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BGH - Entscheidung vom 13.07.2017

IX ZR 173/16

Normen:
InsO § 44a
InsO § 135 Abs. 2
InsO § 135 Abs. 2
InsO § 44a

Fundstellen:
BB 2017, 2126
BGHZ 215, 262
DB 2017, 2023
DStR 2017, 12
DZWIR 2018, 40
MDR 2017, 1390
NotBZ 2017, 383
ZIP 2017, 1632
ZInsO 2017, 1844

BGH, Urteil vom 13.07.2017 - Aktenzeichen IX ZR 173/16

DRsp Nr. 2017/11247

Abfluss von Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen als Gläubigerbenachteiligung; Tilgung des durch den Gesellschafter besicherten Darlehens aus Mitteln der Gesellschaft; Anfechtung der Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung eines durch ihn und die Gesellschaft zu tilgenden und besicherten Darlehns; Verpflichtung des Gesellschafters im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit; Beruhen der Rückführung eines Kontokorrentkredits auf einer Rechtshandlung des Schuldners

Tilgt eine Gesellschaft ein von ihr selbst und ihrem Gesellschafter besichertes Darlehen gegenüber dem Darlehensgeber, liegt die Gläubigerbenachteiligung bei der Anfechtung der Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung in dem Abfluss der Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen, weil der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet ist (im Anschluss an BGHZ 192, 9 ).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Juni 2016 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen, der auch die Kosten der Streithelferin trägt.

Normenkette:

InsO § 44a; InsO § 135 Abs. 2 ;

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 23. Juli 2013 über das Vermögen der S. KG (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Oktober 2013 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Beklagte ist einziger Kommanditist der Schuldnerin sowie Alleingesellschafter und Geschäftsführer der S. GmbH, ihrer Komplementärin. Die zwischenzeitlich in Weser-Elbe Sparkasse umbenannte Kreissparkasse Wesermünde-Hadeln (nachfolgend: Sparkasse) räumte der Schuldnerin für ihr Geschäftskonto eine Kreditlinie über 100.000 € ein. Zur Sicherung der ihr gegenüber bestehenden Forderungen trat die Schuldnerin durch eine Globalabtretung vom 11. März 2010 sämtliche Kundenforderungen mit den Anfangsbuchstaben A bis Z an die Sparkasse ab. Als weitere Sicherheit übernahm der Beklagte am 16. Januar 2013 gegenüber der Sparkasse eine auf den Betrag von 100.000 € beschränkte Bürgschaft. Das Konto der Schuldnerin befand sich einen Monat vor dem Insolvenzantrag mit 98.678,27 € im Soll. Auf die an die Beklagte abgetretenen Forderungen erbrachten Kunden Einzahlungen und Überweisungen auf das Konto der Schuldnerin, wodurch die Kreditlinie bis zum 12. Juli 2013 vollständig zurückgeführt wurde.

Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des § 135 Abs. 2 InsO auf Zahlung von 98.678,27 € in Anspruch. Das Berufungsgericht hat nach Abweisung der Klage durch das Landgericht dem Begehren stattgegeben. Dagegen richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO setze als Rechtshandlung der Gesellschaft eine Darlehensrückführung voraus, durch die eine Sicherheit des Gesellschafters frei werde. Die Tilgung eines Kontokorrentkredits beruhe stets auf dem Kreditvertrag und damit auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin. In der auf Kosten der Gesellschaft erlangten Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung liege die maßgebliche Gläubigerbenachteiligung. Sie sei auch gegeben, wenn seitens der Schuldnerin gewährte Sicherheiten nach Verfahrenseröffnung von dem Darlehensgeber zur Rückführung des Darlehens verwertet würden. Entsprechendes müsse erst recht in vorliegendem Fall gelten, weil die Rechtshandlung der Verwertung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden habe. Durch die Rückführung des Kontokorrentkredits seitens der Schuldnerin sei der Beklagte von seiner Haftung aus der Bürgschaft frei geworden. Als Rechtsfolge begründeten § 135 Abs. 2 , § 143 Abs. 3 InsO einen unmittelbaren Anspruch auf den Wert der von dem Gesellschafter begebenen Sicherheit. Danach solle die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig verwertet werden.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Die Klageforderung findet ihre Grundlage in § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO .

1. Anfechtbar ist gemäß § 135 Abs. 2 InsO eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag Befriedigung gewährt hat, wenn der Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit gestellt hatte oder als Bürge haftete. Die von § 135 Abs. 2 InsO vorausgesetzte Rechtshandlung ist gegeben.

Die Schuldnerin hat das ihr von der Sparkasse gewährte, durch die Bürgschaft des Beklagten besicherte Drittdarlehen innerhalb der Anfechtungsfrist von einem Jahr getilgt. Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO setzt als Rechtshandlung der Gesellschaft eine Darlehensrückführung voraus, durch die eine Sicherheit des Gesellschafters frei wird. Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene Handeln vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das eine rechtliche Wirkung auslöst. Die Rückführung eines Kontokorrentkredits beruht stets auch auf einer Rechtshandlung des Schuldners, weil etwaige Zahlungen nur nach Maßgabe der zwischen ihm und seinem Kreditinstitut getroffenen Kontokorrentabrede Tilgungswirkung entfalten (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 15 f; vom 20. Februar 2014 - IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn. 9). Bei dieser Sachlage fußt die Darlehenserstattung, auch soweit sie aus Überweisungen und Einzahlungen von Kunden herrührt, auf dem mit der Sparkasse geschlossenen Kontokorrentvertrag als einer Rechtshandlung der Schuldnerin. Diese wird als GmbH & Co. KG ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter von der Regelung des § 135 Abs. 2 InsO erfasst (BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rn. 13).

2. Die Kreditrückführung hat zu Lasten der Schuldnerin eine auch im Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 und 2 InsO unerlässliche (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rn. 20; vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Schröder, 6. Aufl., § 135 Rn. 34, 44; HK-InsO/Kleindiek, 8. Aufl., § 135 Rn. 21; Haas, ZIP 2017, 545 , 550) Gläubigerbenachteiligung ausgelöst. An einer Gläubigerbenachteiligung mangelt es nicht deswegen, weil die befriedigte Sparkasse für ihr Darlehen durch Forderungsabtretungen der Schuldnerin insolvenzfest gesichert war. Vielmehr äußert sich die Gläubigerbenachteiligung in der Verwertung der als Bestandteil des Gesellschaftsvermögens an die Sparkasse abgetretenen Forderungen, weil der Beklagte aufgrund der übernommenen Bürgschaft im Verhältnis zur Schuldnerin zur vorrangigen Befriedigung der Sparkasse verpflichtet war.

a) Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 26. April 2012 - IX ZR 146/11, WM 2012, 1131 Rn. 21; vom 4. Februar 2016 - IX ZR 77/15, BGHZ 209, 8 Rn. 10; st. Rspr.). An einer objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn der Gläubiger im Umfang der Zahlung insolvenzbeständig am Schuldnervermögen gesichert war (BGH, Urteil vom 2. Februar 2017 - IX ZR 245/14, WM 2017, 446 Rn. 11).

b) In Anwendung des § 135 Abs. 2 InsO steht dem Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen, dass die Zahlungen der Schuldnerin im Verhältnis zu der insolvenzfest gesicherten Sparkasse unanfechtbar waren. Die Gesellschaftsgläubiger werden stets benachteiligt, wenn ein durch den Gesellschafter besichertes Drittdarlehen aus Mitteln der Gesellschaft befriedigt wird, weil der Gesellschafter aus der von ihm übernommenen Sicherung zur vorrangigen Befriedigung des Gläubigers verpflichtet ist.

