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BGH - Entscheidung vom 06.10.2005

IX ZR 132/04

Normen:
KO § 82

BGH, Beschluß vom 06.10.2005 - Aktenzeichen IX ZR 132/04

DRsp Nr. 2005/18329

Haftung des Konkursverwalters

Der Konkursverwalter kann sich dann nicht auf eine Kollegialgerichtsentscheidung, die ihm rechtmäßiges Handeln bescheinigt, berufen, wenn diese objektiv unrichtig ist und sein Vorgehen aus Rechtsgründen gebilligt hat, die er selbst nicht erwogen hat.

Normenkette:

KO § 82 ;

Gründe:

Die Beschwerden sind nach § 544 ZPO statthaft; sie sind jedoch nicht begründet. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO ).

1. Die Beschwerde des Beklagten:

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Vorwurf, dass der Beklagte die Ordnungsmäßigkeit der Kapitalaufbringung nicht überprüft habe, nicht überraschend. Außerdem ist der Standpunkt unrichtig, die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung habe nicht geprüft werden müssen, weil bereits wegen der Gewinnfeststellung Schadenersatzansprüche verfolgt worden seien. Der Schadensersatzanspruch wegen zu Unrecht ausgeschütteter Gewinne und der durch gesetzwidrige Forderungsverrechnungen ausgelöste Anspruch aus § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG auf Einzahlung des Ausgabebetrags der Aktien sind zwei verschiedene Ansprüche. Es geht auch nicht um einen identischen Schaden.

Bezüglich des angeblichen Mitverschuldens vermag die Beschwerde ebenfalls keinen Zulassungsgrund aufzuzeigen.

Die Frage, ob die sog. Kollegialgerichtsrichtlinie auf die Haftung des Konkursverwalters gemäß § 82 KO zu übertragen ist, stellt sich nicht. Gegebenenfalls griffe im vorliegenden Fall eine Ausnahme ein: Eine (objektiv unrichtige) Kollegialgerichtsentscheidung, die dem "Amtsträger" rechtmäßiges Handeln bescheinigt, entschuldigt diesen insbesondere dann nicht, wenn das Kollegialgericht das Vorgehen des Beklagten aus Rechtsgründen gebilligt hat, die dieser selbst nicht erwogen hatte. Im vorliegenden Fall hat dieser die Inanspruchnahme der National-Bank nicht deshalb unterlassen, weil er die Bankbestätigung noch anders verstand, als es seit der Entscheidung BGHZ 113, 335 , 350 geboten ist, sondern weil er die Kapitalerhöhung für unproblematisch wirksam erachtete.

Die rechtlichen Erwägungen im Gutachten von Prof. Dr. P. sind in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht enthalten und im Übrigen allenfalls geeignet, einen einfachen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

2. Die Beschwerde des Klägers:

Ein Konkurs- oder Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, Vermögenswerte zu erfassen, um sie nach Möglichkeit zur Masse zu ziehen, auch wenn jene nicht kaufmännisch belegt, sondern nur möglicherweise vorhanden sind. Dies spricht dagegen, aus dem Umstand, dass der Beklagte den Kommanditanteil erfasst hat, zu folgern, dieser müsse ihm beweiskräftig nachgewiesen worden sein.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Inventarisierung des Kommanditanteils könne auch auf mündlichen Angaben von Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin beruhen oder aus deren Vermögensaufstellung übernommen worden sein, widerspricht nicht dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Juli 1971 (VII ZR 295/69, DB 1971, 2010, 2011). Eine Divergenz läge allenfalls vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz aufgestellt hätte, dass der verklagte Konkursverwalter sich allein auf die Angaben der Gemeinschuldnerin habe verlassen dürfen. Dies hat es jedoch nicht getan. Es hat es lediglich für möglich gehalten, dass der Beklagte sich tatsächlich so verhalten hat.

