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BGH - Entscheidung vom 29.01.2008

4 StR 663/07

Normen:
StGB § 177

BGH, Beschluß vom 29.01.2008 - Aktenzeichen 4 StR 663/07

DRsp Nr. 2008/3920

Ermittlung des mildesten Gesetzes bei einer Vergewaltigung

1. Wurde seit der Tatbegehung das Gesetz mehrfach geändert (hier: § 177 StGB ), ist der Grundsatz strikter Alternativität zu beachten. 2. Bei dem anzustellenden Gesamtvergleich ist dabei nicht nur von Bedeutung, dass die Neufassung des § 177 StGB gegenüber der zur Tatzeit geltenden Fassung einen günstigeren (Regel-)Strafrahmen in Absatz 1 der Vorschrift enthält, sondern gegebenenfalls auch, dass der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB erst nachträglich eingeführt worden ist.

Normenkette:

StGB § 177 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung sowie wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Teileinstellung des Verfahrens und hat im Übrigen in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; die weiter gehende Revision erweist sich dagegen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Senat stellt auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 StGB ) verurteilt worden ist. Nach den bisher getroffenen Feststellungen könnte der Senat den Schuldspruch in diesem Fall nicht bestätigen (vgl. BGHR StGB § 184 c [a.F.] Nr. 1 Erheblichkeit 2).

2. Im Übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.

3. Zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, dass das Landgericht dem jetzt 74jährigen, nicht bestraften Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründe, dem eine 17 Jahre zurückliegende Vergewaltigung zu Grunde liegt, u.a. strafschärfend angelastet hat, er habe dabei "seine eigene Überlegenheit rücksichtslos zur Befriedigung seines Sexualtriebs ausgenutzt" (UA 10). Damit hat das Landgericht gegen das Verbot der Doppelverwertung nach § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Der Senat kann nicht mit genügender Sicherheit ausschließen, dass die Strafrahmenwahl und die Erwägungen zur Höhe der Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren, die zugleich die Einsatzstrafe bildet, hiervon zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden sind.

Angesichts der strafmildernden Umstände von Gewicht hat das Landgericht auch nicht hinreichend deutlich gemacht, weshalb hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafe im Fall II. 3 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte seiner Enkelin einen Zungenkuss aufnötigte, ein minder schwerer Fall nach § 177 Abs. 5 StGB nicht in Betracht kam. Deshalb bedarf auch die Einzelfreiheitsstrafe in diesem Fall neuer tatrichterlicher Entscheidung.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der neue Tatrichter bei der Strafrahmenwahl im Fall II. 1 der Urteilsgründe mit Blick auf die seit der Tatbegehung mehrfache Änderung des § 177 StGB den Grundsatz strikter Alternativität zu beachten haben wird (vgl. dazu Fischer StGB 55. Aufl. § 2 Rdn. 9 f.). Bei dem anzustellenden Gesamtvergleich ist dabei nicht nur von Bedeutung, dass die Neufassung des § 177 StGB gegenüber der vom Landgericht zu Grunde gelegten, zur Tatzeit geltenden Fassung einen günstigeren (Regel-)Strafrahmen in Absatz 1 der Vorschrift enthält (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 11 und 13), sondern auch der vom Landgericht herangezogene vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB erst nachträglich (durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994, BGBl I 3186) eingeführt worden ist.

Vorinstanz: LG Saarbrücken, vom 20.07.2007