Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 17.03.2005

IX ZR 106/04

Normen:
BGB § 675 § 280

Fundstellen:
AnwBl 2005, 506

BGH, Urteil vom 17.03.2005 - Aktenzeichen IX ZR 106/04

DRsp Nr. 2005/6412

Haftung des anwaltlichen Beraters eines Grundstücksverkäufers

Versichert ein Verkäufer eines Grundstücks oder dessen Vertreter, der selbst Rechtsanwalt ist, ihm seien keine wesentlichen, für den Käufer nicht erkennbaren Mängel des Kaufgrundstücks bekannt, so braucht der anwaltliche Berater des Verkäufers diese Angabe nicht zu hinterfragen, falls er keine gegenteiligen Erkenntnisse hat.

Normenkette:

BGB § 675 § 280 ;

Tatbestand:

Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks, das sie über einen Makler zum Verkauf anbot. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1996 gab das Umweltamt der Klägerin bekannt, auf dem Grundstück größenmäßig nicht unerhebliche Bodenkontaminationen (Öl-Teer-Verunreinigungen) festgestellt zu haben; die Klägerin wurde aufgefordert, die Verunreinigungen zu beseitigen. Die Klägerin informierte ihren anwaltlichen Vertreter, den Beklagten, über dieses Schreiben. Unter dem Datum des 10. Januar 1997 erhielt die Klägerin von M. ein Kaufangebot über 1,85 Mio. DM mit Vertragsentwurf. Dieser enthielt eine Klausel, wonach die Haftung der Verkäuferin für etwa bestehende Sachmängel, insbesondere das Vorhandensein von Altlasten, ausgeschlossen war und die Verkäuferin versicherte, ihr seien wesentliche, für den Käufer nicht erkennbare Mängel nicht bekannt.

Am 12. Januar 1997 übersandte die Klägerin diesen Vertragsentwurf an den Beklagten. In dem Anschreiben hieß es: "Der Kaufinteressent ist mir nicht ganz geheuer, aus diesem Grund befürchte ich mögliche Fußangeln in dem Vertrag und darf Dich bitten, den Vertrag auf diese hin etwas genauer zu überprüfen". Tags darauf kam es zu einem Telefongespräch zwischen der Ehefrau des ersten Geschäftsführers der Klägerin, der Zeugin W. - einer zugelassenen Rechtsanwältin, die für die Klägerin die Verhandlungen mit dem Beklagten führte - und dem Vertreter des urlaubsabwesenden Beklagten, dem Rechtsanwalt K.. Der Inhalt dieses Gesprächs ist streitig. Am 20. Januar 1997 besprach die Zeugin W. - wiederum telefonisch - den gegnerischen Vertragsentwurf mit dem Beklagten.

Am 29. Januar 1997 wurde auf der Grundlage des von M. gelieferten Vertragsentwurfs ein Vorvertrag beurkundet. Für den Käufer trat dabei unter Berufung auf eine angebliche - tatsächlich nicht vorhandene - Generalvollmacht dessen Vater auf. Der Käufer verweigerte später die Genehmigung des Vertrages. Am 6. September 2000 verkaufte die Klägerin das Grundstück anderweitig für 1,05 Mio. DM.

Eine Klage auf Schadensersatz gegen den Vater M. wurde in der Revisionsinstanz mit der Begründung abgewiesen, jener habe den Vorvertrag zu Recht wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil er von der Verkäuferin nicht über die - im Januar 1997 noch vorhandene - Bodenverunreinigung aufgeklärt worden sei (BGH, Urt. v. 22. Februar 2002 - V ZR 113/01, NJW 2002, 1867 ).

Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin nunmehr den Beklagten wegen unzureichender anwaltlicher Beratung auf Schadensersatz in Höhe von 694.315,05 EUR sowie auf Feststellung in Anspruch, daß dem Beklagten keine Gebührenansprüche zustünden. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat eine Pflichtverletzung sowohl in der Person des Beklagten als auch seines Urlaubsvertreters Rechtsanwalt K. verneint. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß Rechtsanwalt K., für dessen Verschulden der Beklagte gegebenenfalls hätte einstehen müssen, anläßlich des am 13. Januar 1997 geführten Telefongesprächs die Klägerin unzutreffend beraten habe. Dem Beklagten sei nicht anzulasten, bei der telefonischen Beratung vom 20. Januar 1997 die Klägerin nicht darauf hingewiesen zu haben, daß sie dem Kaufinteressenten M. die Bodenverunreinigung offenbaren müsse. Zwischen dem Beratungsgegenstand und dem Vorgang vom Oktober 1996 habe keinerlei Zusammenhang bestanden. Auch liege fern, daß dem Beklagten im Januar 1997 jener Vorgang noch gegenwärtig gewesen sei.

