Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0

Parabolantenne muss nicht geduldet werden

Entscheidungsbesprechung mit Praxishinweis: Eine ohne Zustimmung der Wohnungseigentümer angebrachte Parabolantenne ist zu entfernen.

BGH, Urt. vom 13.11.2009 — V ZR 10/09

Leitsätze:

1. Die Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die Anbringung einer Parabolantenne an dem gemeinschaftlichen Haus zu dulden, ist nicht von der Staatsbürgerschaft des Miteigentümers abhängig, der die Antenne angebracht hat.
2. Voraussetzung dafür, eine Antenne anbringen lassen zu dürfen, ist die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Dieser steht das Recht zu, den Ort der Anbringung zu bestimmen.

Darum geht es:

Die Beklagte ist Eigentümerin einer Wohnung, in der sie zusammen mit ihren Familienangehörigen wohnt. Das gemeinschaftliche Gebäude hat auf einer Seite in jedem Stockwerk jeweils ein bodentiefes Fenster. An dem Geländer vor diesem Fenster brachte die Beklagte, eine deutsche Staatsangehörige polnischer Herkunft, Anfang 2007 eine Parabolantenne an. Die Antenne ermöglicht den Empfang einer Vielzahl polnischsprachiger Fernsehprogramme. Die Klägerin, die Eigentümergemeinschaft, forderte die Beklagte in der Folgezeit vergeblich auf, die Antenne zu entfernen. Am 18.06.2007 beschlossen die Wohnungseigentümer daher:
"Die Verwaltung wird ermächtigt im Auftrag und zu Lasten der Eigentümer einen Anwalt ihrer Wahl hinzuziehen und ggf. auf Entfernung zu klagen, sofern die SAT-Antenne nicht bis 15.07.07 entfernt ist."
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Entfernung der Antenne. Die Beklagte wendet ein, über die Breitbandkabelanlage des Hauses könne sie zwar zwei polnischen Sender empfangen. Jedoch sei der Empfang von Regionalprogrammen aus Oberschlesien nicht möglich. Dort sei sie aber aufgewachsen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Entfernung der Antenne verlangen. Auch wenn der Bestand des Gebäudes durch die Anbringung der Antenne nicht berührt wird, stellt die Anbringung der Antenne einen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum dar, den die Wohnungseigentümer ohne ihre Zustimmung nicht hinnehmen müssen (BGH, Beschl. v. 22.01.2004 — V ZB 51/03, Deubner Link 2004/2709 = BGHZ 157, 322, 326). Nach §§ 1004 Abs. 1 BGB, 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG können die übrigen Miteigentümer Beseitigung der Parabolantenne verlangen. Zur Geltendmachung ihres Anspruchs haben sie die Klägerin durch Beschluss vom 18.06.2007 wirksam ermächtigt (vgl. BGH, Beschl. v. 30.03.2006 — V ZB 17/06, Deubner Link 2006/11034 = NJW 2006, 2187).

Informationsinteresse unabhängig von der Staatsangehörigkeit
Die Revision geht dabei entgegen der Meinung des Berufungsgerichts zu Recht davon aus, dass sich die Beklagte nicht auf den Empfang der beiden in das Breitbandkabel eingespeisten polnischen Sender verweisen zu lassen muss. Unerheblich ist zudem, dass die Beklagte und ihre Familienangehörigen die polnische Staatsangehörigkeit aufgegeben haben. Denn die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit schränkt den Schutz des Informationsinteresses der Beklagten durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht ein (VerfGH Berlin, Beschl. v. 02.07.2007 — VerfGH 136/02, GE 2007, 1178). Das gilt auch für die Wirkungen der Grundrechte im Privatrecht. Das Interesse der Beklagten, von polnischen Fernsehsendern über die Ereignisse aus dem näheren Bereich ihres früheren Heimatlands unterrichtet zu werden, ist vielmehr zu beachten (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2005 - VIII ZR 5/05, Deubner Link 2006/179 = NJW 2006, 1062). Dieses Interesse führt dazu, dass die übrigen Wohnungseigentümer den Empfang der per Satellit ausgestrahlten polnischen Programme grundsätzlich ermöglichen müssen.

Zustimmung erforderlich
Der Anspruch der Beklagten auf Beachtung ihres Informationsinteresses geht jedoch nicht soweit, dass sie eigenmächtig ohne weiteren Aufwand eine Antenne an das Geländer vor dem Fenster ihrer Wohnung anbringen darf (BVerfG v. 24.01.2005 — 2 BvR 1953/00, NZM 2005, 252; OLG Frankfurt, Beschl. v. 02.12.2004 - 20 W 186/03, Deubner Link 2005/430 = NZM 2005, 427, 428). Das Informationsinteresse der Beklagten und das ästhetische Interesse der übrigen Miteigentümer sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. Die Abwägung führt dazu, dass die Beklagte verlangen kann, dass die übrigen Wohnungseigentümer der Anbringung einer Parabolantenne auf dem Dach des Hauses oder in dessen Dachbereich zustimmen. Denn die ästhetische Beeinträchtigung des Gebäudes ist bei einer Anbringung der Antenne im Dachbereich oder auf dem Dach nachhaltig geringer als durch die von der Beklagten vorgenommene Anbringung der Antenne vor einem Fenster ihrer Wohnung. Diese Feststellung konnte der Senat selbst treffen. Denn von den Parteien waren Fotografien des Gebäudes vorgelegt worden.

