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BGH - Entscheidung vom 22.04.2008

3 StR 74/08

Normen:
StGB § 306b Abs. 2 Nr. 2

Fundstellen:
BGHR StGB § 306b Ermöglichen 4

BGH, Beschluß vom 22.04.2008 - Aktenzeichen 3 StR 74/08

DRsp Nr. 2008/11767

Brandstiftung zur Ermöglichung eines versuchten Versicherungsbetrugs

Die von § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Ermöglichungsabsicht ist auch dann gegeben, wenn der Täter irrig glaubt, die Brandversicherung sei leistungsfrei und ihre geplante Inanspruchnahme daher betrügerisch; in diesem Fall liegt in der Schadensmeldung bei der Versicherung ein versuchter Betrug.

Normenkette:

StGB § 306b Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung und versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

Nach den Feststellungen setzte der Angeklagte, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, ein Wohnhaus in Brand, das im Eigentum seiner Ehefrau stand. Ihm kam es darauf an, seiner Ehefrau, auf deren Namen auch der Vertrag über die Gebäudeversicherung lief, die Versicherungsleistung zukommen zu lassen, um damit einen geplanten Umbau des Hauses zu finanzieren. Zu einer Auszahlung der Versicherungssumme an die Ehefrau des Angeklagten kam es jedoch nicht.

I. Zu den Verfahrensrügen, es liege ein Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO vor, weil die den Zeugen S. betreffenden Beweisanträge von der Strafkammer mit einer ungenügenden Begründung abgelehnt worden seien, bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts:

Die Begründung der Ablehnungsbeschlüsse des Landgerichts enthalten zwar allenfalls knappe Ausführungen zu der Frage, aus welchen tatsächlichen Gründen der Tatrichter die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen angenommen hat. Hierin liegt indes im vorliegenden Fall kein durchgreifender Rechtsfehler; denn die maßgeblichen Erwägungen des Tatrichters lagen auf der Hand. Sämtliche unter Beweis gestellten Tatsachen betrafen Umstände, die für den Anklagevorwurf von derart entfernter Bedeutung waren, dass es hierfür ausnahmsweise näherer Darlegung nicht bedurfte; vielmehr reichten die knappen Begründungen der angegriffenen Beschlüsse auch mit Blick auf die berechtigten Informationsinteressen der Verfahrensbeteiligten aus (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 14; BGH StV 1994, 635; Herdegen in KK 5. Aufl. § 244 Rdn. 58; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 244 Rdn. 41 a) und ermöglichten noch in hinreichender Weise eine rechtliche Überprüfung der Ablehnungsentscheidungen durch den Senat.

II. Die Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Erfolg. Soweit die Revision ausführt, der Angeklagte habe sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nur wegen schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ) strafbar gemacht, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

1. Die Voraussetzungen einer besonders schweren Brandstiftung (§ 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ) sind auch dann erfüllt, wenn die Brandlegung wie hier zum Zwecke eines Betruges zum Nachteil der Versicherung begangen wird (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; BGH NJW 2000, 3581 ; NStZ-RR 2000, 209 ; 2004, 366 ).

2. Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass der Angeklagte durch die Inbrandsetzung des Hauses einen derartigen Betrug ermöglichen wollte. Insbesondere war die vom Angeklagten erstrebte Bereicherung seiner Ehefrau rechtswidrig, weil diese keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme hatte; dies war dem Angeklagten nach den Feststellungen bewusst.

a) Nach § 61 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt. Diese Bestimmung findet hier Anwendung; denn die Ehefrau des Angeklagten muss sich zurechnen lassen, dass dieser das Wohnhaus vorsätzlich in Brand setzte, weil der Angeklagte als ihr Repräsentant im versicherungsrechtlichen Sinne anzusehen ist (vgl. hierzu BGHZ 107, 229 ; 122, 250; Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 61 Rdn. 5, § 6 Rdn. 57 ff.).