aa) Die Bestimmung des § 135 InsO knüpft an die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026 ) außer Kraft gesetzten sogenannten Novellenregelungen der §§ 32a, 32b GmbHG aF an (BT-Drucks. 16/6140, S. 42; BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220 Rn. 12). Entsprechend dem Regelungsziel dieses Gesetzes wurde durch § 135 Abs. 2 InsO die zuvor in § 32b GmbHG aF enthaltene Regelung rechtsformübergreifend übernommen (BT-Drucks., aaO S. 57).

bb) Dank der Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO soll in Übereinstimmung mit § 32b GmbHG aF der in der Praxis nicht seltene Fall erfasst werden, dass der Gesellschafter ein Darlehen nicht selbst gibt, sondern einen Dritten, etwa eine Bank, dazu veranlasst und sich selbst nur für die Rückzahlung verbürgt oder dem Dritten andere Sicherungen stellt (BT-Drucks. 8/1347, S. 40). Mit Rücksicht auf die gebotene Gleichstellung von Darlehensgewährung und Darlehenssicherung (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1976 - II ZR 162/75, BGHZ 67, 171 , 182) soll die Bestimmung des § 135 Abs. 2 InsO verhindern, dass der Gesellschafter die rechtlichen Bindungen bei der Gewährung eines Darlehens umgeht, indem er sich darauf beschränkt, ein von einem Dritten der Gesellschaft gegebenes Darlehen zu besichern (BGH, Urteil vom 28. September 1987 - II ZR 28/87, ZIP 1987, 1541 , 1542 f). Wurde dem Dritten in einer solchen Gestaltung das Darlehen im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung von der Gesellschaft zurückgezahlt, so wurde mit der Gesellschaft zugleich der Gesellschafter, der für diese Forderung eine Sicherung bestellt hatte, von seiner Haftung gegenüber dem Dritten befreit. Gegenstand der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO bildet darum die durch die Zahlung der Gesellschaft bewirkte Befreiung des Gesellschafters von der von ihm für ein Drittdarlehen übernommenen Sicherung (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rn. 7; vom 20. Februar 2014 - IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn. 18). Folglich werden die Gesellschaftsgläubiger benachteiligt, wenn das durch den Gesellschafter besicherte Darlehen entgegen der Vorstellung des Gesetzes aus Mitteln der Gesellschaft getilgt wird (vgl. BT-Drucks. 8/1347, S. 40).

cc) Der Senat war bereits mit der Konstellation einer Doppelbesicherung eines Drittdarlehens durch die Gesellschaft und den Gesellschafter befasst, in welcher der Insolvenzverwalter Rückgriff gegen den bürgenden Gesellschafter nahm, nachdem die Darlehensgeberin im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Verwertung seitens der Gesellschaft gestellter dinglicher Sicherungen Befriedigung erlangt hatte (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 ). Dabei hat der Senat angenommen, dass § 135 Abs. 2 InsO die Rechtshandlung einer Darlehenstilgung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erfasst (BGH, aaO Rn. 8). Die insoweit bestehende unbeabsichtigte Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO zu füllen, die den Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet (BGH, aaO Rn. 12 ff). Bei dieser Würdigung hat der Senat infolge der Befriedigung des Darlehensgebers aus Mitteln der Gesellschaft eine Gläubigerbenachteiligung zugrunde gelegt (BGH, aaO Rn. 20).

dd) Diese Rechtsgrundsätze gelten auch im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 135 Abs. 2 InsO , der - wie hier - die vor Verfahrenseröffnung erfolgte Befriedigung eines von dem Gesellschafter besicherten Drittdarlehens zum Gegenstand hat. Infolge der vorrangigen Haftungsverpflichtung des Gesellschafters aus der von ihm übernommenen Sicherheit (§ 44a InsO ) manifestiert sich die Gläubigerbenachteiligung in der Begleichung der Drittforderung aus dem Gesellschaftsvermögen.

