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BGH - Entscheidung vom 25.10.2005

V ZB 111/05

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1 § 233 § 85 Abs. 2

Fundstellen:
BGHReport 2006, 255
BRAK-Mitt 2006, 24

BGH, Beschluß vom 25.10.2005 - Aktenzeichen V ZB 111/05

DRsp Nr. 2005/20255

Pflichten des Rechtsanwalts zur eigenverantwortlichen Überprüfung und Berechnung der Berufungsbegründungsfrist

1. Eine Sache, die aufgrund einer Vorfristanordnung vorgelegt wird, muss von dem Rechtsanwalt nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden. Der Rechtsanwalt genügt vielmehr seiner Pflicht zur eigenständigen Überprüfung der Frist, wenn er diese noch unmittelbar vor dem notierten Fristablauf überprüft.2. Die Wiedereinsetzungsfrist ist nicht gewahrt, wenn das Wiedereinsetzungsgesuch mehr als zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt angebracht wird. Denn der Prozessbevollmächtigte hätte bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Fristversäumung haben müssen.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 2 S. 1 § 233 § 85 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Die Kläger haben von den Beklagten die Beseitigung von Anpflanzungen in der Nähe der Grundstücksgrenze verlangt. Die Klage ist mit Urteil des Amtsgerichts vom 12. November 2004 abgewiesen worden. Das Urteil ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger nach dem von ihrer Anwältin unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 19. November 2004 zugestellt worden. Die Berufungsschrift gegen das Urteil ist am 13. Dezember 2004, die Berufungsbegründung jedoch erst am 24. Januar 2005 bei dem Landgericht eingegangen. Nach richterlichem Hinweis auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist in einer am 21. März 2005 zugestellten Verfügung haben die Kläger mit dem am 4. April 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Zur Begründung haben die Kläger ausgeführt, dass das Urteil am Nachmittag des 19. November 2004, einem Freitag, zugestellt worden sei. Die bisher stets zuverlässig die Fristen notierende Angestellte Z. habe entgegen der Weisung, sogleich nach Anbringung des Eingangsstempels die Berufungsfrist und die Frist zur Begründung der Berufung zu notieren, die Eintragungen im Fristenkalender erst am kommenden Montag, dem 22. November 2004, vorgenommen und von diesem Tag ausgehend die Fristen berechnet. Die Prozessbevollmächtigte habe bei der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses am 23. November 2004 zwar die Notierung der Fristen, jedoch nicht deren Berechnung geprüft. Sie habe die Berufungsbegründung auch nicht sofort nach Vorlage der Akten nach Ablauf der auf den 18. Januar 2005 notierten Vorfrist, sondern erst am fehlerhaft notierten Tage des Ablaufes der Begründungsfrist, am Montag, dem 24. Januar 2005, gefertigt und bei Gericht eingereicht.

Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehren und den Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgen.

II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ) und auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ).

a) Die Zulassung ist aus dem Grunde der Divergenz geboten. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der mit der Anfertigung einer Berufungsbegründung beauftragte Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung der Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO (dazu: BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827 , 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311 ; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 ) bereits am Tage der Vorlegung nach dem Ablauf einer Vorfrist vorzunehmen habe. Damit ist es von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen. Danach muss eine Sache, die auf Grund einer Vorfristenanordnung vorgelegt wird, nicht sofort bearbeitet und auch die vom Büropersonal notierte Frist nicht sofort überprüft werden (BGH, Beschl. v. 27. Mai 1997, VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825 , 2826 und v. 9. März 1999, VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048 , 2049).

Die Versäumung der Begründungsfrist kann daher nicht deshalb als verschuldet angesehen werden, weil die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht bereits beim Ablauf der Vorfrist am 18. Januar 2005 den von der Angestellten Z. fälschlicherweise auf den 24. Januar 2005 datierten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geprüft hat und so die am 19. Januar 2005 endende Frist für die Berufungsbegründung noch hätte wahren können. Die Entscheidung beruht auch auf der abweichenden Beantwortung der Rechtsfrage und nicht auf einer rechtsfehlerhaften Würdigung der Umstände im Einzelfall, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat.

b) Die Rechtsbeschwerde ist wegen der aufgezeigten Divergenz zulässig, auch wenn sie - wie sogleich ausgeführt - wegen Nichteinhaltung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO keinen Erfolg haben kann. Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das zur Sachentscheidung führt. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels hängt nicht davon ab, ob es begründet ist oder nicht (Senat, Beschl. v. 23. Oktober 2003, V ZB 28/03, NJW 2004, 367 , 368).

2. Die Rechtsbeschwerde ist indes schon deshalb unbegründet, weil die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nicht gewahrt worden ist. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist daher im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden.

Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO an dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn die Versäumung der Frist hätte erkannt werden müssen, also der Irrtum darüber nicht mehr unverschuldet war (BGH, Beschl. v. 12. Oktober 1989, I ZB 3/89, NJW-RR 1990, 379, 380 und v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934 , 935). Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hätte hier nicht erst mit Zustellung des richterlichen Hinweises vom 16. März 2005, am 21. März 2005, sondern spätestens am 24. Januar 2005 der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt werden müssen. Die Anwältin hatte bei der Anfertigung der Begründungsschrift selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob die von ihrer Angestellten Z. eingetragene Frist richtig berechnet worden war (BGH, Beschl. v. 19. Februar 1991, VI ZB 2/91, NJW-RR 1991, 827 , 828; v. 14. Januar 1997, VI ZB 24/96, NJW 1997, 1311 ; und v. 5. November 2002, VI ZB 40/02, NJW 2003, 437 - st. Rspr. des BGH). Hätte sie dies getan, so wäre ihr auch aufgefallen, dass die Frist für die Berufungsbegründung bereits am 19. Januar 2005 abgelaufen war. Damit begann auch die Frist für die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 2 ZPO zu laufen (BGH, Beschl. v. 7. Februar 1996, XII ZB 107/94, FamRZ 1996, 934 , 935), die somit am 7. Februar 2005 ablief.

Das Wiedereinsetzungsgesuch vom 4. April 2005 war daher verspätet und schon aus diesem Grunde als unzulässig zu verwerfen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO ; die Festsetzung des Beschwerdewerts aus § 3 ZPO .

Vorinstanz: LG Dresden, vom 30.05.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 7 S 717/04
Vorinstanz: AG Dippoldiswalde, vom 12.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 3 C 125/04
Fundstellen
BGHReport 2006, 255
BRAK-Mitt 2006, 24