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Mietstreit: Kündigung wegen Angehörigen und Äußerungen des Anwalts?

Das Verhalten von Angehörigen kann Mietern nicht per se zugerechnet werden und rechtfertigen allein keine fristlose Kündigung. Das hat das OLG Frankfurt entschieden und zudem klargestellt, dass verbale Ausfälle einer Anwältin eine fristlose Kündigung erst tragen, wenn der Mieter sich diese zu Eigen macht. Äußerungen in einer Strafanzeige unterfallen demnach der Meinungsfreiheit.

Darum geht es

Die Klägerin vermietete der Beklagten Räume für den Betrieb eines Backshops in Wetzlar. Die Vermieterin wohnte mit ihrer Familie ebenfalls in dem Haus. Das Miet- und Nachbarschaftsverhältnis geriet in „erhebliche Zerrüttung“, so dass die Vermieterin schließlich das Mietverhältnis fristgerecht zum 31.05.2018 kündigte.

Der Streit eskalierte weiter. Die Parteien begannen sich wechselseitig zu fotografieren, zu filmen, Überwachungskameras zu installieren und Gespräche mitzuschneiden. Zwischen den Söhnen der Mietparteien kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Beide Mütter filmten das Geschehen, bei welchem der Sohn der Vermieterin am bodenliegend getreten und verletzt wurde. Zudem zerstörte der Sohn der Mieterin eine Überwachungskamera der Vermieterin.

Die Mieterin übersandte später ihrer Anwältin eine Tonaufnahme mit ihrer Ansicht nach obszönen und beleidigenden Äußerungen des Sohnes der Vermieterin. Daraufhin erstattete die Anwältin Strafanzeige gegen den Sohn der Vermieterin u.a. weg. Beleidigung und Morddrohungen.

Dabei stellte die Anwältin das angezeigte Verhalten auch in den Kontext zur türkischen Herkunft der Familie der Vermieterin. Dies wiederum nahm der Anwalt der Vermieterin zum Anlass, dass Mietverhältnis fristlos zum 06.10.2017 zu kündigen.

Das Landgericht hat die außerordentliche Kündigung für unwirksam erachtet, die Mieterin aber wegen der wirksamen ordentlichen Kündigung zur Räumung und Herausgabe zum 31.08.2018 verurteilt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das OLG Frankfurt am Main bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Trotz der Vielzahl der Vorfälle läge bei einer wertenden Gesamtschau und im Hinblick auf das wirksame Ende des Mietvertrages jedenfalls zum 31.8.2018 kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Dabei müsse der Schweregrad der Pflichtverletzungen unter Prüfung aller Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.

Das Aufstellen von Überwachungskameras sei zwar ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Vermieterin habe jedoch ihrerseits ebenfalls Kameras aufgestellt. Sie könne sich angesichts des angespannten Mietverhältnisses nicht darauf berufen, dass für ihre Kameras ein sachlicher Grund vorgelegen habe, nicht jedoch für die der Mieterin.

Dass der Sohn der Mieterin eine Überwachungskamera der Vermieterin zertrümmert habe und es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Mietparteien gekommen sei, rechtfertige ebenfalls nicht die fristlose Kündigung. Das Verhalten ihres Sohnes könne der Mieterin nicht „per se“ zugerechnet werden. Die Vermieterin hätte die Mieterin vielmehr zuvor abmahnen müssen, bevor sie darauf eine Kündigung stützt.

Schließlich ergebe sich auch aus der Strafanzeige der Anwältin der Mieterin kein Grund zur außerordentlichen Kündigung.

Äußerungen in einer Strafanzeige unterfielen grundsätzlich dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Dies umfasse auch pointierte, polemische oder überspitzte Kritik. Erst Schmähkritik sei die Grenze. Die Erwähnung der Herkunft der Familie der Vermieterin stellte sich bei der erforderlichen Kontextanalyse zwar als „fremdenfeindlich erscheinende(n) Entgleisung“ dar.

Es sei jedoch nicht feststellbar, dass sich die Mieterin diese Bewertung ihre Anwältin zu eigen gemacht habe. Im Hinblick auf das ohnehin zu Ende Mai 2018 wirksam beendete Mietverhältnis sei auch kein überwiegendes Interesses an der sofortigen Beendigung feststellbar.

Die Klägerin hat auf diesen Beschluss hin ihre Berufung zurückgenommen, so dass das vorhergehende Urteil des Landgerichts Limburg (Urt. v. 27.04.2018 – 1 O 303/17) rechtskräftig ist.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.09.2018 – 2 U 55/18