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BGH - Entscheidung vom 23.06.2005

I ZB 15/05

Normen:
ZPO § 519 Abs. 2

Fundstellen:
BB 2005, 1988
BGHReport 2005, 1414
MDR 2006, 110

BGH, Beschluß vom 23.06.2005 - Aktenzeichen I ZB 15/05

DRsp Nr. 2005/11382

Anforderungen an die Unterzeichnung des Berufungsschriftsatzes

»Ein Schriftsatz, in dem ein postulationsfähiger Rechtsanwalt innerhalb der Berufungsfrist unter Angabe der Parteien und des bereits für die Berufungsinstanz vergebenen Aktenzeichens die Vertretung des Berufungsklägers, der zuvor eine von ihm selbst unterzeichnete Berufungsschrift eingereicht hat, anzeigt sowie die Einreichung einer Berufungsbegründung ankündigt, genügt den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO

Normenkette:

ZPO § 519 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Der Kläger hat gegen das ihm am 25. September 2004 zugestellte Urteil des Amtsgerichts mit einem von ihm unterschriebenen Schriftsatz vom 1. Oktober 2004, der am selben Tag beim Landgericht einging, Berufung eingelegt. In dem Schriftsatz teilte er mit, daß die Berufungsbegründungsschrift demnächst durch eine Rechtsanwältin eingereicht werde, die bei dem Landgericht zugelassen sei und seine Vertretung übernehme. Die Vorsitzende der Berufungskammer wies den Kläger mit Schreiben vom 5. Oktober 2004 darauf hin, daß bereits die Berufung durch einen bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden müsse und die vom Kläger persönlich eingelegte Berufung als unzulässig verworfen werden müßte. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2004, beim Berufungsgericht eingegangen am 19. Oktober 2004, teilte Rechtsanwältin P. mit, daß sie den Berufungskläger vertrete und daß die Berufungsbegründung und die Anträge einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten blieben.

Mit Beschluß vom 19. November 2004 hat das Landgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Mit seiner Rechtsbeschwerde beantragt der Kläger, den Beschluß des Landgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die vom Kläger eingelegte Berufung nicht von einem postulationsfähigen Anwalt eigenhändig unterschrieben sei und daher den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nicht entspreche. Eine nachträgliche Genehmigung durch die Prozeßbevollmächtigte des Klägers sei ihrem Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 nicht zu entnehmen. Die Prozeßbevollmächtigte sei ersichtlich davon ausgegangen, daß die Berufungseinlegung ihres Mandanten wirksam sei. Sie habe sich weder auf die Berufungsschrift ihres Mandanten bezogen, noch sich hierzu überhaupt geäußert. Auch eine "Neueinlegung" der Berufung sei dem Schriftsatz, der lediglich die Vertretungsanzeige und die Ankündigung der Berufungsbegründung enthalte, nicht zu entnehmen. Diese Ankündigung könne nicht selbst als Berufungseinlegung ausgelegt werden, da zum einen Berufungseinlegung und Berufungsbegründung zwei voneinander abzugrenzende Prozeßhandlungen seien, im übrigen dem Schriftsatz die unbedingte Berufungseinlegung gar nicht zu entnehmen sei, da es sich nur um die Ankündigung weiteren Vortrages handele.

III. 1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 575 Abs. 1 ZPO statthaft. Sie ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts den Kläger in seinem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl. BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367 , 368; Beschl. v. 16.11.2004 - VIII ZB 32/04, FamRZ 2005, 267 ) verletzt.

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung durch Einreichung des Schriftsatzes der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 18. Oktober 2004 wirksam eingelegt worden.

a) Das Revisionsgericht hat selbständig zu würdigen, ob die von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Zulässigkeit der Berufung vorliegen; hierbei ist der gesamte Inhalt der Verhandlungen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1991 - VII ZR 11/91, NJW 1992, 512 , m.w.N.).

b) Gemäß § 519 Abs. 2 ZPO muß die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird (Nr. 1), sowie die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde (Nr. 2). Die nach § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO notwendigen Angaben müssen nicht in der Rechtsmittelschrift selbst vollständig enthalten sein. Es genügt, wenn sie aus anderen vom Rechtsmittelführer innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Unterlagen entnommen werden können (vgl. BGHZ 21, 168, 173; 113, 228, 230).

Im vorliegenden Fall enthält der innerhalb der Berufungsfrist eingereichte Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 die Namen der Parteien, die Angabe des bereits für die Berufungsinstanz vergebenen Aktenzeichens sowie die Mitteilung, daß Rechtsanwältin P. den Berufungskläger vertrete. Da in der vom Kläger persönlich unterzeichneten, am selben Tage beim Berufungsgericht eingegangen Berufungsschrift vom 1. Oktober 2004 die Parteien und das anzufechtende Urteil vollständig bezeichnet sind, ist durch die Angaben in dem Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 den Anforderungen des § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt (zur Bezeichnung des anzufechtenden Urteils durch Angabe eines bereits gebildeten Aktenzeichens vgl. auch BGHZ 36, 258, 259).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist auch das Erfordernis des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt. Die Berufungsschrift muß weder Anträge enthalten noch muß die Wendung gebraucht werden, daß Berufung eingelegt werde. Ausreichend ist vielmehr, daß die Erklärung eindeutig den Willen erkennen läßt, das erstinstanzliche Urteil einer Nachprüfung durch die höhere Instanz zu unterstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.11.1997 - XII ZB 157/97, NJW-RR 1998, 507 , m.w.N.).

Der Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 18. Oktober 2004 enthält keine Berufungsbegründung. Eine solche ist einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten worden. Der darin liegenden Erklärung, mit der innerhalb der noch offenen Frist die Einreichung einer Berufungsbegründung angekündigt wurde, ist eindeutig der Wille zu entnehmen, das Rechtsmittel gegen die durch Angabe des Aktenzeichens bezeichnete erstinstanzliche Entscheidung durchzuführen. Der Schriftsatz vom 18. Oktober 2004 genügt daher den Anforderungen des § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO . Da die Prozeßbevollmächtigte des Klägers ihre Vertretungsanzeige vom 18. Oktober 2004 eigenhändig unterzeichnet hat, stammt die Erklärung, mit der Berufung eingelegt worden ist, auch von einem postulationsfähigen Anwalt, der dafür die volle Verantwortung übernommen hat.

3. Der angefochtene Beschluß kann somit keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur Verhandlung und Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ).

Vorinstanz: LG Berlin, vom 19.11.2004
Fundstellen
BB 2005, 1988
BGHReport 2005, 1414
MDR 2006, 110