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BGH - Entscheidung vom 07.04.2005

IX ZR 258/01

Normen:
ZPO § 845 Abs. 1 S. 1
AnfG § 9

Fundstellen:
BGHReport 2005, 1082
DZWIR 2005, 343
InVo 2005, 363
MDR 2005, 1135
NJW-RR 2005, 1361
Rpfleger 2005, 450
WM 2005, 1037
ZIP 2005, 1198
ZIV 2005, 419
ZInsO 2005, 596

BGH, Urteil vom 07.04.2005 - Aktenzeichen IX ZR 258/01

DRsp Nr. 2005/8020

Anforderungen an die Bezeichnung der Forderungen in einer Vorpfändung; Einrede der Anfechtbarkeit

»1. Zur Bezeichnung der zu pfändenden Forderung in der Vorpfändungsanzeige des Gläubigers.2. Die Einrede der Anfechtbarkeit kann nur gegenüber dem Anfechtungsgegner erhoben werden.«

Normenkette:

ZPO § 845 Abs. 1 S. 1 ; AnfG § 9 ;

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der V. mbH (fortan: Drittschuldnerin). Er begehrt von der beklagten Gläubigerin der Sache nach die Einwilligung, daß ein von der Drittschuldnerin beim Amtsgericht u.a. zu Gunsten der Beklagten hinterlegter Geldbetrag an ihn auszuzahlen sei.

Am 23. Februar 1999 brachte die Beklagte wegen einer titulierten Hauptforderung von 88.199,24 DM zuzüglich Zinsen und Kosten gegen die G. GmbH (fortan: Schuldnerin) eine Vorpfändung aus, mit welcher diese die "Pfändung derjenigen Forderungen und Ansprüche" ankündigte, die der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin zuständen. Am 8. März 1999 erfolgte die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 4. März 1999 an die Drittschuldnerin. Darin wird die gepfändete Forderung wie folgt bezeichnet: "Zahlung des Forderungsbetrages aus dem Rechtsstreit ... gem. Urteil des Landgerichts Hanau vom ... aufgrund einer Leistungsklage". In der Folgezeit wurden der Drittschuldnerin Abtretungserklärungen der Schuldnerin vom 5. Februar 1999 über 37.934,86 DM an die Rechtsanwälte R. & Kollegen und vom 19./20. Februar 1999 über 160.000 DM an U. K. vorgelegt. Außerdem berühmte sich die Schuldnerin selbst des gepfändeten Anspruchs. Die Drittschuldnerin hinterlegte daraufhin den titulierten Betrag unter Verzicht auf das Recht der Rücknahme beim Amtsgericht, unter anderem auch zu Gunsten der Beklagten. Ein Teilbetrag der Hinterlegungssumme wurde später mit Einverständnis der Hinterlegungsberechtigten an die Drittschuldnerin zurückgezahlt. Hinsichtlich des verbliebenen Restes von 90.777,78 DM (= 46.413,93 EUR) verweigerte die Beklagte die Freigabe.

Die von der Drittschuldnerin auf Bereicherung gestützte Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Während des Berufungsverfahrens ist über das Vermögen der Drittschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger hat das Verfahren fortgesetzt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat gemeint, der noch hinterlegte Betrag stehe der Beklagten zu, weil sich der Rang der Pfändung vom 4. März 1999 nach der Vorpfändung vom 23. Februar 1999 bestimme. Der Kläger habe nicht bewiesen, daß die Schuldnerin eine Teilforderung von 160.000 DM vor Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots an K. abgetreten habe. Abzustellen sei auf den Tag, an dem die schriftliche Abtretungserklärung mit der Unterschrift des K. wieder bei der Schuldnerin eingegangen sei. K. habe bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung ausschließen können, daß er die von ihm unterschriebene Erklärung vor dem 3. März 1999 - dieses Datum trage das Begleitschreiben - an die Schuldnerin zurückgesandt habe. Deshalb sei die Forderung bereits verstrickt gewesen, als die Annahme der Sicherungsabtretung bei der Schuldnerin eingegangen sei. Da die Teilabtretung an K. den streitgegenständlichen Betrag übersteige, komme es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die Abtretung des restlichen Teils der Forderung an die Rechtsanwälte R. & Kollegen erfolgt sei.

II. Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Aufgrund des Verzichtes auf das Recht der Rücknahme durch die Drittschuldnerin (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 , § 378 BGB ) ist der Kläger nicht gehindert, Rechte an dem hinterlegten Betrag geltend zu machen. Durch die unwiderrufliche Hinterlegung wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit, wie wenn er zur Zeit der Hinterlegung geleistet hätte. Bestand die zu tilgende Forderung nicht oder ist sie anderweitig erfüllt worden, richtet sich die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht. Hat der Gläubiger den hinterlegten Betrag noch nicht erhalten, muß er seine durch die Hinterlegung gegenüber der Hinterlegungsstelle erlangte "Sperrposition" auf den Schuldner zurückübertragen (vgl. MünchKomm-BGB/Wenzel, 4. Aufl. § 378 Rn. 9). Entsprechendes gilt, wenn dem Gläubiger - wie hier der Beklagten - kein Einziehungsrecht an der gepfändeten Forderung zusteht, weil die Pfändung ins Leere gegangen ist. Auch in diesem Fall hat er die Rechtsstellung als Hinterlegungsberechtigter ohne Rechtsgrund auf Kosten des Drittschuldners erlangt und ist daher zur Freigabe verpflichtet.

