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BGH - Entscheidung vom 03.02.2005

III ZR 268/04

Normen:
AGBG § 10 Nr. 7 lit. a § 9
BGB § 628 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
BGHReport 2005, 683
DB 2005, 827
InVo 2005, 331
MDR 2005, 738
NJW-RR 2005, 642
WM 2005, 699
ZGS 2005, 166
ZIP 2005, 492
ZIV 2005, 144

BGH, Urteil vom 03.02.2005 - Aktenzeichen III ZR 268/04

DRsp Nr. 2005/3043

Formularmäßige Vereinbarung der Verpflichtung zur Entrichtung der vollen Vergütung bei vorzeitiger Kündigung eines Inkassoauftrages

»1. Eine formularmäßige Klausel, wonach ein Inkassobüro für jeden Fall der Kündigung des Inkassoauftrages die volle Vergütung als Festbetrag - unabhängig von dem Stand der bis dahin erbrachten Leistungen - beanspruchen kann, ist gemäß § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG unwirksam.2. Wird eine solche Klausel gegenüber einem Unternehmer verwandt, ist sie nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.«

Normenkette:

AGBG § 10 Nr. 7 lit. a § 9 ; BGB § 628 Abs. 1 S. 1 ;

Tatbestand:

Der Beklagte beauftragte die Klägerin durch "Überwachungsauftrag (Einzug einer ausgeklagten Forderung)" vom 17. Oktober 2000, eine titulierte Forderung gegen R. S. in Höhe von 410.530 DM beizutreiben. In dem formularmäßigen Auftrag erkannte der Beklagte die "Geschäftsbedingungen" der Klägerin an, in denen es in Absatz 12 heißt:

"Bereits rechtskräftig titulierte und bislang nicht zu realisierende Forderungen werden von e. [= Klägerin] überwacht. Das gesamte Kostenrisiko trägt e. ab Übernahme des Auftrages. Die Gesamtforderung ist mit Annahme des Auftrages (Originaltitel) in Höhe von 30 % zzgl. MWST (Bearbeitungsvergütung) an e. abgetreten. Bei jedem Zahlungseingang erfolgt entsprechende Verrechnung. Bei Kündigung des Auftrages ist die gesamte Bearbeitungsgebühr, sowie die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten in voller Höhe zu erstatten."

Die Klägerin erreichte nicht, daß der Schuldner zahlte. Mit Schreiben vom 24. April 2002 kündigte der Beklagte den Inkassoauftrag mit sofortiger Wirkung. Daraufhin stellte ihm die Klägerin am 29. April 2002 eine Bearbeitungsvergütung in Höhe von 30 % der Forderung sowie Gerichtsvollzieherkosten, insgesamt 83.278,22 EUR, in Rechnung.

Eingeklagt ist von der vorgenannten Rechnung ein Teilbetrag von 5.500 EUR, nämlich 5.118,60 EUR Bearbeitungsvergütung und 381,40 EUR von der Klägerin verauslagte Vollstreckungskosten, nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 877,40 EUR zuzüglich Zinsen stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung von (insgesamt) 5.500 EUR nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Klägerin könne nach der Kündigung des Inkassoauftrages gemäß § 675 Abs. 1 , §§ 628 , 612 , 670 BGB in Verbindung mit Absatz 12 Satz 5 ihrer (vorzitierten) Geschäftsbedingungen Erstattung der bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten verlangen. Darunter seien nicht nur ihre Auslagen, sondern auch diejenigen - nach Zeitaufwand unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 50 EUR zu ermittelnden - Aufwendungen für Personal und Organisation zu verstehen, die mit dem Inkassoauftrag zusammengehangen hätten (insgesamt 877,40 EUR einschließlich Umsatzsteuer).

Dagegen könne die Klägerin nicht darüber hinaus eine Vergütung fordern. Die Regelung in Absatz 12 Satz 5 ihrer Geschäftsbedingungen, wonach bei Kündigung des Auftrages - zusätzlich zu den bis dahin angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr "zu erstatten" sei, halte der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand. Die Klägerin lasse sich hierdurch eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen versprechen, was gemäß § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG nicht zulässig sei. Jedenfalls liege in einer solchen Abwicklungsregelung eine von wesentlichen Gedanken der gesetzlichen Regelung abweichende, den Beklagten unangemessen benachteiligende Bestimmung, die gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei. Das Prinzip, daß Bezahlung (nur) für geleistete Tätigkeiten geschuldet sei, werde auf den Kopf gestellt.

