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BGH - Entscheidung vom 24.01.2018

XII ZB 141/17

Normen:
BGB §§ 1901 Abs. 3 S. 1, 1903 Abs. 1 S. 1
BGB § 1901 Abs. 3 S. 1
BGB § 1903 Abs. 1 S. 1
BGB § 1901 Abs. 3 S. 1
BGB § 1903 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
AnwBl 2018, 360
FGPrax 2018, 121
FamRZ 2018, 625
FuR 2018, 274
MDR 2018, 598
NJW 2018, 1255

BGH, Beschluss vom 24.01.2018 - Aktenzeichen XII ZB 141/17

DRsp Nr. 2018/2642

Rechtfertigung der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten; Unsicherheit über die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen; Mandatierung eines anderen Anwalts durch den betreuenden Anwalt in einer bestimmten vom Aufgabenkreis der Betreuung umfassten Angelegenheit auf Wunsch des Betroffenen

a) Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist, vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts in Vermögensangelegenheiten nicht zu rechtfertigen.b) Auch der Betreuer, der selbst Rechtsanwalt ist, muss den Wunsch des Betroffenen beachten, in einer bestimmten vom Aufgabenkreis der Betreuung umfassten Angelegenheit einen anderen Anwalt zu mandatieren.

Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist, vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht zu rechtfertigen; vielmehr schließt sie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts lediglich nicht aus. Vielmehr müssen konkrete, vom Gericht entsprechend festzustellende Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art i.S.v. §1903 Abs.1 Satz1BGB hinzutreten.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 24. Februar 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert: 5.000 €

Normenkette:

BGB § 1901 Abs. 3 S. 1; BGB § 1903 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.

Er leidet an einer organischen psychischen Störung, die möglicherweise auf einen Hirnstamminfarkt im Jahr 2006 zurückzuführen ist. Für den Betroffenen besteht seit April 2007 eine Betreuung, die zuletzt den Aufgabenkreis Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heimpflegevertrags, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post, Entscheidung über Fernmeldeverkehr, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten, Gesundheitsfürsorge, Bewirtschaftung des Hofes in H., soweit Angelegenheiten des Betroffenen berührt werden, und Erbschaftsangelegenheiten umfasste.

Der derzeitige Betreuer, Rechtsanwalt T., hat angeregt, die Betreuung dahingehend zu erweitern, dass für den Aufgabenkreis Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden möge, weil der Betroffene ohne sein Wissen in der Angelegenheit "Verkauf Kiesgrube und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft" Rechtsanwalt G. beauftragt habe. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht angeordnet, dass der Betroffene zu Willenserklärungen, die den Aufgabenkreis Vermögenssorge und die Beauftragung von Rechtsanwälten betreffen, der Einwilligung des Betreuers bedarf. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Das Landgericht hat die Zurückweisung der fälschlicherweise als "sofortige Beschwerde" bezeichneten Beschwerde damit begründet, dass aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit eine erhebliche Gefahr für das Vermögen des Betroffenen zu bejahen sei. Wegen der Beauftragung des Rechtsanwalts G. mit dem Verkauf der Kiesgrube und der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kämen erhebliche Kosten auf den Betroffenen zu, obwohl dessen Tätigkeiten von dem Aufgabenbereich des anwaltlichen Betreuers umfasst seien und gegebenenfalls von ihm ebenfalls nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgerechnet werden könnten. Ob der Betroffene diese finanzielle Problematik und Auswirkung bei seiner psychischen Erkrankung überhaupt noch ausreichend überblickt und tatsächlich so gewollt habe, sei fraglich. Jedenfalls sei aufgrund dieses Verhaltens in der Vergangenheit und der noch nicht abgeschlossenen Erbauseinandersetzung eine Wiederholungsgefahr dahingehend gegeben, dass der Betroffene auch künftig neben dem Betreuer einen Rechtsanwalt einschalten werde.

