei, daß die Beklagte die mit der Leistungsklage ursprünglich begehrte Willenserklärung nicht zum 1. Oktober 2002, sondern erst zum 8. Mai 2003 abgegeben habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Klägerin auch die auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits entfallenden Kosten auferlegt. Das Berufungsgericht hat der Feststellungsklage in dem zuletzt beantragten Umfang stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Die Beklagte schulde der Klägerin gemäß §§ 20 , 33 GWB Ersatz des Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden sei, daß die Beklagte mit ihr nicht bereits zum 1. Oktober 2002 einen der VO Nr. 1400/2002 entsprechenden, durch die bis zu diesem Zeitpunkt von der Beklagten verlangten qualitativen Anforderungen an eine Vertragswerkstatt gekennzeichneten Vertriebs- und Kundendienstvertrag abgeschlossen habe.

Die Beklagte sei als beherrschendes Unternehmen im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB auf dem - markenspezifisch zu bestimmenden - relevanten Markt der Wartung und Instandsetzung von Fahrzeugen der Marke Daimler-Benz Normadressatin des § 20 GWB . Neben § 20 Abs. 1 GWB komme auch § 20 Abs. 2 GWB zur Anwendung, da der Klägerin als langjähriger Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt mit einer speziell auf Daimler-Benz-Fahrzeuge ausgerichteten Betriebseinrichtung ein Ausweichen auf die Reparatur anderer Fahrzeuge wirtschaftlich nicht zumutbar sei.

Als Normadressatin des § 20 GWB habe die Beklagte die Klägerin nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unbillig behindern oder ungleich behandeln dürfen. Gegen dieses Verbot habe die Beklagte durch die Weigerung verstoßen, mit der Klägerin zum 1. Oktober 2002 einen Werkstattvertrag abzuschließen.

Für die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber anderen Vertragswerkstätten, mit denen die Beklagte in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis 8. Mai 2003 Vertragswerkstättenverträge unterhalten habe, fehle es an einem sachlichen Grund. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung ergebe sich nicht aus der Übergangsregelung des Art. 10 der VO Nr. 1400/2002. Die Übergangsfrist gelte für das Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommen der Beklagten nicht, da dasselbe nicht in den Anwendungsbereich der am 30. September 2002 ausgelaufenen VO Nr. 1475/95 falle. Nach dieser Verordnung seien nur solche Vereinbarungen freigestellt gewesen, bei denen der Vertrieb oder der Bezug von Neufahrzeugen wesentlicher Bestandteil sei. Dies sei bei den Verträgen der Beklagten nicht der Fall. Sie seien keine Vertriebsverträge über Neufahrzeuge im eigentlichen Sinn, sondern Kombinationen eines im Vordergrund stehenden Werkstattvertrages mit einer Vermittlungstätigkeit. Die bloße Vermittlung von Fahrzeugen sei nicht gleichzusetzen mit dem Bezug von Fahrzeugen vom Hersteller und deren Weiterveräußerung.

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß ihre bis zum 30. September 2003 praktizierten Werkstattverträge die Voraussetzungen für eine rückwirkende Einzelfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erfüllten. Mit dem Wegfall der die quantitativen Vertriebssysteme freistellenden VO Nr. 1475/95 zugunsten eines qualitativen Selektionssystems habe der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, daß das bisherige Vertriebssystem sich im Wettbewerb nicht bewährt habe und ab 1. Oktober 2002 zugunsten eines qualitativen Vertriebssystems aufgegeben werde. Vor diesem Hintergrund erscheine es nahezu ausgeschlossen, daß den Verträgen der Beklagten rückwirkend eine über den 30. September 2002 hinaus geltende Einzelfreistellung erteilt worden wäre.

Die Beklagte sei daher ab 1. Oktober 2002 nach § 20 Abs. 1 GWB gehindert gewesen, nur mit ausgewählten Werkstätten das Vertragsverhältnis fortzusetzen und andere Unternehmen, die - wie die Klägerin - die qualitativen Mindestanforderungen ebenso erfüllt hätten, auszuschließen. Der Verpflichtung, mit der Klägerin einen Werkstattvertrag abzuschließen, stehe nicht entgegen, daß die Beklagte die neuen Werkstattverträge erst ab dem 1. Oktober 2003 praktiziert habe. Der Grundsatz der Gleichbehandlung habe es geboten, der Klägerin die Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses anzubieten, das den mit den anderen, ungekündigten Vertragswerkstätten praktizierten Verträgen entsprochen habe.

II. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Beklagte allerdings als Normadressatin des § 20 GWB angesehen. Als Kraftfahrzeugherstellerin ist sie jedenfalls ein marktstarkes Unternehmen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB , von dem die Klägerin als kleines oder mittleres Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung unternehmensbedingt abhängig ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1988 - KZR 20/86, WuW/E 2491, 2493 - Opel Blitz; Beschl. v. 19.1.1993 - KVR 25/91, WuW/E 2875, 2878 ff. - Herstellerleasing; Urt. v. 21.2.1995 - KZR 33/93, WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler). Auch die Revision erhebt hiergegen keine Einwände.

2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen sachlich nicht gerechtfertigter Ungleichbehandlung gegenüber den Vertragswerkstätten, mit denen die Beklagte bis zum 30. September 2003 weiterhin auf der Grundlage des Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens nach dem Muster der Anlage B zusammenarbeitete, scheitert jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schon daran, daß die Klägerin eine Gleichbehandlung mit diesen - ungekündigten - Vertragswerkstätten vor dem 1. Oktober 2003 weder verlangen konnte noch verlangt hat.

a) Nach den in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte mit den Vertragswerkstätten, mit denen sie das Vertragsverhältnis über den 30. September 2003 hinaus fortzusetzen beabsichtigte, mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 neue Verträge nach dem Muster der Anlage A geschlossen und bis zum 30. September 2003 mit diesen Werkstätten weiterhin auf der Grundlage des alten Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommens (Anlage B) zusammengearbeitet. Daß die Beklagte nach dem 30. September 2002, dem Zeitpunkt des Auslaufens der VO Nr. 1475/95, Neuverträge mit Werkstätten noch nach dem Muster der (alten) Anlage B abgeschlossen habe, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden.

Den Abschluß eines solchen, dem von der Beklagten zuvor durch ordentliche Kündigung beendeten Vertragsverhältnis entsprechenden Neuvertrages hat die Klägerin auch nicht verlangt. Das ursprüngliche Leistungsbegehren der Klägerin war vielmehr auf den Abschluß eines Werkstattvertrages nach dem neuen, den Vorgaben der VO Nr. 1400/2002 angepaßten Muster der Anlage A - wenn auch bis zum 30. September 2003 noch auf der Grundlage der Standards der Anlage B - mit Wirkung bereits ab 1. Oktober 2002 gerichtet. Das Berufungsgericht hat indessen nicht festgestellt, daß die Beklagte mit einer ihrer ungekündigten Vertragswerkstätten einen Werkstattvertrag nach dem Muster der (neuen) Anlage A abgeschlossen hat, der vor dem 1. Oktober 2003 wirksam geworden ist. Dies hat auch die Klägerin nicht behauptet.

Damit zeigt sich, daß die Klägerin von der Beklagten die Einräumung einer Rechtsposition forderte, die die Beklagte keinem ihrer Vertragspartner für den Zeitraum vor dem 1. Oktober 2003 eingeräumt hat. Die Klägerin ist daher durch die Weigerung der Beklagten, ihr bereits für die Zeit vor dem 1. Oktober 2003 einen Werkstattvertrag nach dem Muster der Anlage A anzubieten, gegenüber den anderen Vertragswerkstätten der Beklagten nicht ungleich behandelt worden.

b) Die Beklagte war auch nicht deshalb verpflichtet, die Klägerin ab 1. Oktober 2002 wieder als Vertragswerkstatt zuzulassen, weil die am 1. Oktober 2002 in Kraft getretene VO Nr. 1400/2002 den Kraftfahrzeugherstellern für den Werkstatt- und Ersatzteilbereich nur noch eine qualitative Selektion erlaubt und das von der Beklagten praktizierte, quantitativ selektierende Vertragswerkstättensystem nach der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in den Anwendungsbereich der VO Nr. 1475/95 fällt und deshalb auch nicht in den Genuß der einjährigen Übergangsfrist nach Art. 10 der VO Nr. 1400/2002 kommt.

Die VO Nr. 1400/2002 regelt - wie alle Gruppenfreistellungsverordnungen - nur die Voraussetzungen, unter denen Vertriebsvereinbarungen des Kraftfahrzeugsektors gruppenweise gemäß Art. 81 Abs. 3 EG von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt sind. Erfüllt eine Vertriebsvereinbarung die in der Verordnung geregelten Freistellungsvoraussetzungen nicht, so hat dies unter der Geltung der Verordnung 17/62 lediglich zur Folge, daß die betreffende Vereinbarung nicht freigestellt und daher gemäß Art. 81 Abs. 2 EG nichtig ist. Unter der Geltung der Verordnung 1/2003 folgt daraus, daß die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung nicht erfüllt sind, noch nicht einmal die Nichtigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.2004 - KZR 10/03, WuW/E DE-R 1335, 1338 f. - CITROEN). Zivilrechtlich durchsetzbare Verhaltenspflichten des Herstellers im Hinblick auf Freistellungsvoraussetzungen oder -hindernisse lassen sich aus einer Gruppenfreistellungsverordnung dagegen weder unmittelbar noch über § 20 GWB herleiten.

