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BGH - Entscheidung vom 06.04.2017

I ZR 63/15

Normen:
ZPO § 321a
VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 06.04.2017 - Aktenzeichen I ZR 63/15

DRsp Nr. 2017/7286

Vergabe eines öffentlichen Amts; Mitteilung der Auswahlentscheidung durch den Dienstherrn gegenüber den unterlegenen Bewerbern vor einer Ernennung; Geltendmachung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Der Dienstherr, der über die Vergabe eines öffentlichen Amts entscheidet, muss seine Auswahlentscheidung vor einer Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen. Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen und eine einstweilige Anordnung erwirken können. Es hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet.

Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 15. Dezember 2016 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 321a; VwGO § 123 ; GG Art. 19 Abs. 4 ; GG Art. 33 Abs. 2 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.

I. Der Kläger rügt vergeblich, der Senat habe bei der Entscheidung über den Hauptantrag seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

1. Der Senat hat angenommen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf neue Entscheidung über seine Bewerbung um das in Rede stehende Stipendium nicht zu. Der Kläger könne sich nicht auf einen "Bewerberverfahrensanspruch" entsprechend Art. 33 Abs. 2 GG oder auf eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 39 SVwVfG stützen, weil er zum einen keinen Zugang zu einem öffentlichen Amt begehre und zum anderen die Entscheidung einer Stiftung des privaten Rechts verwaltungsverfahrensrechtlichen Regeln nicht unterworfen sei. Im Streitfall sei das ausgeschriebene Stipendium vergeben, so dass ein etwaiger Bewerberverfahrensanspruch des Klägers, selbst wenn er bestanden hätte, jedenfalls untergegangen wäre. Ohne Erfolg berufe sich die Revision auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein unterlegener Bewerber seinen Bewerberverfahrensanspruch durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen könne, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden sei, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung des Konkurrenten auszuschöpfen. Die Revision lege nicht dar, dass der Kläger im vorliegenden Fall keinen Rechtsschutz im Eilverfahren zur Verhinderung der Vergabe des Stipendiums in Anspruch nehmen konnte. Dafür sei auch nichts ersichtlich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sei dem Kläger am 1. September 2010 mitgeteilt worden, dass er nicht in die Vorauswahl gekommen sei. Am 21. September 2010 sei er darüber informiert worden, dass das Bewerbungsverfahren noch andauere. Bei einer solchen Sachlage spreche nichts dafür, dass der Kläger gehindert gewesen sei, innerhalb angemessener Zeit vor der Entscheidung der Beklagten über die Vergabe des Stipendiums Eilrechtsschutz zu erlangen.

2. Der Kläger macht geltend, mit diesen Ausführungen habe der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Der Kläger habe dargelegt, ihm sei mit E-Mail vom 21. September 2010 lediglich mitgeteilt worden, dass er nicht in die Vorauswahl gekommen sei, die Schlussentscheidung jedoch von der Beklagten getroffen werde. Dass eine endgültige Vergabe bereits an einen Konkurrenten erfolgt sei, sei ihm erst zu einem Zeitpunkt mitgeteilt worden, als vorgelagerter Rechtsschutz nicht mehr zu erlangen gewesen sei. Unabhängig davon wäre ein Erfolg im Eilverfahren jedenfalls daran gescheitert, dass dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt keine Informationen über das Ergebnis der Vorauswahl sowie über die Qualifikation der vorgezogenen Bewerber vorgelegen hätten. Deshalb habe er zunächst auf Auskunft geklagt.

