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BGH - Entscheidung vom 17.05.2017

IV ZR 403/15

Normen:
VVG § 5a
BGB § 818 Abs. 1 1. Alt.

Fundstellen:
NJW-RR 2017, 1061

BGH, Urteil vom 17.05.2017 - Aktenzeichen IV ZR 403/15

DRsp Nr. 2017/7251

Anspruch des Versicherungsnehmers auf Nutzungszinsen aus Versicherungsprämien einer Kapitallebensversicherung nach dessen Kündigung; Abschluss einer Versicherung nach dem Policenmodell

Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von dem Versicherungsnehmer faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, stehen dem Versicherungsnehmer nach Kündigung der Kapitallebensversicherung nicht zu.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilsenat - vom 16. Juli 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 25.301,22 € zuzüglich Zinsen verurteilt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 10.578,58 € festgesetzt.

Normenkette:

VVG § 5a; BGB § 818 Abs. 1 1. Alt.;

Tatbestand

Der Kläger (im Folgenden: d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden: Versicherer) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Nutzungszinsen aus Versicherungsprämien einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. Mai 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen. D. VN zahlte in der Folgezeit die Prämien.

Mit Schreiben vom 20. September 2007 erklärte d. VN den Widerspruch und hilfsweise die Kündigung. Der Versicherer bestätigte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert an d. VN aus. Dieser erklärte mit Schreiben vom 14. Juli 2010 erneut den Widerspruch und forderte die Rückzahlung sämtlicher geleisteter Prämien.

Mit der Klage hat d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts verlangt, insgesamt 67.356,78 €.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung d. VN das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Versicherer verurteilt, an den Kläger 35.879,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. April 2012 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Versicherer mit der vom Senat zugelassenen Revision, soweit er zur Zahlung von mehr als 25.301,22 € zuzüglich Zinsen verurteilt worden ist.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach dessen Auffassung kann d. VN von dem Versicherer aus ungerechtfertigter Bereicherung außer der Rückzahlung der geleisteten Prämien Nutzungszinsen verlangen. Der zwischen den Parteien geschlossene Lebensversicherungsvertrag sei durch den Widerspruch unwirksam geworden.

Abzuziehen von den geleisteten Prämien seien der ausgezahlte Rückkaufswert und die erzielte Dividende, so dass eine Restforderung von 25.301,22 € verbleibe. Als Vermögensvorteil müsse sich d. VN grundsätzlich den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er bis zur Erklärung des Widerspruchs genossen habe. Dementsprechend wäre an sich der Risikoanteil abzusetzen, weil d. VN während der Laufzeit des Vertrages Todesfallschutz genossen habe. Der Versicherer habe den Risikoanteil lediglich pauschal mit 9.572,01 € angegeben und trotz eines Hinweises und trotz Bestreitens d. VN unter Hinweis auf die fehlende Prämienkalkulation keinen entsprechenden Sachvortrag gehalten, der zumindest eine Schätzung nach § 287 ZPO ermögliche.

D. VN stehe nach § 818 Abs. 1 BGB darüber hinaus ein Anspruch auf Herausgabe der von dem Versicherer aus den Prämien gezogenen Nutzungen zu. Erfasst würden zwar nur diejenigen Nutzungen, die tatsächlich gezogen worden seien. Es sei aber anzunehmen, dass der Versicherer rechtsgrundlos erlangtes Geld in einer W eise verwende, die nach der Lebenserfahrung bestimmte wirtschaftliche Vorteile vermuten lasse; daher sei der übliche Zinssatz als gezogene Nutzung anzusetzen. Im Hinblick auf die Entwicklung des Finanzmarktes in den letzten Jahren könne nicht von dem vom VN mit 6,8869% angegebenen Zinssatz ausgegangen werden. Im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO erscheine der Rückgriff auf den gesetzlichen Zinssatz von 4% in § 246 BGB sachgerecht. Unter Zugrundelegung dieses Zinssatzes seien Nutzungszinsen in Höhe von insgesamt 10.578,58 € anzuerkennen.

II. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den vom Versicherer herauszugebenden Nutzungen - die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens sind - halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden (Senatsurteile vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 41; vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 46 und IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 51; jeweils m.w.N.).

2. Allerdings können bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen die gezahlten Prämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden (Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 41 ff.).

a) Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den von d. VN faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, stehen d. VN nicht zu (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 42).

b) Bezüglich des auf die Abschlusskosten entfallenden Prämienanteils ist eine Verpflichtung des Versicherers zur Herausgabe von Nutzungen nicht gegeben. Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 44 f.).

c) Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann nicht vermutet werden, dass der Versicherer Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat. Insoweit liegt die Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer, dem ein entsprechender Tatsachenvortrag obliegt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe - etwa in Höhe der hier von d. VN verlangten Zinsen von 6,8869% - gestützt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 46 ff.). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag d. VN bislang nicht. Auch der vom Berufungsgericht vorgenommene Rückgriff auf den gesetzlichen Zinssatz von 4% gemäß § 246 BGB kommt mangels Bezugs zur Ertragslage des Versicherers nicht in Betracht. Es kann auch nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 49).

d) Schließlich steht d. VN als tatsächlich gezogen e Nutzung der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2015 aaO Rn. 52), der hier zumindest in der von dem Versicherer in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht angegebenen "Gewinnmarge" in Höhe von 1.398,48 € bestehen dürfte.

III. Das Berufungsgericht wird auf dieser Grundlage den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und dann erneut über den geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe von Nutzungszinsen zu befinden haben.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 17. Mai 2017

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 28.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen 23 O 75/12
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 16.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 3 U 224/12
Fundstellen
NJW-RR 2017, 1061