(1) Die Gläubigerbenachteiligung äußert sich im Rahmen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO in der vorinsolvenzlichen Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens, das nach Verfahrenseröffnung nur nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ) zu berücksichtigen wäre (Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, C. II. 5. = S. 416; Haas, ZIP 2017, 545 , 550). Tilgt der Gesellschafter ein von ihm besichertes Drittdarlehen, erleidet seine darlehensgleiche Regressforderung den Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - IX ZR 11/11, BGHZ 192, 9 Rn. 10; vgl. BT-Drucks. 8/1347, S. 40). Hat der Gesellschafter im letzten Jahr vor der Eröffnung nach Verwertung seiner Sicherheit Regress genommen, ist die an ihn bewirkte Leistung der Gesellschaft nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Rückführung einer darlehensgleichen Forderung anfechtbar (BGH, aaO). Folglich kann der von dem Darlehensgläubiger aus der Sicherung in Anspruch genommene Gesellschafter gegen die Gesellschaft keinen Rückgriff nehmen. Diese Lage des Gesellschafters darf sich gemäß § 135 Abs. 2 InsO nicht verbessern, wenn die Gesellschaft von sich aus den Gläubiger befriedigt und dadurch den Gesellschafter von seiner Verpflichtung aus der Sicherheit befreit. Vielmehr hat der Gesellschafter den gleichsam für ihn verauslagten Betrag zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 20, 21 ).

(2) Darum muss die Gesellschaftersicherheit im Verhältnis zu der Gesellschaft stets vorrangig (vgl. § 44a InsO ) verwertet werden (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011, aaO Rn. 10; vom 20. Februar 2014 - IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn. 18). Nach Verfahrenseröffnung ordnet § 44a InsO an, dass der Darlehensgläubiger für seine noch offene Forderung in erster Linie aus der Gesellschaftersicherheit Befriedigung suchen muss. Wurde der Darlehensgläubiger vor Verfahrenseröffnung durch die Gesellschaft befriedigt, wird nach Verfahrenseröffnung der durch § 44a InsO gebotene Haftungsvorrang des Gesellschafters mit Hilfe von § 135 Abs. 2 InsO wiederhergestellt, indem die Gesellschaft von dem Gesellschafter Erstattung des an den Darlehensgläubiger gezahlten Betrages verlangen kann. Mit Rücksicht auf die vorrangige Haftung des Gesellschafters werden die Gesellschaftsgläubiger benachteiligt, wenn das durch den Gesellschafter besicherte Darlehen aus Mitteln der Gesellschaft beglichen wird. In Einklang mit diesem Verständnis hat der zu Lasten der Gesellschaft von seiner Sicherung befreite Gesellschafter gemäß § 143 Abs. 3 InsO die seitens der Gesellschaft dem Dritten gewährte Leistung zu erstatten (Jaeger/Henckel, InsO , § 135 Rn. 23; Schmidt, InsO , 19. Aufl., § 135 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO , 14. Aufl., § 135 Rn. 16; Thole, Gläubigerschutz durch Insolvenzrecht, 2010, C. II. 5. = S. 417; Altmeppen NJW 2008, 3601 , 3607).

ee) Der Verlust eigener Vermögenswerte als Ausprägung der Gläubigerbenachteiligung tritt auch ein, wenn die Gesellschaft - wie hier - einen durch Forderungsabtretungen anfechtungsfest gesicherten Darlehensgläubiger befriedigt.

(1) Der Gesetzgeber hat es ausdrücklich als nicht gerechtfertigt erachtet, bei Tilgung eines von dem Gesellschafter besicherten Drittdarlehens im Rahmen des § 135 InsO einen eigenständigen Anfechtungsanspruch gegen den Darlehensgeber einzurichten. Statt dessen wurde ausschließlich ein Anfechtungsanspruch gegen den von seiner Verpflichtung gegenüber dem Dritten frei gewordenen Gesellschafter auf Erstattung des Betrages geschaffen, den die Gesellschaft an den Dritten gezahlt hat (vgl. BT-Drucks. 8/1347, S. 41, BT-Drucks. 16/6140 S. 42, 57). Ist der Gesellschafter alleiniger Adressat der Anfechtung aus § 135 Abs. 2 InsO , kann für den gegen ihn gerichteten Anspruch nicht maßgeblich sein, ob der nach anderen Normen (§ 130 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 1 , § 133 Abs. 1 InsO ) einer Anfechtung ausgesetzte Darlehensgeber insolvenzfest gesichert ist.

