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BGH - Entscheidung vom 21.03.2005

II ZR 180/03

Normen:
BGB § 723 Abs. 1 Satz 2
HGB § 234 Abs. 1 Satz 2

BGH, Urteil vom 21.03.2005 - Aktenzeichen II ZR 180/03

DRsp Nr. 2005/5713

Kündigungsrecht des stillen Gesellschafters bei Änderungen der Vertragsbedingungen

Ist in dem Vertrag über eine stille Gesellschaft vorgesehen, daß der stille Gesellschafter sein Auseinandersetzungsguthaben in Form einer Rente ausgezahlt bekommt, wobei das stehen bleibende Guthaben mit 7 % pro Jahr verzinst werden soll, so hat der stille Gesellschafter ein Kündigungsrecht, wenn sich der Vertragspartner in der Folgezeit wegen bankrechtlicher Bedenken weigert, die Rente zu zahlen, und statt dessen die Auszahlung des Guthabens in einer Summe anbietet.

Normenkette:

BGB § 723 Abs. 1 Satz 2 ; HGB § 234 Abs. 1 Satz 2 ;

Tatbestand:

Die beklagte Aktiengesellschaft beschäftigt sich u.a. mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen. Das erforderliche Kapital bringt sie auf, indem sie mit zahlreichen Kleinanlegern stille Gesellschaften gründet, bezogen jeweils auf ein bestimmtes "Unternehmenssegment". Die Laufzeit beträgt nach Wahl der Anleger 10 bis 40 Jahre. Die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust des jeweiligen Segments beteiligt und haben ggf. eine Nachschußpflicht bis zur Höhe ihrer Entnahmen. Nach den im vorliegenden Fall verwendeten Vertragsformularen sollte das Auseinandersetzungsguthaben am Ende des jeweiligen Gesellschaftsvertrages als monatliche Rente mit einer Laufzeit von - je nach Wunsch des Anlegers - 10 bis 40 Jahren ausgezahlt werden ("SecuRente"). Damit sollte ein Beitrag zur Versorgung und Absicherung des stillen Gesellschafters im Alter geleistet werden. Den Anlegern wurden steuerliche Verlustzuweisungen in Höhe ihrer Einlagezahlungen in Aussicht gestellt. Außerdem sollten sie ein gewinnunabhängiges Recht auf Entnahme i.H.v. jährlich 10 % ihrer eingezahlten Einlage haben.

Die Kläger beteiligten sich am 13. März bzw. 11. Dezember 1998 an dem "Unternehmenssegment VII" der Beklagten. Der Kläger zu 1 hatte nach dem "Zeichnungsschein" Nr. 1 eine Einmalzahlung i.H.v. 21.000,00 DM und monatliche Raten i.H.v. 420,00 DM über 20 Jahre zu zahlen, insgesamt 121.800,00 DM. Bei dem Kläger zu 2 waren in dem Vertrag Nr. 8 eine Einmalzahlung i.H.v. 21.000,00 DM und monatliche Ratenzahlungen i.H.v. 210,00 DM vorgesehen, in einem weiteren Vertrag mit der Nr. 6 eine Einmalzahlung i.H.v. 10.500,00 DM und monatliche Ratenzahlungen i.H.v. 157,50 DM, insgesamt bei ebenfalls 20 Jahren Vertragslaufzeit 71.400,00 DM und 48.300,00 DM. In den Beträgen war jeweils ein Agio i.H.v. 5 % enthalten. Am Ende der Laufzeiten sollten die Auseinandersetzungsguthaben jeweils in Raten über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgezahlt werden.

Im Oktober 1999 untersagte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben in Raten auszuzahlen, weil das nach der Auffassung des Amtes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG verstößt. In dem daraufhin geführten verwaltungsgerichtlichen Prozeß verpflichtete sich die Beklagte vergleichsweise, die Auseinandersetzungsguthaben jeweils in einer Summe auszuzahlen. Ab Januar 2001 kürzte die Beklagte zudem die Ausschüttungen an die stillen Gesellschafter wegen eines Liquiditätsmangels. Daraufhin ließen die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 27. August bzw. 17. September 2001 die fristlose Kündigung ihrer stillen Beteiligungen erklären.