War, wie das Berufungsgericht annimmt, eine quantitative Selektion im Werkstattbereich nach dem 30. September 2002 nicht (mehr) freigestellt, so mag dies dazu geführt haben, daß sämtliche nach dem Muster der Anlage B geschlossenen Werkstattverträge der Beklagten in dem hier interessierenden Zeitraum teilweise oder in vollem Umfang nichtig waren. Eine durchsetzbare Verpflichtung der Beklagten, ab dem 1. Oktober 2002 qualitativ zu selektieren und demgemäß die Klägerin als Vertragswerkstatt zuzulassen, ergibt sich daraus jedoch nicht. Eine solche Verpflichtung läßt sich auch nicht mit dem aus § 20 GWB folgenden Gebot der Gleichbehandlung begründen. Eine qualitative Selektion hat die Beklagte erst mit Wirkung vom 1. Oktober 2003 eingeführt; für den davor liegenden Zeitraum stellt sich die Frage einer Gleichbehandlung somit nicht. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Rahmen einer nicht (mehr) freigestellten und aus diesem Grunde gemäß Art. 81 Abs. 1 EG verbotenen quantitativen Selektion kann es nicht geben.

3. Die Beklagte war schließlich auch nicht zur Vermeidung einer ihr nach § 20 Abs. 1 GWB verbotenen unbilligen Behinderung der Klägerin verpflichtet, diese bereits vor dem 1. Oktober 2003 als Vertragswerkstatt zuzulassen. Für die Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals ist eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes vorzunehmen (BGHZ 81, 322, 331 - Original-VW-Ersatzteile II; BGH WuW/E 2875, 2877 - Herstellerleasing; BGH WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler).

Dabei fällt auf seiten der Klägerin deren Interesse ins Gewicht, möglichst frühzeitig wieder als Vertragswerkstatt der Beklagten zugelassen zu werden, um markenspezifische Betriebseinrichtungen optimal nutzen zu können und die Gefahr, ihren bisherigen Kundenstamm zu verlieren, möglichst gering zu halten. Auf der anderen Seite ist jedoch zu berücksichtigen, daß § 20 GWB auch dem Normadressaten einen unternehmerischen Freiraum bei der Gestaltung und Pflege seines Vertriebssystems belassen und nur den Mißbrauch von Marktmacht verhindern will (vgl. BGHZ 107, 273 , 279 - Staatslotterie; BGH, Urt. v. 12.11.1991 - KZR 2/90, WuW/E 2755, 2758 - Aktionsbeträge; BGH WuW/E 2983, 2988 - Kfz-Vertragshändler). Ein Mißbrauch von Marktmacht ist auf seiten der Beklagten nicht feststellbar. Die Beklagte hat ihr Werkstattsystem zwar nicht schon zum 1. Oktober 2002 auf eine nach der VO Nr. 1400/2002 allein noch freigestellte quantitative Selektion umgestellt. Das beruht indessen nicht auf einem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, sondern auf der zumindest vertretbaren Rechtsauffassung der Beklagten, ihr unter der Geltung der VO Nr. 1475/95 praktiziertes Vertragswerkstätten- und Vermittlerabkommen sei durch diese Verordnung und damit noch bis zum Ablauf der einjährigen Übergangsfrist nach Art. 10 der VO Nr. 1400/2002 am 30. September 2003 vom Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt, eine qualitative Selektion zur Erfüllung der neuen Freistellungsvoraussetzungen daher erst ab 1. Oktober 2003 erforderlich.

4. Da die Beklagte nach alledem nicht verpflichtet war, die Klägerin vor dem 1. Oktober 2003 als Vertragswerkstatt zuzulassen, scheidet eine Ersatzpflicht für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nach § 33 GWB aus.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Da die Feststellungsklage sich ebenso wie die von den Parteien in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärte Leistungsklage als unbegründet erweist, ist die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 22.07.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 2 U 202/03
Vorinstanz: LG Stuttgart - 41 O 180/02 KfH - 21.10.2003,
Fundstellen
DAR 2006, 96
GRURInt 2006, 57
NJW-RR 2006, 689
wrp 2006, 109