3. Die Gehörsrüge des Klägers ist unbegründet.

a) Der Senat hat das Vorbringen des Klägers berücksichtigt. Er hat es jedoch nicht als geeignet angesehen, um zu der vom Kläger für richtig gehaltenen Schlussfolgerung zu gelangen, dass er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden sei, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Vergabe des Stipendiums an einen anderen Bewerber auszuschöpfen. Nach der vom Senat in Bezug genommenen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte muss der Dienstherr, der über die Vergabe eines öffentlichen Amts entscheidet, seine Auswahlentscheidung vor einer Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen. Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen und eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erwirken können. In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet (BVerwG, NJW 2011, 695 Rn. 34). Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits am 1. September 2010 eine Mitteilung darüber erhalten, dass seine Bewerbung wegen starker Nachfrage und nur einem verfügbaren Stipendium nicht in die Vorauswahl gekommen sei. Da nach § 3 Abs. 4 der vom Kläger vorgelegten Förderrichtlinien der beklagten Stiftung ihr Vorstand im Rahmen der Vorauswahl die Entscheidung über die Vergabe des Stipendiums trifft, war die E-Mail vom 1. September 2010 dahin zu verstehen, dass der Kläger das Stipendium nicht erhalten werde. Ab diesem Zeitpunkt hätte er Eilrechtsschutz beantragen können. Wie sich aus der späteren E-Mail vom 21. September 2010 ergibt, war das Stipendium zu diesem Zeitpunkt - mehr als zwei Wochen später - noch nicht vergeben, so dass für den Kläger die Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz grundsätzlich möglich gewesen wäre.

b) Auf das als übergangen gerügte Vorbringen des Klägers dazu, dass er für eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung im Eilverfahren auf Auskünfte der Beklagten angewiesen gewesen sei, die ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestanden hätten, und dass er aus diesem Grund Eilrechtsschutz nicht hätte erlangen können, kam es nicht an. Hatte ein unterlegener Bewerber um ein öffentliches Amt Gelegenheit, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung auszuschöpfen, so sind seine Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2 , Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllt (BVerwG, NJW 2011, 695 Rn. 33). Nichts anderes kann gelten, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass dem Bewerber um ein Stipendium vergleichbare Rechtsschutzmöglichkeiten wie dem Bewerber um ein öffentliches Amt offen stehen. Der Kläger hätte es versäumt, vor einer abschließenden Entscheidung der Beklagten über die Vergabe des Stipendiums bei den Zivilgerichten Eilrechtsschutz mit dem Ziel einer neuen Entscheidung über seine Bewerbung in Anspruch zu nehmen. Soweit der Kläger geltend macht, ein zivilrechtliches Verfügungsverfahren wäre für ihn von vornherein wegen der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Anspruch aussichtslos gewesen, kann er damit ebenfalls keinen Erfolg haben. Nach zivilprozessualen Grundsätzen können die Schwierigkeit einer Partei, zu ihr unbekannten Vorgängen in der Sphäre der anderen Partei vorzutragen, bei der Verteilung der Darlegungslast berücksichtigt werden. Im Übrigen verlangt ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht, dass in jedem Fall Primärrechtsschutz gewährt werden muss, wenn jedenfalls ein Schadensersatzprozess möglich ist.

c) Unabhängig davon fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der vom Kläger in diesem Zusammenhang gerügten Gehörsverstöße. Der Kläger greift damit eine Hilfsbegründung des Senats an. Der Kläger kann sich ohnehin nicht auf einen Bewerberverfahrensanspruch stützen, weil er sich nicht um ein öffentliches Amt, sondern bei der beklagten Stiftung bürgerlichen Rechts um ein Stipendium beworben hat.

II. Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung über den hilfsweise geltend gemachten zweiten Feststellungsantrag vor.

1. Die Anhörungsrüge macht geltend, der Senat habe maßgeblichen Vortrag übergangen und sei deshalb zu dem Ergebnis gelangt, im Streitfall stehe dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses kein besonderes Feststellungsinteresse zur Seite. Der Kläger habe vorgetragen, es liege ein besonders schwerwiegender Grundrechtseingriff vor, weil er wegen seiner Parteimitgliedschaft diskriminiert worden sei. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Bestenauslese und das Diskriminierungsverbot. Die Berücksichtigung dieses Vorbringens sei nicht deshalb entbehrlich, weil das Berufungsgericht festgestellt habe, die Parteimitgliedschaft des Klägers sei für seine Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren nicht ursächlich gewesen. Der Kläger habe diese Feststellungen mit der Revision angegriffen und geltend gemacht, das Landgericht habe die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast verkannt, unstreitigen Vortrag des Klägers zu Unrecht als streitig behandelt, den unsubstantiierten Vortrag der Beklagten rechtsfehlerhaft als erheblich eingestuft und zudem Sachvortrag im Hinblick auf die von den Bewerbern geforderten Sprachkenntnisse übergangen.