Indem das Berufungsgericht keine Beweiserleichterung wegen der Verletzung von Dokumentationspflichten angenommen hat, ist es nicht von dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Juni 1978 ( VI ZR 183/76, NJW 1978, 2337 , 2339 = BGHZ 72, 132, 138) abgewichen. Zwar hat sich der Bundesgerichtshof dort auf eine Rechenschaftspflicht für Geschäftsvorfälle bezogen, die das verwaltete Vermögen betreffen. Darum geht es dem Kläger jedoch nicht. Er meint, der Beklagte hätte dokumentieren müssen, auf welche Erkenntnisse er sich bei der Inventarisierung der Anteile gestützt hat. Das läuft wiederum nur auf das Verlangen nach einem Buchungsbeleg hinaus. Selbst wenn man aber eine Dokumentationspflicht bejahen wollte, hätte der Beklagte, falls er dokumentiert hätte, sich allein auf die Angaben der Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin gestützt zu haben, die Beweislage für den Kläger um nichts verbessert. Dann kann die angebliche Verletzung der Dokumentationspflicht auch keine Beweislastumkehr oder wenigstens eine Beweiserleichterung bewirken.

Indem das Berufungsgericht es abgelehnt hat, das Vorstandsmitglied F. als Zeugen zu der Behauptung zu vernehmen, dass Dr. K. (weiteres Vorstandsmitglied und angeblicher Zedent) die Abtretungsurkunde in einer Besprechung mit Dr. Pi. (stv. Vorstandsmitglied) vorgelegt habe, hat es den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) nicht verletzt. Das Landgericht hat die Aussage des Zeugen F. dahin gewürdigt, dieser habe "letztendlich nicht sagen (können), ob er konkret von der Übertragung wisse ... und ob er nur aus der Verbuchung auf eine solche schließe". Das Berufungsgericht hat ebenfalls gemeint, der Zeuge habe "bereits in erster Instanz zweifelsfrei bekundet, keine genauere Erinnerung an eine Abtretungsurkunde zu haben". Diese Beweiswürdigung wird von der Beschwerde nicht mit Argumenten angegriffen, die einen Zulassungsgrund erkennen lassen. Wenn der Zeuge sich jedoch in dieser Weise gegenüber dem Beklagten, den nach Ansicht der Beschwerde im Rahmen der Inventarisierung eine Nachfragepflicht getroffen hat, geäußert hätte, hätte der Beklagte ohne Sorgfaltsverstoß annehmen dürfen, der schriftliche Abschluss des Abtretungsvertrages sei nicht beweisbar, und schon deshalb von der Einziehung des Anteils für die Masse absehen dürfen.

Soweit das Berufungsgericht den Antrag auf Vorlage der im Rahmen der Inventur durchzuführenden Aufzeichnungen der einzelnen Vermögensgegenstände nach § 123 Abs. 1 KO abgelehnt hat, ist eine Verletzung eines Verfahrensgrundrechts ebensowenig ersichtlich. Es ist nicht dargelegt, wie sich aus diesen Aufzeichnungen, die zudem nach Angaben des Beklagten wegen Ablaufs der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen bis auf die "konkursspezifischen Abwicklungsunterlagen" vernichtet sein sollen, ergeben soll, dass die im Inventar ausgewiesene Beteiligung durch eine Abtretungsurkunde belegt war.

Das klägerische Vorbringen zu einer Umdeutung einer formlosen Abtretung der Beteiligung in eine solche des Gewinn- und Auseinandersetzungsguthabens war schon nicht schlüssig. Bei einer Umdeutung hätte die Gemeinschuldnerin die künftigen Ansprüche auf das Gewinn- und Auseinandersetzungsguthaben nur mit dem Pfändungspfandrecht belastet erworben, weil die sofort wirksame Pfändung des Kommanditanteils der Abtretung des erst künftig entstehenden Anspruchs auf das Gewinn- und Auseinandersetzungsguthaben vorgeht.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 17.06.2004