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BGH - Entscheidung vom 19.01.2005

IV ZR 245/02

Normen:
VBLS § 42 Abs. 2 S. 1 lit a aa) a.F. § 75 ff. (n.F.)

BGH, Urteil vom 19.01.2005 - Aktenzeichen IV ZR 245/02

DRsp Nr. 2005/2689

Anwendung des Halbanrechnungsgrundsatzes in der Zusatzversorgung

Die Anwendung des in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente verstößt für Versicherte, die bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberechtigt geworden sind, auch nach diesem Stichtag nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG , §§ 9 AGBG , 307 BGB .

Normenkette:

VBLS § 42 Abs. 2 S. 1 lit a aa) a.F. § 75 ff. (n.F.) ;

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit Wirkung ab 1. März 1999 eine höhere Zusatzversorgungsrente, bei der seine teilweise im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeiten voll angerechnet werden - primär als Umlagemonate, hilfsweise als sog. Vordienstzeiten.

Der am 14. Februar 1936 geborene Kläger war seit 1. Februar 1962 im öffentlichen Dienst der DDR tätig. Mitte Juli 1990 wurde er als Angestellter in das Bundesbauministerium übernommen. Im Zeitraum vom 15. Mai 1991 bis zum 28. Februar 1999 war er bei der Oberfinanzdirektion B. beschäftigt. Bei der Beklagten war er seit 15. August 1991 zusatzversichert. Von ihr bezieht er seit 1. März 1999 eine Versorgungsrente.

Bei der Berechnung der Rentenhöhe hatte die Beklagte zunächst neben 91 Umlagemonaten, in denen der Arbeitgeber mit Umlagezahlungen an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten Klägers beigetragen hatte, Vordienstzeiten des Klägers ab dem 3. Oktober 1990 zur Hälfte und zuvor zurückgelegte Vordienstzeiten nicht berücksichtigt. Nach dem Senatsurteil vom 27. September 2000 ( IV ZR 140/99 - VersR 2000, 1530 f.) berechnete sie die Rente rückwirkend zum Rentenbeginn neu und legte dabei ihrer Berechnung neben den Umlagemonaten sämtliche Vordienstzeiten des Klägers gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa ihrer Satzung (im folgenden: VBLS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des Klägers maßgebenden Fassung zur Hälfte zugrunde (sog. Halbanrechnungsgrundsatz); zu einer Erhöhung der Rentenzahlung führte die Neuberechnung allerdings nicht. Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341 ).

Der Kläger beanstandet die Berechnungsweise, die der Ermittlung seiner Zusatzversorgungsrente zugrunde liegt. Er ist der Auffassung, daß seine Beschäftigungszeiten im öffentlichen Dienst insgesamt, also bereits ab dem 1. Februar 1962, als Umlagezeiten im Sinne der §§ 44 Abs. 1, 29 Abs. 10 VBLS a.F. anzusehen seien. Hilfsweise hält er eine nicht nur hälftige, sondern volle Anrechnung dieser Zeiten als Vordienstzeiten für geboten. Er hat deshalb mit seiner vor dem Landgericht erhobenen Klage beantragt festzustellen, daß die Beklagte ihm gegenüber zur Zahlung einer Versorgungsrente verpflichtet sei, die unter Zugrundelegung von Umlagezeiten ab dem 1. Februar 1962, hilfsweise unter Vollanrechnung seiner Vordienstzeiten ermittelt werde. Das Landgericht hat festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, die monatliche Versorgungsrente des Klägers ab dem 1. Januar 2001, längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem im Rahmen einer Satzungsreform zu den Vordienstzeiten (§ 42 Abs. 2 VBLS a.F.) eine neue, geänderte Regelung wirksam werde, so zu berechnen, daß die nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. ab 3. Oktober 1990 anzurechnenden Zeiten nicht nur zur Hälfte, sondern voll berücksichtigt werden. Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Rechtsmittel eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts läuft das Begehren des Klägers im Grundsatz darauf hinaus, ihn hinsichtlich der Zusatzversorgung so zu behandeln, als habe er seine Dienstzeit in den alten Bundesländern abgeleistet und sei dabei von Anfang an bei der Beklagten pflichtversichert gewesen. Eine solche, in der Satzung der Beklagten nicht vorgesehene Regelung lasse sich nicht im Wege der Inhaltskontrolle herstellen. Zwar werde der Kläger hinsichtlich seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst der DDR anders behandelt als Versicherte, die im öffentlichen Dienst der alten Bundesländer gearbeitet hätten. Eine Verpflichtung der Beklagten, solche Unterschiede von vornherein zu vermeiden oder auszugleichen, ergebe sich jedoch weder aus dem Einigungsvertrag noch aus dem Grundgesetz .

