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BGH - Entscheidung vom 28.11.2005

NotZ 38/05

Normen:
BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 6, 8

BGH, Beschluß vom 28.11.2005 - Aktenzeichen NotZ 38/05

DRsp Nr. 2005/21529

Amtsenthebung eines Notars wegen Vermögensverfalls

Die Wirtschaftsführung eines Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist schon als solche nicht hinnehmbar. Erst recht ist die Amtsenthebung des Notars geboten, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse zerrüttet sind, wenn also Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung gegen ihn bestehen oder gerichtlich anhängig sind, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen und fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in die Wege geleitet sowie Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind.

Normenkette:

BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 6 , 8 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt beim Landgericht und Amtsgericht H. zugelassen. 1978 wurde er zum Notar mit Amtssitz in P. bestellt.

Mit Verfügung vom 12. Oktober 2004 enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller vorläufig seines Amtes als Notar, weil dringende Gründe dafür sprächen, dass er in Vermögensverfall geraten sei bzw. dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht mit - rechtskräftigem - Beschluss vom 21. Februar 2005 zurückgewiesen.

Nach entsprechender Ankündigung vom 12. Oktober 2004 eröffnete die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Verfügung vom 3. Januar 2005, dass sie beabsichtige, ihn seines Amtes als Notar zu entheben, weil er in Vermögensverfall geraten sei und weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO ). Dem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht nicht entsprochen, sondern festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine endgültige Amtsenthebung nach diesen gesetzlichen Tatbeständen vorliegen. Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er namentlich beanstandet, bei der vorliegenden Entscheidung werde das Rechtsproblem, das sich im konkreten Fall aus der Lebenssituation des Antragstellers ergebe, nicht gesehen. Er verweist auf einen erstmals im November 2002 erkannten Herzklappenfehler und rügt die Nichtbeteiligung des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie - Integrationsamt -, das ihm gemäß Bescheiden vom 23. August 2004 und vom 10. Mai 2005 eine konkrete Fördermaßnahme für seine Geschäftstätigkeit bewilligt hat.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat mit Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNotO vorliegen. Die Beanstandungen, die die Beschwerde gegen diese Entscheidung erhebt, führen zu keiner anderen Beurteilung.

1. Zutreffend hat das Oberlandesgericht, auf dessen Darstellung über die Entwicklung der Verbindlichkeiten, Klageverfahren und Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelnen Bezug genommen wird, angenommen, dass die Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers in Verbindung mit der Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.

a) Die Wirtschaftsführung eines Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ist schon als solche nicht hinnehmbar. Hierbei ist es ohne Belang, ob diese Zwangsmaßnahmen auf schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars zurückzuführen sind. Um so mehr ist seine Amtsenthebung geboten, wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse zerrüttet sind. Hiervon ist auszugehen, wenn etwa Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung gegen ihn bestehen oder gerichtlich anhängig sind, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO in die Wege geleitet sowie Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Abtragung einer längerfristig angewachsenen erheblichen Schuldenlast nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erwarten ist. Auf ein Verschulden des Notars kommt es dabei nicht an (Senatsbeschluss vom 12. Juli 2004 - NotZ 2/04 - m.w.N.). Derartige Umstände liegen im Fall des Antragstellers vor.

b) Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers lassen nicht erwarten, dass es ihm in absehbarer Zeit gelingen wird, die gegen ihn bestehenden Forderungen zu begleichen und seine wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Der Antragsteller trägt auch im Beschwerdeverfahren hierzu nichts vor, mit Ausnahme des Hinweises auf die Bewilligung eines öffentlichen Zuschusses durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie in Höhe von 8.714, 57 EUR (Bescheid vom 10. Mai 2005). Der erforderliche Vortrag dazu, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts BGHZ 149, 230 ) dauerhaft in Ordnung gebracht worden sind, wird hierdurch nicht ersetzt. Für das Gegenteil sprechen die im Beschwerdeverfahren von der Antragsgegnerin vorgelegten Mitteilungen. Danach ist im Juli 2005 ein - mittlerweile durch Zahlung erledigter - Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugunsten der A. A. R.-V. a.G. wegen einer Forderung von 601,61 EUR nebst Kosten ergangen, durch den die gegenwärtigen und künftigen Guthaben des Antragstellers bei der Volksbank P. eG und bei der Kreissparkasse H. gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen worden sind. Des weiteren sind gegen den Antragsteller Klagen auf Zahlung von 1.156,26 EUR (Schadensersatzanspruch des Leasinggebers nach fristloser Kündigung des vom Antragsteller geschlossenen Leasingvertrages über ein Druck- und Kopiergerät) und 365,20 EUR (Kaufpreis für juristische Fachliteratur), jeweils nebst Zinsen, erhoben worden.

Außerdem ist der Mietvertrag über die vom Antragsteller genutzten Kanzleiräume gekündigt worden. Die Vermieterin begehrt im Klagewege Räumung der Mietfläche und Zahlung rückständiger Miete bzw. Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.171,06 EUR nebst Zinsen.

2. Darüber hinaus sind, wie das Oberlandesgericht auch insoweit zutreffend festgestellt hat, die Voraussetzungen des Vermögensverfalls im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO gegeben, der die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in sich schließt (Senatsbeschlüsse vom 22. März 2004 - NotZ 23/03 - NJW 2004, 2018 und vom 12. Juli 2004 aaO.).

3. Die Hinweise des Antragstellers in seiner Beschwerde auf seinen Gesundheitszustand und auf die Betreuungsmaßnahmen anderer Ämter vermögen im Hinblick darauf, dass es im vorliegenden Verfahren allein darauf ankommt, Gefährdungen für die Rechtsuchenden zu vermeiden, an dieser Beurteilung und an der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Amtsenthebung nichts zu ändern. Der Gang des weiteren Verfahrens kann nur durch eine nachhaltige Änderung und Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers aufgehalten werden.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 06.06.2005 - Vorinstanzaktenzeichen Not 2/05