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BGH - Entscheidung vom 08.12.2021

VIII ZR 32/20

Normen:
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2
BGB § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a) Alt. 2
BGB § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1
BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a) Alt. 2
BGB § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1-2

Fundstellen:
MDR 2022, 227
MietRB 2022, 33
NJW 2022, 1014
NZM 2022, 131
ZMR 2022, 191

BGH, Urteil vom 08.12.2021 - Aktenzeichen VIII ZR 32/20

DRsp Nr. 2022/1220

Bestimmen der Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge; Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs

Die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs berechtigenden Mietrückstands ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Danach ist der Rückstand jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Für eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu jeweils einer Monatsmiete und damit für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs lässt das Gesetz keinen Raum (Bestätigung des Senatsurteils vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, NJW-RR 1987, 903 unter II 1 d [zu § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF]).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 66 - vom 8. Januar 2020 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30. Juni 2022 unter der Voraussetzung bewilligt, dass sie eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 704 € bis zu jedem dritten Werktag des Monats an die Klägerin entrichtet, beginnend mit Januar 2022.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Beklagte zu tragen.

Normenkette:

BGB § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a) Alt. 2; BGB § 569 Abs. 3 Nr. 1 S. 1-2;

Tatbestand

Die Beklagte ist seit 2005 Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Berlin. Von der Bruttomiete in Höhe von monatlich 704 € blieb die Beklagte für den Monat Januar 2018 135,41 € schuldig; für Februar 2018 entrichtete sie keine Miete. Wegen dieser Rückstände erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Februar 2018 die fristlose, hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietvertrags. Später glich die Beklagte, die die Schonfristregelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB bereits weniger als zwei Jahre zuvor in Anspruch genommen hatte, den Zahlungsrückstand aus.

Das Amtsgericht hat der von der Klägerin erhobenen Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben. Dabei hat es der Beklagten - unter der Voraussetzung der Entrichtung einer Nutzungsentschädigung - eine Räumungsfrist bis 31. Januar 2019 gewährt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Klägerin habe das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB wirksam fristlos gekündigt, weil die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung für zwei aufeinander folgende Monate mit der Entrichtung eines die geschuldete Miete für einen Monat übersteigenden - und damit nicht unerheblichen - Teils der Miete in Verzug gewesen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht (LG Berlin, Urteil vom 8. Januar 2020 - 66 S 181/18, WuM 2020, 73 ) hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch (§ 546 Abs. 1 , § 985 BGB ) nicht zu. Das Mietverhältnis der Parteien sei weder durch die fristlose noch durch die fristgemäße Kündigung vom 9. Februar 2018 beendet worden.

Der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB sei nicht gegeben. Zwar übersteige der Gesamtbetrag des Mietrückstands von 839,41 € eine Monatsmiete (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ). Jedoch sei für den ersten der beiden Monate (Januar 2018) kein "nicht unerheblicher Teil der Miete" offengeblieben. Der Rückstand für diesen Monat (135,41 €) betrage nur 19 % der Monatsmiete von 704 €. Als nicht unerheblicher Rückstand im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB könne hingegen nur ein Mietanteil "etwa" in Höhe einer hälftigen Monatsmiete angesehen werden.

Zwar habe der Bundesgerichtshof zur Vorgängerbestimmung des § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF entschieden, dass die Erheblichkeit des Mietrückstands nicht zusätzlich nach der Höhe des einzelnen Rückstands im Verhältnis zu der jeweiligen Monatsmiete zu beurteilen sei, sondern nur nach der Gesamthöhe des Rückstands, bezogen auf die Summe der für die beiden aufeinander folgenden Termine geschuldeten Miete (Urteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, NJW RR 1987, 903 unter II 1 d [für ein gewerbliches Mietverhältnis]). Jedoch sei für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB über das Erfordernis des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB hinaus, wonach der rückständige Teil die Miete für einen Monat übersteigen müsse, zusätzlich notwendig, dass für jeden der beiden aufeinander folgenden Monate "ein nicht unerheblicher Teil der Miete" offengeblieben sei.

Der Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB stehe dem nicht entgegen. Vielmehr lege die Formulierung "für zwei aufeinander folgende Termine" ein solches Verständnis mindestens nahe. Denn sobald sich "für" einen der beiden Termine ein erheblicher Rückstand nicht feststellen lasse, rechtfertige dies die Annahme, dass erhebliche Rückstände "für" zwei aufeinander folgende Termine nicht vorlägen.