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht ausgeschlossen werden, daß der am 8. März 1999 an die Drittschuldnerin zugestellte Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 4. März 1999 ins Leere gegangen ist, weil die gepfändete Forderung der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt schon abgetreten war.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, ob der Schuldnerin die von der Beklagten gepfändete Forderung noch am 8. März 1999 zustand.

aa) Das Berufungsgericht hat übersehen, daß die am 23. Februar 1999 ausgebrachte Vorpfändung (§ 845 Abs. 1 ZPO ) nicht zu einem Pfandrecht der Beklagten (§ 845 Abs. 2 , § 930 Abs. 1 Satz 2, § 804 ZPO ) geführt hat, weil das vorläufige Zahlungsverbot die zu pfändende Forderung nicht hinreichend genug bezeichnet. Hierfür gelten die gleichen Maßstäbe wie für die Pfändung selbst (vgl. BGH, Urt. v. 8. Mai 2001 - IX ZR 9/99, WM 2001, 1223, 1224). Die gepfändete Forderung muß wenigstens in allgemeinen Umrissen angegeben werden, damit sie von anderen unterschieden werden kann (BGHZ 13, 42, 43 f.; 93, 82, 83 f.; BGH, Urt. v. 8. Mai 2001 aaO. S. 1224). Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob sämtliche Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gepfändet sein sollten oder ob die Schuldnerin möglicherweise gegen die Drittschuldnerin überhaupt nur über eine Forderung verfügte. Der Bundesgerichtshof hat sowohl Umschreibungen, nach denen Forderungen aus allen Rechtsgründen gepfändet werden sollen, als nichtssagend und unbestimmt verworfen (BGHZ 13, 42, 43) als es auch im Interesse des sicheren Rechtsverkehrs als unerheblich angesehen, daß Gläubiger, Schuldner und Drittschuldner übereinstimmend wissen, der Schuldner verfüge nur über eine einzige Forderung gegen den Drittschuldner (vgl. BGHZ 13, 42, 44; BGH, Urt. v. 28. Februar 1975 - V ZR 146/73, NJW 1975, 980, 981; v. 28. April 1988 - IX ZR 151/87, NJW 1988, 2543 , 2544; v. 21. Februar 1991 - IX ZR 64/90, NJW-RR 1991, 1197 , 1198; v. 14. Januar 2000 - V ZR 269/98, NJW 2000, 1268 , 1269). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

In zwei höchstrichterlichen Entscheidungen (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 - VIII ZR 258/81, NJW 1983, 886 ; BFH NJW 1990, 2645 , 2646) ist es allerdings als ausreichend angesehen worden, daß das Rechtsverhältnis wenigstens ansatzweise umrissen war ("Forderungen aus Lieferungen und Leistungen [Bohrarbeiten]"; "[Steuer-Nr. ...] Erstattungsanspruch für das Jahr 1980 und 1981"). Entsprechende Umstände liegen hier nicht vor. Aus diesen Entscheidungen kann deshalb für den hier vorliegenden Fall, in dem auf eine Individualisierung der gepfändeten Forderung gänzlich verzichtet worden ist, nichts hergeleitet werden.

bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluß rechtfertigen, die Abtretung der Schuldnerin an K. sei nach § 134 BGB oder nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Entgegen der von der Revisionserwiderung geäußerten Auffassung ergibt sich die Nichtigkeit der Abtretung des Teilanspruchs in Höhe von 160.000 DM auch nicht aus der Aussage des Zeugen K. vor dem Oberlandesgericht.

(1) Bei Rechtshandlungen, deren Inhalt und Zweck im wesentlichen nur darin bestehen, die Gläubiger zu benachteiligen, regeln die Sondervorschriften des Anfechtungsgesetzes und der Insolvenzordnung grundsätzlich abschließend, unter welchen Voraussetzungen die Gläubiger geschützt werden. Die allgemeinen Bestimmungen der §§ 134 , 138 Abs. 1 BGB kommen daneben nicht zur Anwendung, sofern das Rechtsgeschäft nicht besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist (BGHZ 56, 339, 355; BGH, Urt. v. 4. März 1993 - IX ZR 151/92, ZIP 1993, 602 , 603).