2. Der vom Kläger als übergangen gerügte Vortrag ist nicht erheblich.

a) Der Senat hat angenommen, die vom Kläger hilfsweise erhobene Feststellungsklage (§ 256 ZPO ) sei nicht zulässig, weil ihm mit einer Leistungsklage auf Schadensersatz bessere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Im Streitfall bestehe auf Seiten des Klägers nicht ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Feststellungsklage wegen eines Rehabilitierungsinteresses. Soweit der Kläger behaupte, er habe das Stipendium wegen seiner Mitgliedschaft in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands und wegen eines von ihm gegen die Universität des Saarlandes geführten arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits nicht erhalten, habe das Berufungsgericht keine entsprechenden Feststellungen getroffen. Die Beklagte habe ihre Entscheidung, den Kläger bei der Stipendienvergabe nicht zu berücksichtigen, nach ihren nicht widerlegten Auskünften hierauf nicht gestützt. Die Beklagte habe ihre die Bewerbung des Klägers ablehnende Entscheidung zudem nicht öffentlich gemacht. Dass der Kläger die abschlägige Entscheidung der Beklagten als diskriminierend empfunden habe, begründe kein Feststellungsinteresse. Maßgebend sei, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen von der beanstandeten Entscheidung ausgehen könnten. Das sei nicht der Fall.

b) Das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des Klägers an der begehrten Feststellung ist Prozessvoraussetzung für die Feststellungsklage. Es ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Die Beklagte hat unbestritten weder dem Kläger noch Dritten gegenüber erklärt, der Kläger sei wegen seiner Parteizugehörigkeit bei der Entscheidung über die Stipendienvergabe nicht berücksichtigt worden. Bei einer solchen Sachlage ist der Ruf des Klägers nicht beeinträchtigt, so dass kein Rehabilitierungsinteresse besteht. Ein Rehabilitierungsinteresse im Hinblick auf einen behaupteten besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff konnte im Streitfall ein Rechtsschutzinteresse nicht begründen. Tiefgreifende Grundrechtseingriffe kommen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz - wie in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 und 3 - dem Richter vorbehalten hat (BVerfG 96, 27, 40). Um eine derartige Entscheidung handelt es sich bei der Entscheidung einer Stiftung bürgerlichen Rechts über die Vergabe eines Stipendiums ersichtlich nicht.

III. Ohne Erfolg beanstandet der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs mit der Begründung, der Senat habe ihm nicht durch eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht nachträglich Gelegenheit gegeben, einen auf Schadensersatz gerichteten zulässigen Leistungsantrag zu stellen.

1. Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren zur Begründung seines Antrags auf Neubescheidung über seine Bewerbung darauf berufen, es müsse möglich sein, die fehlerhafte Auswahlentscheidung für das Stipendium zu wiederholen. Dieser Antrag auf Neubescheidung seiner Bewerbung sei als Zwischenstation einer eventuellen Schadensersatzklage anzusehen. In einem Schadensersatzprozess müsse er darlegen und beweisen, dass er selbst das Stipendium hätte erhalten müssen und jede andere Entscheidung rechtswidrig gewesen wäre. Diesen Beweis werde er wegen des weiten Beurteilungsspielraums der Beklagten nicht führen können. Die Neubescheidungsklage sei dagegen bereits dann begründet, wenn die Auswahlentscheidung rechtswidrig sei, ohne dass es darauf ankomme, wie die richtige Entscheidung ausgesehen hätte.

2. Angesichts dieser Darlegungen kann der Kläger mit der Anhörungsrüge nicht mit Erfolg geltend machen, der Senat habe durch eine unterlassene Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht seine Verfahrensgrundrechte verletzt. Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit zum Ausdruck gebracht, dass er sich die Entscheidung über die Erhebung einer Schadensersatzklage vorbehalte. Weder der Anspruch auf rechtliches Gehör noch das Gebot prozessualer Fairness gebieten es, ihm durch eine Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, einen von ihm selbst als aussichtlos erachteten Klageantrag zu stellen, von dessen Verfolgung er bewusst abgesehen hat.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: AG Ottweiler, vom 01.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen 16 C 147/11
Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 06.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 10 S 125/14