Selbst wenn dem Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden könnte, sei diese für den Schaden der Klägerin nicht ursächlich geworden. Falls der Beklagte der Klägerin geraten hätte, den Kaufinteressenten M. auf die Bodenverunreinigung hinzuweisen, wäre sie diesem Rat nicht gefolgt.

II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Dem von der Klägerin mit Schreiben vom 12. Januar 1997 erteilten Auftrag an den Beklagten hat das Berufungsgericht die Verpflichtung entnommen, den Vertragsentwurf daraufhin zu überprüfen, ob er für die Klägerin nachteilige oder ungewöhnliche Bestimmungen ("Fußangeln") enthalte. Diese Auslegung wird in der Revisionsinstanz nicht angegriffen und läßt auch keine Rechtsfehler erkennen. Diese Verpflichtung hat der Beklagte jedoch nicht verletzt. Der Vertrag enthielt keine "Fußangeln". Die Gewährleistungsregelung war üblich, klar verständlich - zumal für eine Rechtsanwältin - und berührte die Rechtslage zwischen den Kaufvertragsparteien nicht, weil der Verkäufer ohnehin verpflichtet ist, den Käufer über Umstände aufzuklären, die für dessen Entschließung von entscheidender Bedeutung sind und deren Mitteilung er nach der Verkehrsauffassung erwarten darf.

2. Als "Fußangel" hat sich für die Klägerin nicht die erwähnte Vertragsbestimmung, sondern das - durch die im Vertragsentwurf enthaltene Negativerklärung lediglich bekräftigte - Verschweigen des Umstands ausgewirkt, daß der Boden des Kaufgrundgrundstücks kontaminiert war und deswegen auch bereits ein umweltrechtliches Verfahren lief. Deswegen kann der Beklagte jedoch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

a) Eine Pflichtverletzung des Vertreters K., die dem Beklagten möglicherweise hätte zugerechnet werden können, liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat das Beweisergebnis dahin gewürdigt, das Schreiben des Umweltamtes vom 24. Oktober 1996 sei K. bei dem Telefongespräch am 13. Januar 1997 nicht bekannt gewesen und die Zeugin W. habe ihn auch nicht darauf angesprochen. Dagegen erinnert die Revision nichts. Daß K. unabhängig von einer Kenntnis des Schreibens die Altlastenproblematik bekannt gewesen sei, macht auch die Revision nicht geltend. Sie beruft sich vielmehr auf eine Pflicht zur Nachfrage. Wenn ein Verkäufer oder dessen Vertreter, der selbst Rechtsanwalt ist, versichert, ihm seien keine wesentlichen, für den Käufer nicht erkennbaren Mängel des Kaufgrundstücks bekannt, braucht der anwaltliche Berater des Verkäufers diese Angabe jedoch nicht zu hinterfragen, falls er keine gegenteiligen Erkenntnisse hat.

b) Der Beklagte hat auch nicht in eigener Person anwaltliche Pflichten verletzt. Das Berufungsgericht hat es als fernliegend bezeichnet, daß dem Beklagten das Schreiben des Umweltamtes vom 24. Oktober 1996 bei dem Telefongespräch am 20. Januar 1997 gegenwärtig gewesen sei. Ob der Beklagte sich jenen Vorgang ins Gedächtnis hätte zurückrufen müssen, wie die Revision meint, kann dahinstehen. Rechtliche Bedeutung hätte diese Frage nur dann, wenn das Gespräch am 20. Januar 1997 (auch) die Altlastenproblematik zum Gegenstand gehabt hätte. Indes ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, unstreitig sei bei diesem Gespräch nicht mehr über das Schreiben des Umweltamtes und die Gewährleistung gesprochen worden. Dies rügt die Revision nicht. Die Klägerin hat auch keine Umstände vorgetragen, die den Beklagten hätten veranlassen müssen, die Folgen des Verschweigens eines Grundstücksmangels zu erörtern.

c) Die Frage, derentwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat - "unter welchen Voraussetzungen sich ein Rechtsanwalt bei einer Haftung für seinen Erfüllungsgehilfen eigenes, diesem aber unbekanntes Wissen zurechnen lassen muß" -, stellt sich damit nicht. Wenn keiner der Beteiligten eine Pflichtverletzung begangen hat, gibt es nichts zuzurechnen.

Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 05.05.2004
Fundstellen
AnwBl 2005, 506