Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 12.07.2005

VI ZB 4/05

Normen:
ZPO § 516 § 233

BGH, Beschluß vom 12.07.2005 - Aktenzeichen VI ZB 4/05

DRsp Nr. 2005/12223

Pflichten des Rechtsanwalts bei Übermittlung der Berufungsschrift mit der Briefpost

1. Der Rechtsanwalt genügt seinen Pflichten, wenn er die Berufungsschrift zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist auf dem Postwege zum Versand bringt. Er darf dann auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten und den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht vertrauen. Zu weiteren Vorkehrungen, insbesondere zur Erkundigung nach dem fristgerechten Eingang des Schriftsatzes, ist er nicht verpflichtet.2. Unterlaufen dem Rechtsanwalt darüber hinaus Fehler bei Vorkehrungen zur Fristenkontrolle, so ist die Versagung der Wiedereinsetzung nicht gerechtfertigt.

Normenkette:

ZPO § 516 § 233 ;

Gründe:

I. Die Klägerin hat gegen das ihre Klage teilweise abweisende Urteil des Landgerichts vom 16. Juli 2004, das ihr am 10. August 2004 zugestellt worden ist, mit Telefax vom 16. September 2004 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat hierzu vorgetragen, daß die Berufungsschrift ausweislich der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Auszubildenden L. am 8. September 2004 vor 18.00 Uhr durch Einwurf in den Briefkasten zur Post aufgegeben worden ist. Dies sei auch in den Akten vermerkt und vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geprüft worden. Der Schriftsatz sei offensichtlich auf dem Postweg verloren gegangen.

Die Akte sei am 10. September 2004 zur Fristenkontrolle durch den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf dessen Schreibtisch gelegt worden. Dem Prozeßbevollmächtigten sei es aufgrund einer schweren Magen-Darm-Grippe, an der er in der Nacht zum 10. September 2004 überraschend erkrankt sei, unmöglich gewesen, die Frist selbst zu kontrollieren oder sich organisatorisch um eine ausreichende Fristenkontrolle durch die Kanzlei zu kümmern.

Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 13. Januar 2005 den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen. Es hat der Klägerin eine schuldhafte Fristversäumnis ihres Prozeßbevollmächtigten zugerechnet. Dieser habe versäumt, auch im Fall einer plötzlichen Erkrankung sicherzustellen, daß ein Vertreter vorhanden ist oder vom Büropersonal zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen beigezogen werden kann. Gegen den am 20. Januar 2005 zugestellten Beschluß hat die Klägerin am 5. Februar 2005 Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hat sie nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 14. April 2005 begründet.

II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß den §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 , 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und im übrigen zulässig (vgl. §§ 574 ff. ZPO ). Sie ist auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hinreichend sichergestellt hat, daß im Falle seiner plötzlichen Erkrankung ein Vertreter vorhanden ist oder zum Zwecke der Erledigung fristgebundener Handlungen vom Büropersonal beigezogen werden kann. Er war nämlich nicht verpflichtet, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes telefonisch zu erkundigen und eine gesonderte Fristenkontrolle durchzuführen, nachdem die Berufungsschrift wie von der Klägerin glaubhaft gemacht, zwei Tage vor Fristablauf von seiner Büroangestellten zur Post gegeben wurde und besondere Umstände, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeit führen könnten, ersichtlich nicht gegeben sind. Da die normale Postlaufzeit bei Briefen erfahrungsgemäß nicht mehr als zwei Werktage (Zustelltage) beträgt (vgl. § 2 Nr. 3 Satz 1 PUDLV ), genügte es, die Berufungsschrift zwei Tage vor Ablauf der geltenden Berufungsfrist abzusenden (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Januar 2003 - X ZB 7/02 - NJW-RR 2003, 1000 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 90, 326, BVerfG NJW 1992, 38 ff. und NJW 1994, 1854 ff.). Der Prozeßbevollmächtigte durfte auf die Einhaltung der normalen Postlaufzeiten und den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift beim Berufungsgericht vertrauen (st.Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - VersR 2004, 354 , 355 m.w.N.). Zu weiteren Vorkehrungen, um den fristgerechten Eingang eines Schriftsatzes sicherzustellen, war er nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet. Trifft ein Anwalt darüber hinaus Vorkehrungen zur Fristenkontrolle und unterlaufen ihm hierbei Fehler, so ist deshalb die Versagung der Wiedereinsetzung nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluß vom 30. September 2003 - VI ZB 60/02 - aaO; BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001 - VII ZB 2/00 - BRAK-Mitteilungen 2001, 215 m. Anm. Borgmann; vom 8. April 1992 - XII ZB 34/92 - NJW-RR 1992, 1020 , 1021 und vom 11. Oktober 1989 - IVa ZB 7/89 - VersR 1990, aaO).

Vorinstanz: OLG Celle, vom 13.01.2005