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BGH - Entscheidung vom 14.06.2005

5 StR 55/05

Normen:
StGB § 56 Abs. 1

BGH, Urteil vom 14.06.2005 - Aktenzeichen 5 StR 55/05

DRsp Nr. 2005/9813

Keine Bewährung bei Bewährungsversager und ungewisser Besserung

Einer positiven Prognose fehlt bei einem Bewährungsversager die Grundlage, wenn eine "Besserung" nicht festgestellt, sondern völlig ungewiss ist.

Normenkette:

StGB § 56 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Der wegen Entzugserscheinungen in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich verminderte Angeklagte, der ein Taschenmesser bei sich führte, entriß einer Passantin gewaltsam die Handtasche, um mit erbeutetem Bargeld Heroin erwerben zu können. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der auf die Sachrüge gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision gegen die Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung.

1. Trotz der expliziten bloßen Beschränkung auf den Strafausspruch ist der Revision, die sich nicht gegen die Strafe wendet, eine gewollte Beschränkung auf die Strafaussetzungsfrage zu entnehmen. Diese steht indes im vorliegenden Fall in unmittelbarem Zusammenhang mit der Drogenabhängigkeit des Angeklagten, so daß der Senat mit dem Generalbundesanwalt die Revision auf die Strafaussetzungsfrage und auf die damit untrennbar verknüpfte Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als beschränkt ansieht (vgl. BGH NStZ 1994, 449 ). Hingegen schließt der Senat hier eine mögliche Abhängigkeit zwischen Maßregel und milde bemessener Strafe aus.

2. Das Rechtsmittel hat im Umfang der Beschränkung Erfolg.

a) Die Zubilligung von Strafaussetzung zur Bewährung hat keinen Bestand.

Der Angeklagte beging die Tat während einer Bewährungszeit zwei Jahre nach der im Anschluß an eine Drogentherapie nach § 35 BtMG erfolgten Aussetzung eines Strafrestes und der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Zur Tatzeit hatte der Angeklagte trotz Substituierung mit Methadon den zweiten Rückfall in den Heroinmißbrauch erlitten. Nach der Tat unterzog er sich einer Entgiftung. Zu seinen aktuellen persönlichen und beruflichen Verhältnissen, die sich zu Beginn der Bewährungszeit noch als einigermaßen gefestigt dargestellt hatten (UA S. 3), sind keine näheren Feststellungen getroffen worden. Das Landgericht wertet die persönliche Situation des Angeklagten bezogen auf den Urteilszeitpunkt als "genauso ungefestigt" wie zum Tatzeitpunkt während des zweiten Drogenrückfalls. Die Erfolgsaussicht einer vom Angeklagten beabsichtigten Therapie - konkretere Feststellungen hierzu fehlen - wird vom Landgericht als völlig ungewiß bewertet.

Bei dieser Sachlage fehlt es an jeglicher Grundlage für eine positive Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB . Vielmehr ist den Urteilsgründen deutlich zu entnehmen, daß das Landgericht dem Angeklagten - mehrheitlich (vgl. zur Urteilsfassung: OLG Oldenburg StraFo 2005, 250) - die Strafaussetzung ohne eine solche Grundlage gewähren wollte.

b) Ebenso hat es das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen, eine Entscheidung über die - erneute (vgl. § 67f StGB ) - Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu treffen.

Ein Hang des Angeklagten im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB steht angesichts der zu seiner Drogenkarriere getroffenen Feststellungen und der Feststellung von Entzugserscheinungen bei Tatbegehung, die zur Zubilligung des § 21 StGB führten, außer Frage. Gleiches gilt angesichts der gegebenen Beschaffungskriminalität für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Tat.

Ungeachtet festgestellter Rückfälle nach Drogentherapie ist den Feststellungen des Landgerichts, das ausweislich des Urteils keinen Sachverständigen gehört hat und die beabsichtigte weitere Therapie als ungewiß bezeichnet, nicht eindeutig zu entnehmen, daß keine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges bestünde. Mithin ist nicht gesichert, daß die Anordnung der Maßregel gemäß § 64 Abs. 2 StGB in der nach BVerfGE 91, 1 korrigierten Auslegung zu unterbleiben hätte.

3. Hierüber wird das neue Tatgericht mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO ) zu befinden haben wie auch über die nach Maßgabe der Situation zum Zeitpunkt der neuen Hauptverhandlung zu entscheidende Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB , gegebenenfalls auch der Aussetzung einer Unterbringung nach § 64 StGB gemäß § 67b StGB .