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BGH - Entscheidung vom 12.01.2017

III ZR 140/15

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 12.01.2017 - Aktenzeichen III ZR 140/15

DRsp Nr. 2017/1474

Nachweis einer Gehörsverletzung im Rahmen des Nachweises von Rechtsverletzungen bei der Befehligung eines Luftangriffs auf einen Konvoi mit Tankfahrzeugen in Afghanistan

Das Gericht ist lediglich dazu verpflichtet, den Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen oder bei letztinstanzlichen Entscheidungen zu ausdrücklicher Befassung mit jedem Vorbringen.

Tenor

Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Senatsurteil vom 6. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens haben der Kläger zu 1 zu 44 % und die Klägerin zu 2 zu 56 % zu tragen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Die gemäß § 321a Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Senat hat den durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten grundrechtsgleichen Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Ein etwaiger Gehörsverstoß wäre auch nicht entscheidungserheblich.

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht nur dazu, den Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen. Ebenso wenig folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht der Gerichte, namentlich bei letztinstanzlichen Entscheidungen, zu ausdrücklicher Befassung mit jedem Vorbringen (vgl. nur BVerfG, BeckRS 2013, 55213 Rn. 67 mwN).

Da der Senat das Vorbringen der Kläger in dem dem Senatsurteil vom 6. Oktober 2016 (NJW 2016, 3656 ; für BGHZ vorgesehen) zugrunde liegenden Verfahren vollumfänglich berücksichtigt hat und lediglich der klägerischen Rechtsansicht nicht gefolgt ist, scheidet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aus. Einzugehen ist nur auf folgende Gesichtspunkte:

a) Soweit die Kläger geltend machen, der Senat habe die Verfahrensrüge aus § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in ihrem wesentlichen Kern ("unzulässig verengter Prüfungsmaßstab") übergangen, trifft dies nicht zu. Das Senatsurteil enthält eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Beanstandungen der Revision, das Berufungsgericht habe nicht den gesamten aus den Akten ersichtlichen Prozessstoff zugrunde gelegt sowie die Darstellung der "bloßen Möglichkeit" einer anderen Bewertung des Beweisergebnisses und des Tatsachenstoffs zur Begründung von Zweifeln im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht ausreichen lassen (aaO Rn. 41, 45).

b) Unbegründet ist die Anhörungsrüge auch hinsichtlich der Beanstandung, der Senat habe sich trotz entsprechender Revisionsrüge nicht damit auseinandergesetzt, dass die Beklagte sich im Prozess ausdrücklich nur darauf berufen habe, die Tanklastwagen seien das Ziel des Angriffs gewesen. In dem Senatsurteil wird im Einzelnen dargelegt, dass die Beklagte von Anfang an klar und unmissverständlich vorgetragen hat, der Angriff habe sowohl den beiden entführten Tanklastwagen als auch den im Bereich dieser Fahrzeuge befindlichen Taliban-Kämpfern gegolten (aaO Rn. 47 f). Soweit sich die Kläger zur Rechtfertigung ihrer Gehörsrüge auf die Klageerwiderung Seite 5 (GA I 79) sowie die Berufungserwiderung Seiten 5 und 9 (GA III 428, 432) berufen, ergibt sich daraus nichts Abweichendes. Die Beklagte hat auf Seite 5 der Klageerwiderung lediglich vorgetragen, dass der PRT-Kommandeur in den Tanklastwagen eine Gefahr gesehen habe und ihre Zerstörung das Ziel des Bombenabwurfs gewesen sei. Für die von der Revision und der Anhörungsrüge hineininterpretierte Einschränkung ("nur darauf berufen hat, dass die Tanklaster Ziel des Angriffs gewesen seien") ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte durch die Bezugnahme auf die Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts (Klageerwiderung S. 3 und 5, Einstellungsverfügung S. 26) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Zerstörung der Tanklastwagen zwar das primäre Ziel war, daneben jedoch auch die umstehenden Taliban und insbesondere deren Anführer getroffen werden sollten. Soweit sich die Kläger auf Fundstellen in der Berufungserwiderung (GA III 428, 432) berufen, ist das dortige Vorbringen völlig unergiebig. Daraus kann allenfalls (GA III 432) entnommen werden, dass Oberst K. um Luftunterstützung zur Bombardierung der Tanklastwagen gebeten hat. Nach alledem lässt sich dem Vorbringen der Beklagten an keiner Stelle entnehmen, nur die Tanklastwagen seien das Ziel des Luftangriffs gewesen.

c) Die Rüge, eine Einschätzung der Kampfflugzeugpiloten habe dem PRT-Kommandeur als Aufklärungsmittel zur Beurteilung des Kombattantenstatus der am Boden befindlichen Personen nicht zur Verfügung gestanden, vermag gehörswidrig übergangenes Vorbringen der Kläger nicht aufzuzeigen und wendet sich lediglich gegen die anderslautende Ansicht des Senats (aaO Rn. 54 f). Gleiches gilt, soweit die Kläger ihr Revisionsvorbringen, die Piloten hätten Zweifel daran geäußert, dass es sich bei den am Boden befindlichen Personen ausschließlich um Taliban-Kämpfer gehandelt habe, wiederholen. Der Senat hat sich mit diesem Einwand befasst und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich aus dem von den Klägern in Bezug genommenen Transskript des Funkverkehrs mit der Fliegerleitzentrale keine Zweifel der Piloten ergeben hinsichtlich der Mitteilung des nachrichtendienstlichen Informanten, bei den Personen in der Nähe der Tanklastwagen handele es sich um Taliban (aaO Rn. 55).

d) Ohne Erfolg wird mit der Anhörungsrüge erneut geltend gemacht, Oberst K. hätte Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Informanten haben müssen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Die Anhörungsrüge weist keinen übergangenen Vortrag der Kläger nach, sondern beharrt lediglich auf ihrer vom Senatsurteil (aaO Rn. 56) abweichenden Auffassung.

e) Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Rüge, bei der erstmals nach Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Behauptung der Kläger, der Informant habe das Geschehen selbst nicht beobachtet, habe es sich lediglich um die Geltendmachung eines Verstoßes gegen die Denkgesetze und eine bloße Wertung gehandelt, so dass dieses Vorbringen nicht präkludiert sei. Da bis zum Schluss der Berufungsverhandlung zwischen den Parteien unstreitig war, dass sich der Informant "vor Ort" befunden hat (Senatsurteil aaO Rn. 57), stellte die davon abweichende Behauptung der Kläger ein neues Angriffsmittel dar, das nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde und bei der Urteilsfindung zu Recht unberücksichtigt geblieben ist (§§ 525 , 296a ZPO ).

2. Unabhängig davon, dass der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nach alledem umfassend gewahrt wurde, fehlt den behaupteten Gehörsverstößen auch die Entscheidungserheblichkeit. Der Senat hat sein Urteil in erster Linie darauf gestützt, dass das deutsche Amtshaftungsrecht auch unter der Geltung des Grundgesetzes auf Schäden keine Anwendung findet, die bei dem bewaffneten Auslandseinsatz deutscher Streitkräfte ausländischen Bürgern zugefügt werden (aaO Rn. 19 ff). Insoweit machen die Kläger keine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend. Wird eine Klage - wie hier - aus mehreren Gründen abgewiesen, ist ein Gehörsverstoß jedoch nur erheblich, wenn er sämtliche Begründungsstränge betrifft ( BSG , NZS 2009, 697 Rn. 39).

Vorinstanz: LG Bonn, - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 460/11
Vorinstanz: OLG Köln, vom 30.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 4/14