Mit ihren Klagen verlangen sie die Feststellung, daß die stillen Gesellschaftsverhältnisse durch die Kündigungen beendet sind und für die Zeit danach keine Verpflichtung mehr besteht, weitere Einlagen an die Beklagte zu zahlen.

Die Klagen sind in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich die in dem Berufungsurteil zugelassene Revision der Kläger.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung ausgeführt: Die Kündigungen seien mangels eines Kündigungsgrundes unwirksam. Daß die Kläger bei den Vertragsverhandlungen von der Vermittlerin H.

über die Risiken der Anlage getäuscht worden seien, könne aufgrund der dazu durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Ein Kündigungs- oder Nichtigkeitsgrund ergebe sich auch nicht daraus, daß in den Verträgen eine ratierliche Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben nach Ablauf der Vertragslaufzeiten vorgesehen sei, diese Art der Auszahlung aber möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen § 32 KWG unzulässig sei. Daß statt dessen die Auseinandersetzungsguthaben in einer Summe ausgezahlt werden sollten, sei als Änderung der Auszahlungsmodalität von nur untergeordneter Bedeutung. Die Verträge seien auch nicht wegen der langen Laufzeiten sittenwidrig. Ebensowenig könnten die Kläger aus § 2 b EStG etwas für sich herleiten. Danach könnten zwar negative Einkünfte aus Gesellschaftsbeteiligungen nicht - wie in dem Anlagemodell der Beklagten vorgesehen - mit anderen Einkünften ausgeglichen werden, wenn bei der Begründung der Einkunftsquelle die Erzielung eines steuerlichen Vorteils im Vordergrund gestanden habe. Diese Vorschrift sei aber gemäß § 52 Abs. 4 Satz 2 EStG auf die Vertragsverhältnisse der Parteien nicht anwendbar. Schließlich seien auch die Widerrufserklärungen der Kläger nach dem Haustürwiderrufsgesetz unwirksam, da die Widerrufsbelehrungen in den Zeichnungsscheinen ordnungsgemäß gewesen seien und daher die Widerrufsfristen versäumt seien.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Ob ein möglicher Verstoß der Beklagten gegen das Verbot des § 32 KWG , Bankgeschäfte ohne behördliche Erlaubnis zu betreiben, die Nichtigkeit der Verträge über die stillen Gesellschaften nach § 134 BGB zur Folge hat (ablehnend für Kreditgeschäfte und Garantien BGH, Urt. v. 14. Juli 1966 - III ZR 240/64, WM 1966, 1101, 1102; v. 21. April 1972 - V ZR 52/70, WM 1972, 853; v. 13. Juli 1978 - III ZR 178/76, WM 1978, 1268, 1269; BGHZ 76, 119, 126), kann offen bleiben. Das Berufungsgericht hat nämlich jedenfalls verkannt, daß die vergleichsweise Verpflichtung der Beklagten, die Auseinandersetzungsguthaben nicht mehr ratierlich, sondern nur noch in einer Summe auszuzahlen, zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht der Kläger geführt hat.

Jeder Vertragspartner ist verpflichtet, im Rahmen des ihm Zumutbaren alles zu unterlassen, was den Eintritt des vertraglich vorgesehenen Leistungserfolges vereiteln oder gefährden könnte. Er muß sich vertragstreu verhalten. Insbesondere darf er die Erfüllung des Vertrages oder einer wesentlichen Vertragspflicht nicht ernsthaft und endgültig verweigern oder erklären, er werde den Vertrag nicht so erfüllen, wie es vereinbart ist. Verletzt er diese Pflicht, hat der andere Vertragsteil grundsätzlich das Recht, sich von dem Vertrag zu lösen. Bei einem Vertrag über eine stille Gesellschaft hat diese Lösung - wie bei allen Dauerschuldverhältnissen - in Form der Kündigung zu geschehen. Das ergibt sich aus § 723 Abs. 1 Satz 2 BGB , § 234 Abs. 1 Satz 2 HGB (Sen.Urt. v. 8. Juli 1976 - II ZR 34/75, DB 1977, 87, 88; BGHZ 11, 80, 84; 90, 302, 308; BGH, Urt. v. 2. Juli 1968 - VI ZR 207/66, MDR 1968, 915; v. 12. Oktober 1977 - VIII ZR 73/76, NJW 1978, 103; v. 11. Februar 1981 - VIII ZR 312/79, NJW 1981, 1264, 1265; Soergel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. vor § 323 Rdn. 62; MünchKommBGB/Emmerich 4. Aufl. vor § 275 Rdn. 281 ff.). Die Voraussetzungen für ein solches Kündigungsrecht sind hier erfüllt.