(2) Eine dem Darlehensgeber gewährte Sicherung schützt gerade nicht den Anspruch der Gesellschaft aus § 135 Abs. 2 InsO gegen den Gesellschafter. Dieser Anspruch folgt aus dem Haftungsvorrang des Gesellschafters (§ 44a InsO ), der infolge der Gewährung einer Eigensicherung seitens der Gesellschaft nicht entfällt. Auch wenn die Gesellschaft selbst dem Darlehensgeber eine anfechtungsfeste Sicherung stellt, bleibt es bei dem Grundsatz des § 44a InsO , wonach der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft vorrangig zur Befriedigung des Darlehensgebers verpflichtet ist (in diesem Sinne bereits zum Altrecht: BGH, Urteil vom 28. September 1987 - II ZR 28/87, ZIP 1987, 1541 , 1542 f; vom 9. Dezember 1991 - II ZR 43/91, ZIP 1992, 108 , 109; vom 20. Juli 2009 - II ZR 36/08, WM 2009, 1798 Rn. 15 f; Urteil vom 26. Januar 2009 - II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 11).

(3) Mit der Verwertung einer von der Gesellschaft gegebenen insolvenzfesten Sicherung durch den Darlehensgeber ist wie im Falle einer sonstigen Erfüllungsleistung der Gesellschaft ein Abfluss von Gesellschaftsvermögen verbunden, dessen Verlust die für § 135 Abs. 2 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung darstellt. Die Haftung des Gesellschafters gegenüber dem Darlehensgeber bildet den Maßstab für seine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft (BT-Drucks., aaO). Da die Haftung des Gesellschafters zugunsten des Darlehensgebers ungeachtet einer von der Gesellschaft erbrachten weiteren Sicherung durchgreift, wird seine Verpflichtung im Verhältnis zur Gesellschaft ebenfalls nicht durch eine von dieser dem Darlehensgeber eingeräumten Sicherung berührt.

ff) Schließlich hängt die gemäß § 135 Abs. 2 InsO gegen den Beklagten geltend gemachte Anfechtung auch nach allgemeinen Anfechtungsgrundsätzen nicht davon ab, ob ein Anfechtungsanspruch gegen die Sparkasse an einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung scheitert. Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Rechtshandlung selbständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen und gegebenenfalls in deren Anfechtung einzubeziehen, selbst wenn sich die Rechtshandlungen wirtschaftlich ergänzen. Da die einzelne anfechtbare Rechtshandlung ein eigenes selbständiges Rückgewährschuldverhältnis begründet, ist der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens zu beurteilen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 219/11, BGHZ 198, 64 Rn. 13 mwN). Im Streitfall konnte die Zahlung der Schuldnerin einen Anfechtungsanspruch sowohl gegen den Beklagten als auch gegen die Sparkasse begründen und damit mehrere Rechtsfolgen auslösen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 - IX ZR 2/11, BGHZ 192, 221 Rn. 33; MünchKomm-InsO/ Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 56a). Der Anfechtungsanspruch aus § 135 Abs. 2 InsO gegen den Beklagten entfällt nicht deswegen, weil eine Anfechtung gegen die insolvenzfest gesicherte Sparkasse an einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung scheiterte.

III.

Da sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend erweist, ist die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 13. Juli 2017

Vorinstanz: LG Stade, vom 19.01.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 211/15
Vorinstanz: OLG Celle, vom 23.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 16 U 25/16
Fundstellen
BB 2017, 2126
BGHZ 215, 262
DB 2017, 2023
DStR 2017, 12
DZWIR 2018, 40
MDR 2017, 1390
NotBZ 2017, 383
ZIP 2017, 1632
ZInsO 2017, 1844