Die historische Entwicklung des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB spreche ebenfalls für das Erfordernis, nicht nur die Erheblichkeit des Gesamtrückstands für maßgeblich zu erachten, sondern auch die Erheblichkeit jedes der beiden einzelnen Rückstände. Bereits das Reichsgericht habe auf das Verhältnis des rückständigen Teilbetrags zu der jeweils geschuldeten Rate abgestellt, nicht aber auf den Gesamtbetrag der Rückstände aus beiden Raten (RGZ 86, 334 , 335). Die Auffassung des Reichsgerichts habe Eingang in die Gesetzesmaterialien des durch das Erste Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 29. Juli 1963 (BGBl. I S. 505 ) neugefassten § 554 BGB aF gefunden (BT-Drucks. IV/806, S. 10), denn dort sei im Plural von "nur unerheblichen Rückständen" die Rede. Das in § 554 Abs. 2 Nr. 1 BGB aF (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ) vorgesehene Erfordernis einer Mindesthöhe des Gesamtrückstands sei als zusätzliches Element eingeführt worden.

Die Gesetzessystematik spreche ebenfalls dafür, als Voraussetzung einer fristlosen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB zusätzlich zwei jeweils erhebliche Einzelrückstände zu verlangen. So setze eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB voraus, dass der Mieter in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckte, mit der Entrichtung von Raten in Höhe des Betrags in Verzug sei, der die Miete für zwei Monate erreiche. Danach sei beispielsweise bei einer Miethöhe von monatlich 1.000 € eine am 10. März des Jahres ausgesprochene fristlose Kündigung trotz eines Gesamtrückstands von 1.999,99 € unwirksam, wenn der Mieter bezogen auf die Januarmiete lediglich einen Cent gezahlt, hingegen die volle Februarmiete entrichtet und für März keine Miete gezahlt habe. Im Gegensatz hierzu sei eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB schon bei einem Gesamtrückstand von 1.000,01 € begründet, wenn der Mieter bezüglich der Februarmiete mit nur einem Cent in Verzug geraten sei und für März keine Miete entrichtet habe. Dies lasse einen inneren Grund nicht erkennen. Der Unterschied zwischen der Kündigungsbefugnis des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB und der Nr. 3 Buchst. b dieser Vorschrift bestehe allein darin, wie der Rückstand aufgelaufen sei. Im Fall der Nr. 3 Buchst. a entstehe über zwei aufeinander folgende Zahlungstermine die Gefahr "extremer" Rückstände. Daraus ergebe sich, dass lediglich geringfügige Rückstände aus einem Monat verbunden mit dem erstmaligen Ausbleiben eines nicht unerheblichen Betrags im Folgemonat eine Kündigung nicht rechtfertigten.

Die Kündigung vom 9. Februar 2018 sei im gegebenen Fall auch nicht als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam. Aufgrund der im Zeitpunkt der Kündigungserklärung geringen Verzugsdauer sei die Grenze zu einer "nicht unerheblichen Pflichtverletzung" im Sinne dieser Bestimmung nicht überschritten.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der von der Beklagten gemieteten Wohnung (§ 546 Abs. 1 , § 985 BGB ) rechtsfehlerhaft als nicht bestehend erachtet.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Mietverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin vom 9. Februar 2018 beendet worden, weil zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB vorgelegen hat. Nach dieser Vorschrift ist ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gegeben, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist. Für Mietverhältnisse über Wohnraum, der - wie hier - nicht nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet ist (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 BGB ), bestimmt § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB , dass der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Dies ist hier der Fall, wie das Amtsgericht, auf dessen Feststellungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zu Recht entschieden hat. Die Beklagte befand sich zur Zeit der Kündigungserklärung mit Mietzahlungen für die Monate Januar 2018 (135,41 €) und Februar 2018 (704 €) in Höhe von insgesamt 839,41 € in Verzug. Dieser Betrag übersteigt die geschuldete Monatsmiete von 704 €.

2. Anders als das Berufungsgericht, dessen Sichtweise auch im Schrifttum auf Ablehnung gestoßen ist (vgl. etwa NK-BGB/Hinz, 4. Aufl., § 569 Rn. 62 ff.; Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 543 BGB Rn. 150a; Staudinger/ V. Emmerich, BGB , Neubearb. 2021, § 543 Rn. 74; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 543 BGB Rn. 243; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 BGB Rn. 171), angenommen hat, steht der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 9. Februar 2018 nicht entgegen, dass der in den Monaten Januar und Februar 2018 rückständige Teil zwar insgesamt die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ), der für den Monat Januar 2018 entstandene Rückstand in Höhe von 135,41 € gemessen an einer Monatsmiete von 704 € jedoch für sich allein gesehen - wie das Berufungsgericht gemeint hat - als unerheblich zu werten sei.

Gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ist die Erheblichkeit des zur außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs bei Wohnraummietverhältnissen berechtigenden Mietrückstands allein nach der Gesamthöhe der beiden rückständigen Teilbeträge zu bestimmen. Der Gesamtrückstand ist - wie hier - jedenfalls dann nicht mehr unerheblich, wenn er die für einen Monat geschuldete Miete übersteigt. Eine darüberhinausgehende gesonderte Bewertung der Höhe der einzelnen monatlichen Rückstände im Verhältnis zu einer Monatsmiete sieht das Gesetz nicht vor. Dies hat der Senat, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt nicht verkannt hat, bereits hinsichtlich der Vorgängerbestimmung zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB entschieden (Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, NJW-RR 1987, 903 unter II 1 d [zu § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF]; zur Maßgeblichkeit des Gesamtrückstands siehe auch BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 Rn. 34 mwN). Daran ist festzuhalten.

a) Die davon abweichende Ansicht des Berufungsgerichts findet bereits im Wortlaut des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB keine hinreichende Stütze. Das Berufungsgericht hat insoweit gemeint, die Wortwahl "für zwei aufeinander folgende Termine" anstelle von "nach zwei aufeinander folgenden Terminen", lege es nahe, dass nicht nur der in beiden Monaten entstandene Gesamtrückstand nicht unerheblich sein müsse, sondern auch jeder einzelne Teilbetrag.

Der Gesetzeswortlaut "für zwei aufeinander folgende Termine" bezieht sich jedoch nur darauf, dass der Mieter "für" beide Termine mit der Verpflichtung zur Zahlung der Miete in Verzug sein muss. Hätte der Gesetzgeber zusätzlich verlangen wollen, dass auch die beiden aufeinander folgenden Einzelrückstände jeweils für sich gesehen als "nicht unerheblich" zu gelten hätten, hätte es nahegelegen, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB dahin zu fassen, dass der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung "jeweils" eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug sein muss. In dieser Weise ist der Gesetzgeber jedoch nicht verfahren.

b) Außerdem verkennt das Berufungsgericht, dass § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB für Mietverhältnisse über Wohnraum ausdrücklich und abschließend bestimmt, welche Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal eines nicht unerheblichen Rückstands im Sinne der Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB zu stellen sind (so bereits Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, aaO [zu § 554 Abs. 2 Nr. 1 BGB aF]) und damit kein Raum für eine richterliche Anhebung der Anforderungen an eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs bleibt.

aa) Die für alle Mietverhältnisse geltende Vorschrift des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB lässt offen, wann von einem "nicht unerheblichen Teil der Miete" auszugehen ist. Das galt bereits für die durch das Erste Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften vom 29. Juli 1963 (BGBl. I S. 505 , im Folgenden: Erstes Mietrechtsänderungsgesetz) neugefasste Vorgängerbestimmung des § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF. Diese Regelung sah ebenfalls vor, dass der Vermieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen kann, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung "eines nicht unerheblichen Teils des Mietzinses" in Verzug ist.

Mit dem Erfordernis, wonach nur ein Verzug mit einem "nicht unerheblichen Teil" der Miete kündigungsrelevant ist, hat der Gesetzgeber des Ersten Mietrechtsänderungsgesetz klarstellend dem vom Reichsgericht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) entwickelten Grundsatz Rechnung tragen wollen, dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht gekündigt werden dürfe. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. IV/806, S. 10):

"[…] In dem neugefassten § 554 Abs. 1 kommt für alle Mietverhältnisse der in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entwickelte Grundsatz zum Ausdruck, dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden kann (RGZ 86, 334 ). Für Mietverhältnisse über Wohnraum, der nicht zu nur vorübergehendem Gebrauch vermietet ist, wird besonders bestimmt, dass der Rückstand mindestens einer Monatsmiete gleichkommen muss […]".

