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BVerfG - Entscheidung vom 22.07.2021

2 BvC 14/21

Normen:
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c
BVerfGG § 13 Nr. 3a
BWahlG § 18 Abs. 4a S. 1
GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c
BVerfGG § 13 Nr. 3a
BWahlG § 18 Abs. 4a S. 1
BWahlG § 18 Abs. 4a S. 1

BVerfG, Beschluss vom 22.07.2021 - Aktenzeichen 2 BvC 14/21

DRsp Nr. 2021/11802

Ablehnung der Anerkennung als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag

Das Verfahren der Nichtanerkennungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG , § 13 Nr. 3a BVerfGG dient nicht einer von der konkreten Wahl losgelösten Feststellung der Eigenschaft einer Vereinigung als Partei.

Tenor

Die Nichtanerkennungsbeschwerde wird verworfen.

Die Anträge des Beschwerdeführers auf Anordnung der Erstattung seiner notwendigen Auslagen für die Nichtanerkennungsbeschwerde und Festsetzung des Gegenstandswerts werden abgelehnt.

Normenkette:

BWahlG § 18 Abs. 4a S. 1;

[Gründe]

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung seiner Anerkennung als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag.

I.

1. Der Beschwerdeführer zeigte dem Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 14. Juni 2021 seine Teilnahme an der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag an. Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 bestätigte der Bundeswahlleiter den Eingang der Beteiligungsanzeige und empfahl dem Beschwerdeführer, gemäß § 33 Abs. 1 BWahlO Nachweise zum Hervortreten in der Öffentlichkeit nachzureichen.

2. Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 nahm der Beschwerdeführer gegenüber dem Bundeswahlleiter die Beteiligungsanzeige vom 14. Juni 2021 zurück. Er habe beschlossen, aufgrund der Zulassung der Partei "Team Todenhöfer, die Gerechtigkeitspartei" (im Folgenden: Team Todenhöfer) auf eine Teilnahme bei der Bundestagswahl zu verzichten. Das Team Todenhöfer habe bei der Bekämpfung des Rassismus und in Sachen Gleichberechtigung aller Bürger in Deutschland neben dem Beschwerdeführer die klarsten Positionen und Vorschläge. Da das Team Todenhöfer die größere Reichweite und damit die größeren Erfolgsaussichten bei dieser Wahl habe, werde der Beschwerdeführer seinen Wählern empfehlen, am 26. September das Team Todenhöfer zu wählen.

3. Der Bundeswahlausschuss entschied in seiner Sitzung vom 9. Juli 2021, bei der kein Vertreter des Beschwerdeführers anwesend war, dass der Beschwerdeführer als Partei nicht anerkannt werde. Die Kriterien der Parteieigenschaft gemäß § 2 PartG seien nicht erfüllt, da er nach Mitteilung des Deutschen Bundestages die Rechtsstellung als Partei verloren habe, nachdem er sechs Jahre lang entgegen der Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung gemäß § 23 PartG keinen Rechenschaftsbericht eingereicht habe, der die gesetzlichen Mindestanforderungen erfülle (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PartG ). Für die Jahre 2015 und 2016 seien kürzlich und damit verspätet Rechenschaftsberichte ohne eigenhändige Unterschrift des Vorstandes eingereicht worden.

II.

1. Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 13. Juli 2021 Nichtanerkennungsbeschwerde erhoben. Die Entscheidung sei aufzuheben, um ihn zu rehabilitieren und ihm eine weitere Mitwirkung am politischen Diskurs zu ermöglichen. Der Beschwerdeführer habe seine Parteieigenschaft nicht verloren, da er nicht sechs Jahre in Folge keine Rechenschaftsberichte abgegeben habe. Außerdem stelle das Erfordernis der testierten Rechenschaftsberichte eine unzumutbare und sein Recht aus Art. 21 GG beschneidende Anforderung dar, die verfassungsrechtlich nicht zulässig sei.

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG lägen nicht vor, da die Rechenschaftsberichte für die Jahre 2015 und 2016 keines Testats bedurft hätten und für die Jahre 2017 bis 2020 die Prüfung des Wirtschaftsprüfers noch nicht abgeschlossen sei. Weiterhin könne der Rechtsverlust nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG erst für Rechenschaftsberichte ab dem Rechenschaftsjahr 2016, also dem Inkrafttreten des Gesetzes, eintreten. Zudem sei das Erfordernis der testierten Rechenschaftsberichte bei Überschreiten der Grenze von 5.000 Euro angesichts der Kosten einer Prüfung mit einer existenziellen Gefahr für Kleinstparteien verbunden. Da der Beschwerdeführer gegenwärtig die Maßstäbe des verfassungsrechtlichen Parteibegriffs erfülle, sei er als solche anzuerkennen.