Letztendlich könne diese Frage aber offenbleiben, weil sich die Gefahrenlage für das Vermögen jedenfalls aus der derzeitigen strittigen Auffassung und Unsicherheit zur Frage der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ergebe. Ein Einwilligungsvorbehalt könne auch angeordnet werden, wenn der Betroffene geschäftsunfähig sei. Zwar sei der geschäftsunfähige Betroffene vor den Gefahren des rechtsgeschäftlichen Handelns bereits dadurch geschützt, dass seine Willenserklärungen - ungeachtet eines Einwilligungsvorbehalts - nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig seien. Gleichwohl könne sich eine den Einwilligungsvorbehalt rechtfertigende Gefahrenlage daraus ergeben, dass etwa die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend seien, wenn der Betreute nur zeitweise geschäftsunfähig sei und weil er im Streitfall für die Einwendung der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trage. Eine Anordnung des Einwilligungsvorbehalts könne daher zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Frage der Geschäftsunfähigkeit sinnvoll sein. Gehe der Betreuer aufgrund des Sachverständigengutachtens von Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen, sein beauftragter Rechtsanwalt demgegenüber von dessen Geschäftsfähigkeit aus, so seien Unsicherheiten im Rechtsverkehr zu erwarten und Streitigkeiten zur Frage der Wirksamkeit von vermögensrelevanten Rechtsgeschäften, gerade auch im Hinblick auf die Erbauseinandersetzung oder den etwaigen Verkauf einer Kiesgrube, vorprogrammiert. Diesen Unsicherheiten könne durch einen Einwilligungsvorbehalt begegnet werden. Eine erneute Anhörung des Betroffenen sei entbehrlich, weil er bereits vom Amtsgericht angehört worden sei.

2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die angefochtene Entscheidung kann schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Betroffenen, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, zu Unrecht nicht persönlich angehört hat. Zwar weist das Landgericht richtigerweise darauf hin, dass zweitinstanzlich nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG auf eine erneute Anhörung eines Betroffenen verzichtet werden kann, wenn diese ordnungsgemäß vom Amtsgericht durchgeführt worden ist. Dies gilt aber dann nicht, wenn sich im Beschwerdeverfahren neue Umstände ergeben, etwa wenn der Betroffene erstmals der Betreuung widerspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 8/16 FamRZ 2017, 323 Rn. 7 mwN).

Das ist hier der Fall, weil das Amtsgericht den Einwilligungsvorbehalt ursprünglich mit Zustimmung des Betroffenen eingerichtet hatte, wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluss ergibt.

b) Auch in der Sache kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.

aa) Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 16 mwN). Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 - FamRZ 2017, 754 Rn. 13 mwN).

Eine Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich etwa daraus ergeben, dass er sein umfangreiches Vermögen nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch dann nur angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedingt dabei unter anderem, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 13. September 2017 - XII ZB 157/17 - FamRZ 2017, 1963 Rn. 17). Auch wenn der Einwilligungsvorbehalt in dem angeordneten Bereich von geringer praktischer Relevanz wäre und dem Betreuer bei seiner Tätigkeit behilflich sein könnte, ändert das nichts an der erheblichen Eingriffsintensität eines solchen Vorbehalts, der immer auch verhältnismäßig, also insbesondere erforderlich sein muss (Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 FamRZ 2017, 754 Rn. 15).

bb) Gemessen hieran hätte für den Betroffenen auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden dürfen.

(1) Allein die Unsicherheit darüber, ob der Betroffene geschäftsunfähig ist, vermag die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht zu rechtfertigen.

Allerdings sind die Ausführungen des Landgerichts dazu, dass eine mögliche Geschäftsunfähigkeit der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht entgegensteht, nicht zu beanstanden. Da die Grenzen zwischen Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit fließend sind, der Betroffene für die Einwendung der Geschäftsunfähigkeit die Beweislast trägt und dem Betreuer durch den Einwilligungsvorbehalt in Streitfällen mit dem Geschäftsgegner sein Amt wesentlich erleichtert werden kann, kann die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zur Vermeidung von Unsicherheiten auch bei Geschäftsunfähigen geboten sein. Darin liegt auch kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Denn soweit der Betroffene ohnehin geschäftsunfähig ist, wird er durch den Einwilligungsvorbehalt nicht über Gebühr in seinen Rechten beeinträchtigt (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 301/13 - FamRZ 2014, 738 Rn. 28 mwN).