In seiner Ursprungsfassung sah § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF das Erfordernis des Verzugs mit einem "nicht unerheblichen Teil" der Miete nicht ausdrücklich vor, sondern bestimmte lediglich, dass der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Errichtung "eines Theiles des Miethzinses" in Verzug sein müsse (RGBl. I 1896, S. 288 f.). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts durfte die Vorschrift des § 554 BGB aF allerdings nicht dazu führen, den Mieter auch dann einer fristlosen Kündigung auszusetzen, wenn es sich nur um unerhebliche Teile einer Mietzinsrate handelt; es verstieße gegen Treu und Glauben, wenn der Vermieter sich auf einen geringfügigen Rückstand berufen dürfte (so RGZ 86, 334 , 335). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber des Ersten Mietrechtsänderungsgesetzes umgesetzt und § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BGB aF dahingehend klargestellt, dass nur ein Zahlungsverzug mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete kündigungsrelevant ist.

bb) Die in den Gesetzesmaterialien gewählte Pluralform, "wegen nur unerheblicher Rückstände" dürfe nicht fristlos gekündigt werden, eröffnet allerdings - was das Berufungsgericht verkennt - keinen Raum für die Annahme eines zweiten Erheblichkeitserfordernisses. Denn wann von einem nicht unerheblichen Teil der Miete im Sinn dieser Bestimmung auszugehen ist, hat bereits der Gesetzgeber des Ersten Mietrechtsänderungsgesetzes für Mietverhältnisse über Wohnraum nicht offen lassen wollen, sondern - ersichtlich aus Gründen der Rechtssicherheit - "besonders bestimmt" (so ausdrücklich BT-Drucks. IV/806, S. 10).

Die neu eingeführte Regelung des § 554 Abs. 2 Nr. 1 BGB aF sah nunmehr vor, dass im Fall einer Kündigung nach § 554 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Diese besondere Schutzvorschrift zugunsten des Wohnraummieters (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1987 - VIII ZR 126/86, aaO unter II 1 d, siehe auch BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 - XII ZR 65/14, BGHZ 205, 300 Rn. 50, 55 ) hat der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes (Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts vom 19. Juni 2000, BGBl. I S. 1149 ) in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB - mit Ausnahme der im Streitfall nicht relevanten Verlängerung der Schonfrist - ohne inhaltliche Änderungen übernommen (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 44, 64). Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4553, S. 64) heben insoweit ausdrücklich hervor, dass "Absatz 3 [des § 569 BGB] die Sonderregelung für die fristlose Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzuges aus § 554 Abs. 2 BGB auf[nimmt]".

(1) Soweit die Gesetzesmaterialien zum Ersten Mietrechtsänderungsgesetz auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts Bezug nehmen, betrifft dies ausschließlich den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, "dass wegen nur unerheblicher Rückstände nicht fristlos gekündigt werden kann" (vgl. BT-Drucks. IV/806, S. 10, unter Hinweis auf RGZ 86, 334 ). Hingegen hat der Gesetzgeber des Ersten Mietrechtsänderungsgesetzes das vom Reichsgericht aufgestellte Erfordernis, es komme auf das "Verhältnis des rückständigen Teilbetrags zu der betreffenden Rate" an (vgl. RGZ 86, 334 , 335), gerade nicht umgesetzt, sondern mit der neu geschaffenen Bestimmung des § 554 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 BGB aF (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ) allein "den rückständigen Teil der Miete" als kündigungsrelevant bestimmt. Nichts spricht dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Erheblichkeitsschwelle mit der in § 554 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 1 BGB aF vorgesehenen und in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB übernommenen Anbindung an den Gesamtrückstand einerseits "besonders bestimmt", andererseits aber - wie das Berufungsgericht gemeint hat - zugleich ein zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit führendes, unbestimmtes Zusatzerfordernis in Gestalt der Erheblichkeit der Rückstände auch zu den beiden jeweiligen Einzelterminen aufgestellt werden sollte.

(2) Anders als die Revisionserwiderung meint, ist dem Wortlaut der Bestimmung des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB , der vorsieht, dass der rückständige Teil der Miete "nur dann" als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt, nicht zu entnehmen, dass dies keine abschließende Definition darstelle. Hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht um eine bloße Mindestvoraussetzung, die Raum für höhere Anforderungen an die Erheblichkeitsgrenze ließe. Mit der verwendeten Formulierung hat der Gesetzgeber, was auch in den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 554 BGB aF (BT-Drucks. IV/806, S. 10) zum Ausdruck kommt, vielmehr klargestellt, dass der Rückstand im Bereich der Wohnraummiete zum Schutz des Wohnraummieters nicht darunterliegen darf.