Die Beklagte ist nach dem Inhalt der mit den Klägern geschlossenen Verträgen verpflichtet, nach der Beendigung der stillen Gesellschaften die Auseinandersetzungsguthaben - sofern die Kläger nicht die sofortige Auszahlung in einer Summe wünschen - als Darlehen stehen zu lassen und mit 7 % pro Jahr zu verzinsen bei ratenweiser Rückzahlung über einen Zeitraum von 10 Jahren. Indem sie sich in dem gerichtlichen Vergleich verpflichtet hat, die Auseinandersetzungsguthaben jeweils in einer Summe auszuzahlen, hat sie zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit ist, ihre Vertragspflicht zur ratierlichen Auszahlung zu erfüllen. Das berechtigt die Kläger, sich ohne Bindung an die vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen von den Verträgen zu lösen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die ratenweise Auszahlung tatsächlich gegen § 32 KWG verstoßen würde und ob die Kläger unabhängig davon auf der Erfüllung der Verträge bestehen könnten. Entscheidend ist allein, daß die Kläger davon ausgehen müssen, die Beklagte werde ihre Vertragspflicht tatsächlich nicht erfüllen.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der vereinbarten Rentenzahlung auch um einen wesentlichen Vertragsbestandteil und nicht nur um eine Auszahlungsmodalität, die für die Anleger von untergeordneter Bedeutung ist. Die Rentenzahlung war von der Beklagten als eine Besonderheit des Anlagemodells herausgestellt worden. So heißt es in dem Vorwort des Emissions-Prospekts: "Mit dem vorliegenden Emissions-Prospekt stellen wir Ihnen ein innovatives Beteiligungsprogramm zur ergänzenden Altersvorsorge, die SecuRente, vor." Die Anleger sollten die Möglichkeit haben, aus den Erträgnissen ihrer Beteiligung eine Altersrente zu beziehen. Bei Abschluß des Vertrages stand zwar noch nicht fest, wie hoch am Ende der Laufzeit das Auseinandersetzungsguthaben sein würde. In Höhe dieses Guthabens sollte dann aber keine Verlustbeteiligung mehr erfolgen. Vielmehr sollte das Guthaben in festen Monatsraten ausgezahlt werden. Wesentlich ist dabei, daß bereits bei Vertragsschluß eine Verzinsung i.H.v. 7 % pro Jahr festgelegt war. Aus diesem Grund stellt es für die Anleger keinen gleichwertigen Ersatz dar, wenn ihnen das Guthaben in einer Summe ausgezahlt wird und sie es anderweitig anlegen. Die Anleger können nicht erwarten, daß sie bei einer Neuanlage mit gleichzeitig beginnender ratierlicher Rückzahlung eine auch nur annähernd gleich hohe Verzinsung werden erreichen können. Deshalb kann ihnen nicht zugemutet werden, den Vertrag fortzuführen, obwohl klar ist, daß die Beklagte zu der versprochenen Rentenzahlung nicht mehr bereit ist.

Damit ist die Klage begründet. Da weitere Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erforderlich sind, hat der Senat in der Sache zu entscheiden.

Vorinstanz: OLG Braunschweig, vom 14.05.2003
Vorinstanz: LG Göttingen, vom 25.04.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 516/01