Nach der - an die Stelle der unwirksamen Geschäftsbedingungen tretenden - gesetzlichen Regelung (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ) habe der Klägerin eine anteilige Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht zugesprochen werden können; denn sie habe insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen nicht dargelegt.

II. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.

1. Die Klägerin kann nur die rechtskräftig zuerkannten 877,40 EUR Personal- und Vollstreckungskosten nebst Zinsen beanspruchen. Der von der Revision weiter geltend gemachte Aufwand zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses nach erfolgter Kündigung war schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er nicht durch entsprechenden substantiierten Parteivortrag belegt war.

2. Die Klägerin kann darüber hinaus keine Vergütung fordern.

a) Zwar ist in Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen bestimmt, daß bei Kündigung des Inkassoauftrages - außer den bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr (oder - im selben Sinn -: "Bearbeitungsvergütung" [vgl. Abs. 12 Satz 3 der Geschäftsbedingungen]) in Höhe von 30 % der beizutreibenden Gesamtforderung zuzüglich Umsatzsteuer "zu erstatten" ist. Diese Regelung ist aber, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, unwirksam. Das ergibt sich aus § 10 Nr. 7 Buchst. a oder - sofern unternehmerischer Geschäftsverkehr vorgelegen haben sollte - aus § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 des AGB-Gesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 (BGBl. I S. 946), das auf den vorliegenden, vom 17. Oktober 2000 bis zum 24. April 2002 dauernden Inkassoauftrag noch anwendbar ist (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB ).

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist die in Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen getroffene Regelung der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG unterworfen; denn durch sie wurde eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung vereinbart (§ 8 AGBG ).

(1) Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und der hierfür geschuldeten Vergütung unmittelbar bestimmen, unterliegen allerdings nicht der Regelung durch Rechtsvorschriften, sondern sind von der den Parteien eingeräumten Vertragsfreiheit umfaßt. Mit solchen Preisabsprachen ist daher im nicht preisregulierten Markt keine Änderung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften im Sinne des § 8 AGBG verbunden. Kontrollfähig sind dagegen vorformulierte Vereinbarungen, die mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben (Nebenabreden) und an deren Stelle, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Hierzu zählen insbesondere Klauseln, die in einer die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung berührenden Weise die Entstehungsvoraussetzungen für den Vergütungsanspruch regeln (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2002 - V ZR 251/00 - ZIP 2002, 808 , 809 m.w.N.; s. auch Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. 2001 § 8 Rn. 21; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. 1999 § 8 Rn. 18 f). So liegt der Streitfall.

(2) Die von den Parteien vereinbarte Einziehung von Forderungen des Beklagten durch die als Inkassobüro tätige Klägerin ist als Geschäftsbesorgungsdienstvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB ) zu qualifizieren (vgl. Senatsurteil vom 29. April 2004 - III ZR 279/03 - BGHReport 2004, 1065). Ein solcher Vertrag ist für den Auftraggeber nach § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 187/90 - WM 1991, 1642 [zum Partnerschaftsanbahnungsdienstvertrag]), weil Inkassoaufträge aufgrund besonderen Vertrauens erteilt zu werden pflegen (vgl. Senatsurteil aaO.). Im Fall der Kündigung durch den Auftraggeber kann der Dienstverpflichtete (nur) einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Über diese gesetzliche Regelung geht Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen der Klägerin zum Nachteil des Auftraggebers hinaus. Denn nach Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen soll der Auftraggeber bei Kündigung des Auftrages stets die volle Bearbeitungsgebühr schulden.