(3) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung (unter Berufung auf Sternel, WuM 2009, 699 , 701 f.) gebietet es auch der Schutzzweck des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB nicht, die Erheblichkeitsschwelle über den Gesamtrückstand hinaus zusätzlich auch an dem Verhältnis der Einzelrückstände zu der jeweils geschuldeten Monatsmiete zu messen. Der Gesetzgeber hat in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB die Wertung getroffen, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter jedenfalls dann unzumutbar ist, wenn sich der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit einem Teil der Miete in Verzug befindet, der die Miete für einen Monat übersteigt (Senatsurteil vom 27. September 2017 - VIII ZR 193/16, NJW 2018, 939 Rn. 32). Die Schutzwirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB besteht daher darin, für die Wohnraummiete die kündigungsbewehrte Schwelle der Erheblichkeit des Mietrückstands unter Beachtung der beiderseitigen Interessen ausgewogen zu bestimmen. Die davon abweichende Sichtweise des Berufungsgerichts, die zusätzlich Anforderungen an das Verhältnis der Einzelrückstände aus den beiden aufeinander folgenden Terminen zu der jeweils geschuldeten Monatsmiete stellen will, führte hingegen zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Anhebung des Schutzniveaus des säumigen Mieters.

c) Das Berufungsgericht möchte seine Bewertung schließlich auf den Grenzfall stützen, dass die Regelung der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2, § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs auch dann eröffne, wenn der Mieter mit der Zahlung einer Monatsmiete und im Vor- oder Folgemonat mit einem Minimalbetrag in Verzug sei (vgl. auch Sternel, aaO; ders., PiG 90 [2011], 175, 176).

Dieser - hier ohnehin nicht gegebene - Sonderfall ist nicht geeignet, ein im Gesetz nicht vorgesehenes zusätzliches Tatbestandserfordernis, wie die gesonderte Erheblichkeit der beiden Einzelrückstände im Verhältnis zu einer Monatsmiete, zu begründen, zumal eine solche Fallgestaltung auch dann eintreten kann, wenn es - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auf eine Einzelbetrachtung der Erheblichkeit des Rückstands für jeden der beiden Fälligkeitstermine ankäme. Auch bei den Einzelrückständen könnte die Erheblichkeitsgrenze - wo immer sie nach der Einschätzung des Berufungsgerichts auch anzusetzen wäre - um nur einen Cent überschritten sein.

In Anbetracht dessen kann auf sich beruhen, ob einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB unter besonderen Umständen des Einzelfalls der Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 241 Abs. 2 , § 242 BGB ) entgegenstehen kann, wenn der Rückstand eine Monatsmiete zwar übersteigt (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB ), jedoch nur um einen Cent (vgl. MünchKommBGB/ Häublein, 8. Aufl., § 569 Rn. 42; BeckOGK-BGB/Geib, Stand: 1. Oktober 2021, § 569 Rn. 59), oder ob aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit auch ein solch geringfügiger Betrag als für den Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a Alt. 2 BGB ausreichend anzusehen ist, ohne dass es noch einer Abwägung zwischen den Mieter- und den Vermieterinteressen bedürfte (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 15. Aufl., § 543 BGB Rn. 171; Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl., § 569 BGB Rn. 97; jurisPK-BGB/Tiedemann, Stand: 25. Mai 2021, § 569 Rn. 149 mwN).

d) Die außerordentliche, fristlose Kündigung des Mietverhältnisses vom 9. Februar 2018 ist, worüber vorliegend kein Streit besteht, nicht nachträglich unwirksam geworden. Das Berufungsgericht hat auf die erstinstanzlichen Feststellungen Bezug genommen, wonach Tatbestände, nach denen eine aufgrund von Zahlungsverzug wirksam erklärte außerordentliche fristlose Kündigung des Mieters nachträglich unwirksam wird (vgl. Senatsurteil vom 19. September 2018 - VIII ZR 231/17, BGHZ 220, 1 Rn. 20), unstreitig nicht gegeben sind.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO ). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und zur Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.

Die Entscheidung über die Räumungsfrist, die auch im Revisionsurteil noch ausgesprochen werden kann (BGH, Beschlüsse vom 27. April 2010 - VIII ZR 283/09, juris Rn. 4; vom 24. April 2014 - V ZR 74/14, juris Rn. 7; siehe auch Urteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 325/09, NJW 2010, 3571 Rn. 21 sowie bereits Urteil vom 13. März 1963 - V ZR 224/60, NJW 1963, 1307 ), beruht auf § 721 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 8. Dezember 2021

Vorinstanz: AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, vom 30.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 C 161/18
Vorinstanz: LG Berlin, vom 08.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 66 S 181/18
Fundstellen
MDR 2022, 227
MietRB 2022, 33
NJW 2022, 1014
NZM 2022, 131
ZMR 2022, 191