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BGH - Entscheidung vom 18.03.2014

VIII ZB 55/13

Normen:
ZPO § 85 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 18.03.2014 - Aktenzeichen VIII ZB 55/13

DRsp Nr. 2014/6157

Pflicht eines Prozessbevollmächtigten zur Implementierung einer Ausgangskontrolle zur Wahrung von Fristen

Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle in einer Rechtsanwaltskanzlei gehört die Anordnung, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2013 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 17.922 €

Normenkette:

ZPO § 85 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 6. Juni 2013 zugestellte Urteil des Landgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 14. August 2013 bei dem Berufungsgericht zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der am 6. August 2013 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die von ihm vorgelegte, in seiner Kanzlei geltende "Allgemeine Dienstanweisung für den Kanzleibetrieb" vom 4. Februar 2008 verwiesen und ausgeführt, dass die Kanzleiangestellte G. auf der ersten Seite der Urteilsausfertigung jeweils den Fristablauf der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist sowie entsprechende Vorfristen notiert habe. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung habe Frau G. eine Vorfrist für den 2. August 2013 (" WV ") und als Fristablauf den 6. August 2013 ("FA") vermerkt. Ferner habe sie einen Erledigungsvermerk angebracht ("not.").

Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe die Angestellte statt der zutreffend vermerkten Wiedervorlagefrist für die Berufungsbegründung (2. August 2013) im Fristenkalender zunächst für die Wiedervorlage den 16. August 2013 und sodann eine "Vorverlegung" auf den 13. August 2013 eingetragen, ohne der Tatsache gewahr zu werden, dass als Fristablauf im Fristenkalender der 6. August 2013 eingetragen und nicht gestrichen gewesen sei. Aus ebenfalls nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe die Angestellte später nicht erkannt, dass im Fristenkalender unter dem 6. August 2013 zwar der Fristlablauf für den Berufungsbegründungsschriftsatz notiert, jedoch an diesem Tag weder ein Ausgang des Schriftsatzes noch eine Streichung der Frist erfolgt sei.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Vorlage der Handakten zur Anfertigung der Berufungsschrift die fehlerhafte Eintragung der Frist zur Berufungsbegründung nicht geprüft habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erstrebt und seinen Wiedereinsetzungsantrag weiterverfolgt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil nicht glaubhaft gemacht ist, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.

1. Allerdings hält die vom Berufungsgericht gegebene Begründung den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Zwar hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Rechtsanwalt prüfen muss, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert ist, wenn ihm die Handakten zur Anfertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden; dabei darf er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in den Handakten beschränken (BGH, Beschlüsse vom 27. November 2013 - XII ZB 116/13, FamRZ 2014, 284 Rn. 7; vom 12. November 2013 - II ZB 17/12, WM 2014, 422 Rn. 15; vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11, NJW-RR 2013, 1010 Rn. 11; vom 8. Februar 2010 - II ZB 10/09, [...] Rn. 7; vom 22. Januar 2008 - VI ZB 46/07, NJW 2008, 1670 Rn. 6). Dabei genügt die Anbringung entsprechender Vermerke auf dem jeweiligen Schriftstück den an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens zu stellenden Anforderungen (BGH, Beschlüsse vom 12. November 2013 - II ZB 17/12, aaO Rn. 16; vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08, NJW 2009, 1083 Rn. 11).

Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts insoweit aber kein Versäumnis anzulasten. In den Handakten war die Frist zur Berufungsbegründung zutreffend eingetragen. Die notierte Frist war ebenso wie die Vorfrist mit einem Erledigungsvermerk versehen. Dass die Vorfrist zum 2. August 2013 trotz des Erledigungsvermerks nicht im Fristenkalender eingetragen war, war für den Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erkennbar, als ihm die Handakten zur Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt wurden; Zweifel an der Richtigkeit des Erledigungsvermerks mussten sich ihm nicht aufdrängen.

2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 577 Abs. 3 ZPO ). Die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beruht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers bei der Ausgangskontrolle (§ 233 ZPO ), welches dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten gehört es unter anderem, dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Prozessbevollmächtigte eine Ausgangskontrolle schaffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, dass fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört die Anordnung, dass die Erledigung fristgebundener Sachen am Abend jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders überprüft wird (BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378 Rn. 7; vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 7; vom 17. Januar 2012 - VI ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn. 9; MünchKommZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 233 Rn. 66; jeweils mwN). Dass im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine entsprechende Anordnung bestand, lässt sich dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsverfahren nicht entnehmen. Die vorgelegte "Allgemeine Dienstanweisung für den Kanzleibetrieb" vom 4. Februar 2008 enthält dazu nichts. Dass es darüber hinaus allgemeine mündliche Anweisungen zur Ausgangskontrolle gegeben oder der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Kanzleiangestellten eine den oben genannten Anforderungen entsprechende konkrete Einzelanweisung zur Überwachung der Berufungsbegründungsfrist erteilt hätte, hat der Kläger im Wiedereinsetzungsgesuch nicht vorgetragen.

Die unzureichende Organisation der Ausgangskontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers war kausal für das Fristversäumnis, denn es ist anzunehmen, dass die noch offene Berufungsbegründungsfrist am Abend des 6. August 2013 bei der Kontrolle des Fristenkalenders aufgefallen wäre. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte in diesem Fall noch rechtzeitig einen (erstmaligen) Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stellen und die (verlängerte) Frist in der Folgezeit wahren können.

Vorinstanz: LG Fulda, vom 29.05.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 963/11
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, vom 11.09.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 14 U 137/13