bb) Nach dem - somit gemäß § 8 AGBG anwendbaren - Klauselverbot des § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ist eine Bestimmung unwirksam, nach der der Verwender für den Fall, daß eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen kann. Richtschnur für die rechtliche - also entgegen der Auffassung der Revision einem Sachverständigenbeweis nicht zugängliche - Angemessenheitsprüfung ist jeweils das, was - ohne die Klausel - nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet wäre (vgl. BGH, Urteile vom 8. November 1984 - VII ZR 256/83 - NJW 1985, 632 und vom 29. Mai 1991 aaO.; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen aaO. § 10 Nr. 7 Rn. 1). Angemessen wäre demnach eine Vergütung, die den vom Dienstverpflichteten bis zur Kündigung durch den Auftraggeber erbrachten Leistungen entspräche (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ). Darüber greift die von der Klägerin verwandte formularmäßige Regelung indes hinaus und unterliegt deshalb dem Klauselverbot des § 10 AGBG (vgl. BGHZ 87, 309, 319). Die Klägerin hat sich in Absatz 12 Satz 5 ihrer Geschäftsbedingungen für jeden Fall der Kündigung die volle Vergütung ("gesamte Bearbeitungsgebühr") als Festbetrag - unabhängig von dem Stand ihrer bis dahin erbrachten Leistungen - versprechen lassen. Der Beklagte sollte die gesamte Vergütung selbst dann schulden, wenn er zu einer Zeit kündigte, als die Klägerin noch nichts unternommen hatte. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Klägerin im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung sogar noch mehr erhalten als bei Beendigung nach vollständiger Vertragserfüllung, nämlich die gesamte Bearbeitungsgebühr und vollen Ersatz der ihr entstandenen Kosten (Abs. 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen). Bei erfolgreichem Forderungseinzug hätte sie zwar ebenfalls die Bearbeitungsgebühr erhalten, aber die Beitreibungskosten selbst tragen müssen (vgl. Abs. 12 Satz 2 der Geschäftsbedingungen). Bei nur teilweisem Forderungseinzug hätte die Klägerin - im Fall der ordentlichen Vertragsbeendigung - nur eine anteilige Vergütung erhalten und wiederum die Beitreibungskosten selbst tragen müssen.

Die AGB-förmige Bestimmung einer offensichtlich überhöhten Vergütung für den Fall der Kündigung wird nicht durch ein Interesse der Klägerin gerechtfertigt, den Auftraggeber so an einer vorzeitigen Kündigung des Inkassovertrages zu hindern. Im Gegenteil ist darin, daß dem Auftraggeber durch Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen die Ausübung seines gesetzlichen Kündigungsrechts (§ 627 Abs. 1 BGB ) erschwert wird, eine weitere, die Unangemessenheit der Vergütungsregelung verstärkende, einseitige Benachteiligung zu sehen. Dieses Recht auszuhebeln, besteht kein rechtlich anzuerkennendes Interesse. Was die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen angeht, ist der Dienstverpflichtete durch die Vergütungsregelung in § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB hinreichend geschützt.

cc) Nichts anderes, nämlich Unwirksamkeit der Vergütungsregelung, gälte, wenn § 10 AGBG hier nicht Anwendung fände, weil die Geschäftsbedingungen der Klägerin - was das Berufungsgericht bezüglich des Beklagten offengelassen hat - gegenüber einem Unternehmer verwendet worden wären (§ 24 Satz 1 AGBG ). Denn Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen der Klägerin ist auch nach dem - im Verkehr mit Unternehmern uneingeschränkt anwendbaren - § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. In § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB ist für den Dienstvertrag festgelegt, daß sich die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen und die Vergütung im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung entsprechen müssen. Überhaupt wird Bezahlung grundsätzlich nur für geleistete Tätigkeiten geschuldet (vgl. § 611 Abs. 1 BGB ). Mit diesem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen nicht vereinbar. Denn dort wird - wie oben im Zusammenhang mit § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ausgeführt - das vorbeschriebene Äquivalenzprinzip mißachtet und letztlich auch für eine Nichtleistung ein Entgelt festgesetzt (vgl. Brandner aaO. § 8 Rn. 21b).

b) Aufgrund der von Absatz 12 Satz 5 der Geschäftsbedingungen nicht verdrängten gesetzlichen Regelung des § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Klägerin eine höhere (anteilige) Vergütung als zuerkannt nicht zugesprochen werden. Nach der - nicht angegriffenen - Feststellung des Berufungsgerichts ist dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen, welche Gesamtleistungen die Klägerin zu erbringen hatte. Die von ihr durchgeführten Tätigkeiten können deshalb nicht ins Verhältnis zu der geschuldeten Gesamtleistung gesetzt und so eine anteilige (höhere) Vergütung nicht bemessen werden.

Vorinstanz: OLG Hamm, vom 20.02.2004
Vorinstanz: LG Hagen,
Fundstellen
BGHReport 2005, 683
DB 2005, 827
InVo 2005, 331
MDR 2005, 738
NJW-RR 2005, 642
WM 2005, 699
ZGS 2005, 166
ZIP 2005, 492
ZIV 2005, 144