Jedoch wendet die Rechtsbeschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung zu Recht ein, dass allein eine Unsicherheit über das Vorliegen einer Geschäftsunfähigkeit nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zu rechtfertigen vermag; vielmehr schließt sie die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts lediglich nicht aus (BayObLG BtPrax 1994, 136 , 137). Hinzutreten müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art i.S.v. § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB . Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht bislang nicht getroffenen.

(2) Der Umstand, dass der Betroffene wegen seiner Immobilien- bzw. Erbschaftsangelegenheiten Rechtsanwalt G. beauftragt hat, spricht für sich genommen nicht für eine Vermögensgefährdung.

(a) Gemäß § 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Nach § 1901 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Ein beachtlicher Gegensatz zwischen Wohl und Wille des Betreuten entsteht erst dann, wenn die Erfüllung der Wünsche höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde (Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 Rn. 18 mwN).

Entsprechend erfordert das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Betreuten, dass der Betreuer dessen Wunsch nicht wegen Vermögensgefährdung ablehnen darf, solange dieser sich von seinen Einkünften und aus seinem Vermögen voraussichtlich bis zu seinem Tod wird unterhalten können. Selbst wenn durch die Erfüllung der Wünsche des Betreuten dessen Vermögen erheblich geschmälert wird, ist der Wunsch in diesem Fall zu respektieren. Ein Wunsch des Betreuten ist lediglich dann unbeachtlich, wenn er infolge seiner Erkrankung entweder nicht mehr in der Lage ist, eigene Wünsche und Vorstellungen zu bilden und zur Grundlage und Orientierung seiner Lebensgestaltung zu machen, oder wenn er die der Willensbildung zugrunde liegenden Tatsachen infolge seiner Erkrankung verkennt (Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 Rn. 18 ff.).

(b) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mangels anderslautender Feststellungen der vom Landgericht in Bezug genommene Beschwerdevortrag des Betroffenen zugrunde zu legen, wonach Rechtsanwalt G. für ihn seit rund 16 Jahren als Rechtsanwalt seines Vertrauens tätig sei und er beispielsweise im Hofzuweisungsverfahren diverse Rechtsangelegenheiten geregelt und überdies ihm und seinen Brüdern schon länger empfohlen habe, die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen.

Auf dieser Grundlage hätte der Betreuer nicht von vornherein davon ausgehen dürfen, dass seine anwaltliche Tätigkeit dem Wohl des Betroffenen besser entsprechen würde als die Mandatierung des seit vielen Jahren für den Betroffenen als Rechtsanwalt seines Vertrauens tätigen G. Nachdem sich dieser mit dem Betreuer ins Benehmen gesetzt hatte, hätte Letzterer vielmehr in eine inhaltliche Prüfung eintreten müssen, in deren Rahmen die Wünsche des Betroffenen oberste Priorität hätten haben müssen. Allein die Umstände, dass die zu regelnde Materie in den Aufgabenkreis des Betreuers fällt und er auch Rechtsanwalt ist, haben dabei kein besonderes Gewicht, zumal Rechtsanwalt G. mit den Hintergründen nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt vorbefasst war.

Eine Vermögensgefährdung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass auch die anwaltliche Tätigkeit des Betreuers für den Betroffenen eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz begründen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 683/11 - FamRZ 2014, 1628 Rn. 9 ff.). Denn dessen anwaltliche Tätigkeit geht der Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts nicht schon deshalb vor, weil er Betreuer ist. Vielmehr hat sich der Betreuer in Angelegenheiten, die bereits Gegenstand der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts sind, regelmäßig einer (weiteren) anwaltlichen Tätigkeit zu enthalten.

3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Verfahrenshandlungen durchzuführen und Feststellungen zu treffen haben wird.

Vorinstanz: AG Wolfratshausen, vom 25.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen XVII 253/09
Vorinstanz: LG München II, vom 24.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 6 T 4933/16
Fundstellen
AnwBl 2018, 360
FGPrax 2018, 121
FamRZ 2018, 625
FuR 2018, 274
MDR 2018, 598
NJW 2018, 1255