Außerdem gehörten Rentenbezieher wie der Kläger nicht zu dem Personenkreis, der von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341 ) unmittelbar betroffen sei. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die vom Kläger geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vordienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, 37. Ergl. August 2002 Teil C Anl. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 11. Februar 2004 (IV ZR 52/02 - VersR 2004, 499 f.) und vom 26. November 2003 (IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 ff.) entschieden hat.

a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 27. September 2000 (aaO.) mit der Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS in der Fassung der 28. Satzungsänderung vom 20. Oktober 1995 in einem Fall befaßt hat, in dem ein ehemals bei den Berliner Verkehrsbetrieben in Ost-Berlin Beschäftigter von der Senatsverwaltung Berlin zum 1. April 1991 bei der Beklagten versichert worden war und nach Erreichen der Altersgrenze im Jahr 1998 eine Versorgungsrente von der Beklagten erhielt. In dieser Entscheidung hat der Senat die Frage offengelassen, ob der vollständige Ausschluß von Dienstzeiten in der ehemaligen DDR bei der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Zeit, so wie er durch die 28. Satzungsänderung in § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F. vorgenommen worden ist, unwirksam sei. Jedenfalls könne sich die Beklagte nach § 242 BGB auf die Neuregelung nicht gegenüber Versicherten berufen, die schon vor dieser Satzungsänderung bei der Beklagten nach den gleichen Regeln versichert waren, die für Mitglieder des öffentlichen Dienstes der alten Bundesländer galten. Solche Versicherten dürften grundsätzlich darauf vertrauen, daß die ihnen bei ihrer Anmeldung zugesagten Versorgungsansprüche nicht durch eine nachträgliche Änderung der Satzung der Beklagten in einer ins Gewicht fallenden Weise wieder entzogen würden. Daß auch der Kläger des vorliegenden Verfahrens zu dieser Personengruppe gehört, der gegenüber sich die Beklagte nach § 242 BGB nicht auf den durch die 28. Satzungsänderung vorgenommenen Ausschluß von Dienstzeiten in der DDR berufen kann, ist unstreitig. Unstreitig ist jedoch auch, daß sich die von der Beklagten zu zahlende Rente des Klägers nicht erhöht, wenn man sie nach Maßgabe des Senatsurteils vom 27. September 2000 (aaO.) berechnet. In dieser Entscheidung hat der Senat nicht gefordert, Vordienstzeiten uneingeschränkt zu berücksichtigen, sondern nur nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS in seiner vor der 28. Satzungsänderung geltenden Fassung, wie es die Beklagte hier auch getan hat.

b) Soweit der Kläger weitergehend verlangt, seine Vordienstzeiten in der früheren DDR müßten bei der Bestimmung der gesamtversorgungsfähigen Zeit wie Umlagemonate behandelt werden, findet dieses Begehren in der Satzung der Beklagten keine Grundlage. Umlagemonate sind nur solche, in denen der Arbeitgeber des Versicherten Umlage an die Beklagte entrichtet hat. Diese Voraussetzung einer uneingeschränkten Einbeziehung in die gesamtversorgungsfähige Zeit verletzt Grundrechte des Klägers nicht. Das ergibt sich - wie der Senat bereits in den Urteilen vom 14. Mai 2003 (IV ZR 72/02 - VersR 2003, 893 unter II 2 a und b) und vom 11. Februar 2004 (aaO. unter 2 d) im einzelnen ausgeführt hat - aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff.).

c) Soweit sich die Revision unter Bezug auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (aaO.) gegen die Anrechnung von Vordienstzeiten nur zur Hälfte wendet, hat der Senat in seinem Urteil vom 26. November 2003 (aaO. unter 2 c und d) klargestellt, daß die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts nicht diejenigen Rentnergenerationen betreffen, die vor dem 1. Januar 2001 Rentenempfänger geworden sind. Soweit Versicherte im Revisionsverfahren diese Annahme des Bundesverfassungsgerichts mittels statistischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in bezug auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das Bundesverfassungsgericht unerheblich. Auch für die Generation des Klägers des vorliegenden Verfahrens, der seit 1. März 1999 Rente bezieht, ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mithin davon auszugehen, daß verfassungsrechtlich etwa bedenkliche Folgen einer Halbanrechnung noch im Rahmen einer bei der Regelung einer komplizierten Materie zulässigen Generalisierung bleiben und deshalb hinzunehmen sind.

Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der Beklagten waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem Bundesverfassungsgericht darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsrentenberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch ein Verstoß gegen §§ 9 AGBG , 307 BGB liegt nicht vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der Beklagten in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.; Schantl, VersR 2004, 1226, 1230 ff.). Denn mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Zusatzrentenempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

3. Die Beklagte hat ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 grundlegend geändert (vgl. BAnz 2003 Nr. 1). Nach der Neuregelung kommt es auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Aufgrund der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden Versorgungsrenten nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzungsrecht für die am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung vom Jahr 2002 an jährlich zum 1. Juli um 1% erhöht. Der Kläger macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich, daß er danach im wirtschaftlichen Ergebnis schlechter stünde als Rentenberechtigte, für die das neue Satzungsrecht gilt. Andererseits fehlt auch nach der Neufassung der Satzung jede Grundlage für seine weitergehenden Forderungen.

Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 02.05.2002