Die Duldungspflicht der Miteigentümer führt nicht dazu, dass die Beklagte ohne deren Zustimmung berechtigt wäre, die zur Anbringung der Antenne notwendigen Arbeiten am Dach des Hauses selbst vornehmen zu lassen. Es bleibt den Miteigentümern vorbehalten, den konkreten Ort im Dachbereich des Gebäudes zu bestimmen, an dem die Antenne angebracht werden darf (BGH, Beschl. v. 22.01.2004 — V ZB 51/03, Deubner Link 2004/2709 = BGHZ 157, 322, 328).

Praxishinweis:

Der Entscheidung lassen sich wesentliche Grundsätze zum Themenkreis „Parabolantenne“ entnehmen. Zudem ist die Entscheidung prozessual von Interesse.

1. Der Anspruch auf Beseitigung der Antenne steht zunächst den „übrigen Miteigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft“ und nicht der teilrechtsfähigen Gemeinschaft zu. Soweit die Parabolantenne rechtswidrig angebracht wurde, kann der Beseitigungsanspruch von jedem Wohnungseigentümer gegen den störenden Wohnungseigentümer durchgesetzt werden. Die Wohnungseigentümer können aber auch die teilrechtsfähige Gemeinschaft ermächtigen, den Beseitigungsanspruch in gewillkürter Prozessstandschaft durchzusetzen. Unterlassungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück stehen daher weder dem Verband zu, noch können sie ohne einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer von dem Verband gerichtlich geltend gemacht werden (BGH, Beschl. v. 30.03.2006 - V ZB 17/06, Deubner Link 2006/11034 = NKW 2006, 2187).

2. Streitig ist, ob auch der Verwalter ermächtigt werden könnte, den Anspruch im eigenen Namen durchzusetzen. Das dazu erforderliche Eigeninteresse des Ermächtigten folgt nach h.M. regelmäßig aus der Befugnis des Verwalters aus § 27 WEG oder einem gefassten Mehrheitsbeschluss (a.A. LG Karlsruhe — Urt. v. 21.07.2009, 11 S 86/09).

3. Zutreffend stellt der BGH bei der Entscheidung nicht auf die Nationalität des Wohnungseigentümers ab. Mit dem Argument, der Nachbar habe nicht die Staatsangehörigkeit des Landes aus dem er Programme empfangen will, können sich Wohnungseigentümer daher nicht gegen das Anbringen einer Parabolantenne wehren. Ungenehmigten Parabolantennen kann aber dadurch begegnet werden, dass der Standort zulässiger Parabolantennen durch Beschluss der Wohnungseigentümer vorab festgelegt wird. Den Wohnungseigentümern ist daher dringend anzuraten, zur Vermeidung von Streit und Kosten, rechtzeitig einen entsprechenden Beschluss der Gemeinschaft herbeizuführen. Zur Frage, ob die Anbringung einer Parabolantenne eine bauliche Änderung darstellt, vgl. ausführlich Weber, in: Hannemann/Weber, Handbuch des Wohnungseigentums, 2. Aufl. § 3 Rdn. 47 – 59.

4. Von prozessualem Interesse ist die Entscheidung des BGH, soweit er die notwendigen Feststellungen selbst trifft. § 563 Abs. 3 ZPO ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach das Revisionsgericht aus Gründen der Verfahrensökonomie abschließend entscheiden soll, wenn auf Grund des feststehenden Sachverhalts Entscheidungsreife gegeben ist (BGHZ 33, 398). Eine Zurückverweisung ist allerdings dann erforderlich, wenn neue rechtliche Gesichtspunkte aufgezeigt werden, die beide Vorinstanzen unberücksichtigt gelassen haben. Der BGH hat sich damit beholfen, auf Grund von Fotografien selbst festzustellen, dass die Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer wesentlich geringer ist, wenn die Antenne im Dachbereich oder auf dem Dach und nicht vor dem Fenster der Wohnung der Beklagten angebracht wird. Eine Augenscheinseinnahme ist dann nicht erforderlich, wenn Fotografien das Erscheinungsbild hinreichend klar vermitteln (vgl. z. B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.10.2004 — 20 W 320/04 m. w. N.). Meines Erachtens kann die Augenscheinnahme nach § 371 ZPO in der Revision zumindest nicht ohne Zustimmung der Parteien durch die Betrachtung von Fotografien ersetzt werden. Denn die Betrachtung von Lichtbildern dürfte eine Beweisaufnahme darstellen. Ein Anwalt muss daher erwägen, ob er nicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, wenn hierzu neue Gesichtspunkte vorgetragen werden können.