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BGH - Entscheidung vom 05.05.2008

II ZR 105/07

Normen:
HGB § 171 § 172 Abs. 4

Fundstellen:
BB 2008, 1356
BGHReport 2008, 1020
DB 2008, 1616
MDR 2008, 867
NJW-RR 2008, 1065
NZG 2008, 506
NotBZ 2008, 343
WM 2008, 1228
ZIP 2008, 1175

BGH, Urteil vom 05.05.2008 - Aktenzeichen II ZR 105/07

DRsp Nr. 2008/12016

Umfang der persönlichen Haftung des Kommanditisten

»Die persönliche Haftung des Kommanditisten lebt nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB auch dann wieder auf, wenn an ihn ein Agio zurückgezahlt wird, sofern dadurch der Stand seines Kapitalkontos unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat (Bestätigung von Sen.Beschl. v. 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 ; BGHZ 84, 383).«

Normenkette:

HGB § 171 § 172 Abs. 4 ;

Tatbestand:

Die Beklagte trat der Klägerin, einem 1997 gegründeten geschlossenen Immobilienfonds mit 281 Kommanditisten, mit Beitrittserklärung vom 26./29. Oktober 1999 bei. Sie zahlte die vereinbarte Hafteinlage in Höhe von 100.000,00 DM zuzüglich eines Agios in Höhe von 5.000,00 DM (= 2.556,46 EUR).

Die Klägerin erzielte von Beginn an ausschließlich negative Jahresergebnisse mit der Folge, dass die Kapitalkonten der Kommanditisten durchweg negativ waren. Im Jahr 2000 nahm sie gleichwohl gegenüber den Kommanditisten eine Liquiditätsausschüttung in Höhe von 6 % der jeweiligen Kommanditeinlage vor.

Als die Klägerin Anfang des Jahres 2004 nicht mehr in der Lage war, den Zins- und Tilgungsdienst für die bei der B. H. bank aufgenommenen Kredite zu zahlen, vereinbarte sie im Rahmen eines Sanierungskonzepts mit der Bank - auf deren Verlangen - u.a. die sofortige Fälligstellung eines Darlehensteilbetrages in Höhe des an die Kommanditisten insgesamt gezahlten Ausschüttungsbetrages. Die Gesellschafterversammlung hatte die Geschäftsführer zuvor mit einer Stimmenmehrheit von 99,15 % mit dem Abschluss dieser Vereinbarung beauftragt.

Die Bank hat die Klägerin - unter hierzu erteilter Zustimmung der Gesellschafterversammlung - dazu ermächtigt, ihre Forderungen gegen die Kommanditisten aus §§ 171 , 172 Abs. 4 HGB im eigenen Namen und auf fremde Rechnung geltend zu machen. Nachdem die Klägerin die Beklagte außergerichtlich vergeblich zur Rückzahlung des auf sie entfallenden Ausschüttungsbetrages in Höhe von 3.067,65 EUR aufgefordert hatte, erhob sie Klage auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten in Höhe von 2.556,46 EUR (= Betrag des Agios) abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat in der Sache Erfolg und führt unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

Die Ausschüttung an die Beklagte sei insoweit als haftungsunschädlich anzusehen, als die Beklagte über die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage hinaus noch 2.556,46 EUR Agio an die Gesellschaft gezahlt habe, weil ihr durch eine Rückzahlung in Höhe des Agios etwas erstattet worden sei, das sie über den eingetragenen Betrag hinaus gezahlt habe, so dass ihre Haftungseinlage dadurch nicht gemindert worden sei.

II. Das angefochtene Urteil hält im Umfang seiner Anfechtung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Die Beklagte ist gemäß §§ 171 , 172 Abs. 4 HGB zur Rückzahlung des gesamten an sie ausgeschütteten Betrages in Höhe von 3.067,75 EUR verpflichtet. Wie der Senat bereits in BGHZ 84, 383, 387 f. und erneut - zeitlich nach dem Berufungsurteil - mit Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 ( II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Tz. 8; a.A. Bayer/Lieder, ZIP 2008, 809 ff.) entschieden hat, ist nach § 172 Abs. 4 HGB jede Rückzahlung an den Kommanditisten haftungsbegründend, wenn und soweit dadurch der Kapitalanteil des Kommanditisten unter den Betrag seiner Haftsumme sinkt oder schon zuvor diesen Wert nicht mehr erreicht hat.

2. So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat - entgegen der unzutreffenden Ansicht der Revisionserwiderung - unter Bezugnahme auf das amtsgerichtliche Urteil festgestellt, dass unstreitig (a) die Klägerin von Beginn an ausschließlich negative Jahresergebnisse erzielte, (b) die Kapitalkonten der Kommanditisten dementsprechend durchweg negativ waren und (c) die Ausschüttungen den ohnehin schon negativen Kapitalanteil der Beklagten - weiter - gemindert haben. Angesichts dessen ist durch die Ausschüttung die persönliche, zunächst durch die Zahlung der Pflichteinlage ausgeschlossene Haftung der Beklagten im Umfang der an sie geleisteten Zahlung wieder aufgelebt, ohne dass es, wie das Berufungsgericht fälschlicherweise meint, darauf ankommt, ob das Agio nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen dem Eigenkapital zuzurechnen ist, ob seine Rückzahlung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, oder ob die Rückzahlung ausdrücklich als "Rückzahlung des Agios" bezeichnet oder ohne Angabe eines Zahlungsgrundes geleistet worden ist.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 26.02.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 52 S 262/06
Vorinstanz: AG Berlin-Charlottenburg, vom 16.06.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 232 C 73/06
Fundstellen
BB 2008, 1356
BGHReport 2008, 1020
DB 2008, 1616
MDR 2008, 867
NJW-RR 2008, 1065
NZG 2008, 506
NotBZ 2008, 343
WM 2008, 1228
ZIP 2008, 1175