(2) Solche Umstände können der Aussage des Zeugen K. nicht entnommen werden. Er hat im Kern bekundet, zur Vorbereitung einer Unternehmensveräußerung einen Geschäftskontakt hergestellt zu haben, wofür ihm ein Teil der Vermittlungsprovision zugeflossen sei. Die Zahlung sei nicht über die zur Provision berechtigte Person abgewickelt, sondern ihm direkt von der provisionsverpflichteten Schuldnerin zugewendet worden. Der von dem Zeugen geschilderte Vorgang enthält keine Tatsachen, welche die rechtliche Würdigung tragen, die Abtretungsvereinbarung enthalte über die Gläubigerbenachteiligung hinaus ein besonders verwerfliches Element.

b) Das Berufungsgericht hat nicht abschließend geprüft, ob die Schuldnerin vor dem 8. März 1999 über die gepfändete Forderung ganz oder teilweise verfügt hat, weil dies aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich war.

aa) Die Revisionserwiderung meint, aufgrund der Aussage des Zeugen K. könne nicht festgestellt werden, daß der Schuldnerin die Annahmeerklärung vor dem 8. März 1999 zugegangen sei. Deswegen stehe nicht fest, daß der Sicherungsabtretungsvertrag vor dem 8. März 1999 wirksam geworden sei. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß habe sonach den Forderungsübergang auf die Beklagte selbst dann bewirkt, wenn die Vorpfändung außer Betracht bleibe.

bb) Diese Würdigung trifft nicht zu. Auf der Grundlage des von dem Zeugen K. bekundeten Zeitablaufs kam der Abtretungsvertrag zustande, bevor die Pfändung mit Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Drittschuldnerin gemäß § 829 Abs. 3 ZPO Wirksamkeit erlangen konnte. Ein Zugang der Annahmeerklärung war hierfür nach § 151 Satz 1 BGB nicht erforderlich, weil eine Abtretung K. nur einen rechtlichen Vorteil brachte. Zwar muß auch bei solchen Geschäften eine Annahme des Angebots erfolgen (BGH, Urt. v. 12. Oktober 1999 - XI ZR 24/99, WM 1999, 2477 , 2478). Die Betätigung des Annahmewillens durch den Zessionar K. liegt im Streitfall spätestens in der Absendung des Begleitschreibens vom 3. März 1999 nebst unterschriebener Abtretungsvereinbarung, die der Zeuge K. auf den 3. oder 4. März 1999 (Donnerstag) datiert hat. Hinweise auf einen späteren Zeitpunkt gibt es nach dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nicht.

3. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.

a) Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die Wirksamkeit und gegebenenfalls den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Teilabtretungen erneut zu prüfen. Dabei ist zunächst der Frage nachzugehen, ob Zedent der Abtretungsvereinbarung vom 19./20. Februar 1999 die Schuldnerin war oder ob in Wahrheit der Vater des Geschäftsführers der Schuldnerin, H. sen., angeblich ihm zustehende Ansprüche an K. abgetreten hat. Liegt eine Abtretung der Schuldnerin vor, ist diese wirksam und gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß die Annahme der Abtretungsvereinbarung vor dem 8. März 1999 erfolgt ist, kann der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nur den restlichen Teil der titulierten Forderung gegen den Drittschuldner über insgesamt 198.798,72 DM zuzüglich Zinsen erfaßt haben. In diesem Fall wird das Berufungsgericht sich auch mit der Teilabtretung an die Rechtsanwälte R. & Kollegen auseinandersetzen müssen, die das Datum vom 5. Februar 1999 trägt.

b) Sollte sich ergeben, daß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß ganz oder teilweise ins Leere gegangen ist, weil die Schuldnerin über die gepfändete Forderung zuvor schon anderweitig verfügt hatte, kann die Beklagte dem Einwand der früheren Zession nicht mit der Einrede der Anfechtbarkeit (vgl. § 9 AnfG ) begegnen. Dies setzte nämlich voraus, daß der Kläger Anfechtungsgegner der Beklagten wäre; nur in diesem Fall könnte sie dem Einwand der früheren Zession mit dem Gegeneinwand der Anfechtung begegnen (vgl. Huber, AnfG 9. Aufl. § 9 Rn. 5). Im Streitfall geht es dagegen um den möglicherweise anfechtbaren Erwerb eines Dritten. Dieser berührt den vom Kläger verfolgten Bereicherungsanspruch des Drittschuldners, der ohne Rechtsgrund an den pfändenden Gläubiger gezahlt oder - wie hier - den Betrag zu dessen Gunsten hinterlegt hat, nicht.

c) Schließlich wird der Kläger zu erwägen haben, ob er seinen in dem ersten Berufungsverfahren gestellten Antrag dahin klarstellt, daß er die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Auszahlung des Hinterlegungsbetrages begehrt.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 13.09.2001
Vorinstanz: LG Hildesheim,
Fundstellen
BGHReport 2005, 1082
DZWIR 2005, 343
InVo 2005, 363
MDR 2005, 1135
NJW-RR 2005, 1361
Rpfleger 2005, 450
WM 2005, 1037
ZIP 2005, 1198
ZIV 2005, 419
ZInsO 2005, 596