2. Dem Bundeswahlausschuss ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Hiervon hat der Bundeswahlleiter mit Schreiben vom 16. Juli 2021 Gebrauch gemacht und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 3. September 2020 auf die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG hingewiesen worden sei. Aus der gesetzlichen Systematik folge, dass ein Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG auch dann vorliege, wenn Rechenschaftsberichte nicht innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist eingereicht würden oder wenn zwar Rechenschaftsberichte eingereicht würden, diese aber unter Verstoß gegen § 23 Abs. 2 , § 30 Abs. 2 PartG nicht testiert seien. Weiterhin dürfte § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG nicht so auszulegen sein, dass erstmals für das Rechenschaftsjahr 2016 ein Rechenschaftsbericht fristgerecht einzureichen gewesen sei und die Rechtsfolge damit frühestens mit Ablauf der Einreichungsfrist der Rechenschaftsberichte für das Jahr 2021 eintreten könnte. Dagegen spreche die Gesetzesbegründung.

3. Der Beschwerdeführer hat daraufhin sein Vorbringen wiederholt und vertieft.

B.

Die Nichtanerkennungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt nicht über das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses über die Anerkennung als Partei für die Wahl zum Deutschen Bundestag gemäß § 18 Abs. 4 BWahlG betrifft die Feststellung, ob die Voraussetzungen für die Einreichung von Wahlvorschlägen als Partei (§ 18 Abs. 1 BWahlG) gegeben sind. Gemäß § 18 Abs. 4a Satz 1 BWahlG kann eine Partei oder Vereinigung gegen eine Feststellung nach § 18 Abs. 4 BWahlG, die sie an der Einreichung von Wahlvorschlägen für die Wahl zum Deutschen Bundestag hindert, binnen vier Tagen nach Bekanntgabe Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben. Danach ist die Nichtanerkennungsbeschwerde darauf ausgerichtet, noch vor Durchführung der Wahl abschließend festzustellen, ob die entsprechende Vereinigung berechtigt ist, als Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl zum Deutschen Bundestag teilzunehmen (vgl. BVerfGE 134, 121 <122 f. Rn. 6>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Juli 2017 - 2 BvC 1/17 -, Rn. 7).

Eine Teilnahme an der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag ist aber nicht mehr das rechtliche Begehren des Beschwerdeführers. Durch Schreiben an den Bundeswahlleiter vom 8. Juli 2021 hat er gegenüber diesem die Beteiligungsanzeige vom 14. Juni 2021 zurückgenommen und seinen Wählerinnen und Wählern empfohlen, eine andere, bereits zugelassene Partei bei der kommenden Bundestagswahl zu wählen. Unabhängig von der Frage der formellen Anforderungen an die Rücknahme einer Beteiligungsanzeige hat der Beschwerdeführer damit jedenfalls sein fehlendes Interesse kundgetan, als Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl zum Deutschen Bundestag teilzunehmen. Das Verfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG , § 13 Nr. 3a BVerfGG dient nicht einer von der konkreten Wahl losgelösten Feststellung der Eigenschaft einer Vereinigung als Partei (vgl. BVerfGE 134, 121 <123 Rn. 6>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Juli 2017 - 2 BvC 1/17 -, Rn. 8). Weshalb angesichts des begrenzten Verfahrenszwecks der Nichtanerkennungsbeschwerde vorliegend ein Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers bestehen sollte, wird von diesem nicht dargelegt.

Die Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 19a Abs. 3 Satz 5 PartG durch den Bundeswahlausschuss bedarf daher vorliegend keiner Erörterung.

C.

Der Antrag auf Auslagenerstattung ist abzulehnen, da, unabhängig von der Frage der Statthaftigkeit des Antrags, besondere Billigkeitsgründe (stRspr; vgl. BVerfGE 7, 75 <77>; 20, 119 <133 f.>; 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; 89, 91 <97>; 133, 37 <38 f. Rn. 2>) nicht vorgetragen sind.

Für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.