Zwar ist - worauf die Revision im Ausgangspunkt zu Recht hinweist - nach der neueren Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2007, 2038 ) in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer einem Dritten die selbstständige Wahrnehmung seiner für das Versicherungsverhältnis relevanten Befugnisse nur in einem bestimmten, abgrenzbaren Geschäftsbereich überträgt, die Zurechnung des Repräsentantenverhaltens auf diesen Bereich beschränkt und kann nicht auf andere Tätigkeitsbereiche ausgedehnt werden. Der Versicherungsnehmer braucht sich deshalb namentlich die vorsätzliche Brandstiftung durch einen Dritten, der nur in die Verwaltung des Versicherungsvertrages eingebunden ist, nicht mit der Folge zurechnen lassen, dass die Versicherung von ihrer Leistungspflicht befreit wird (vgl. BGH aaO. S. 2039). Jedoch belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils hinreichend, dass der Angeklagte nicht nur bezüglich der versicherungsvertraglichen Angelegenheiten, sondern auch im Bereich der Gefahrverwaltung als Repräsentant seiner Ehefrau zu gelten hat. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Der Angeklagte hatte das Anwesen 1990 in eigenem Namen erworben (UA S. 4 f.). Er betrieb dort seine Putenmast und war Vermieter für die in dem Wohnhaus lebenden Personen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nichts dafür, dass seine Ehefrau in irgendeiner Weise in die Verwaltung des Wohnhauses involviert gewesen wäre. So schloss der Angeklagte auch einen Gebäudeversicherungsvertrag mit der LVM in eigenem Namen ab (UA S. 6). Auf Grund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Angeklagten musste das Anwesen 1996 zwangsversteigert werden (UA S. 6). Im Jahre 2000 war ihm ein Rückerwerb wirtschaftlich wieder möglich, wegen der von ihm abgegebenen Versicherung an Eides statt konnte er jedoch nicht mehr als Vertragspartner für Banken und Versicherungen auftreten (UA S. 7). Allein aus diesem Grunde wurde das Anwesen auf den Namen seiner Ehefrau erworben, wurden Kredite auf ihren Namen aufgenommen und der Gebäudeversicherungsvertrag mit der LVM auf sie umgestellt (UA S. 6 f.). Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass die Ehefrau des Angeklagten nach dem Rückerwerb anders als in den Jahren 1990 bis 1996 - abgesehen von den rechtlich erforderlichen Unterschriftsleistungen - neben dem Angeklagten am Betrieb der Mast oder der Verwaltung des Wohngebäudes beteiligt gewesen wäre. Soweit einzelne Tätigkeiten festgestellt wurden, z.B. die Regelung der Modalitäten von Auszug und Schlüsselübergabe des ehemaligen Mieters K. (UA S. 21 f., 30) wurden diese vom Angeklagten ohne Beteiligung seiner Ehefrau erledigt. Besonders deutlich wird die Befugniswahrnehmung durch den Angeklagten bei der Regelung des Versicherungsfalls mit dem Vertreter der LVM. Dies übernahm der Angeklagte allein, lediglich zur Unterschriftsleistung kam seine Ehefrau hinzu (UA S. 13, 17). So stellen sich auch insgesamt die von der Revision herausgestellten Aktivitäten der Ehefrau (RB Rechtsanwalt W. S. 12) nicht als eigenständige Befugniswahrnehmung dar, sondern als rechtlich zwingend erforderliche Mitwirkungshandlungen, die nur von ihr als Eigentümerin erledigt werden konnten, etwa die Unterzeichnung von Kündigungsschreiben, Bauvoranfragen etc. (vgl. UA S. 10 f.)."

Dem stimmt der Senat zu. Die Repräsentantenstellung des Angeklagten für den Bereich der Gefahrverwaltung des Anwesens wird entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Ehefrau des Angeklagten mit diesem nach dem geplanten Umbau in das Haus ziehen wollte. Dass sie über diesen ihre private Lebensgestaltung betreffenden persönlichen Entschluss und die zu seiner Umsetzung rechtlich erforderlichen Mitwirkungshandlungen hinaus irgendeinen Einfluss auf die Verwaltung des Objekts nahm, ist nicht festgestellt. Es begegnet deshalb keinen Bedenken, dass die Strafkammer aus den dargelegten Umständen sowie den im Übrigen in der Vergangenheit von dem Angeklagten gewählten Firmenkonstruktionen den Schluss gezogen hat, seine Ehefrau sei als Eigentümerin des Hofes und Versicherungsnehmerin lediglich vorgeschoben gewesen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich somit wesentlich von demjenigen, welcher der von der Revision angeführten Entscheidung BGHR StGB § 265 Abs. 1 Betrugsabsicht 1 zu Grunde lag.

b) Danach kann dahinstehen, ob die Versicherung - was die getroffenen Feststellungen nahe legen - auch deshalb von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist, weil der Angeklagte bei der Abwicklung des Schadensfalles die Verhandlungen mit der Versicherung geführt und dabei arglistig über die Brandursache getäuscht hat (vgl. BGH aaO. S. 2039 f.).

Im Übrigen weist der Senat ergänzend noch darauf hin, dass die von § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Ermöglichungsabsicht auch dann gegeben ist, wenn der Täter nur irrig glaubt, die Versicherung sei leistungsfrei und ihre geplante Inanspruchnahme daher betrügerisch; auch in diesem Fall läge in der Schadensmeldung bei der Versicherung darüber hinaus ein versuchter Betrug.

III. Der Strafausspruch kann indes keinen Bestand haben.

1. Das Landgericht hat eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift bei Gericht am 21. März 2005 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 23. März 2007 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Es hat diese Verzögerung dadurch kompensiert, dass es zunächst die an sich verwirkten Einzelstrafen benannt, sodann den Strafrahmen gemäß § 49 Abs. 1 StGB herabgesetzt, niedrigere Einzelstrafen festgesetzt und aus diesen eine verminderte Gesamtstrafe gebildet hat.

Diese Verfahrensweise ("Strafabschlagslösung") steht, soweit das Landgericht die Einzelstrafen einem nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen entnommen hat, bereits mit den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung (vgl. hierzu BGH NJW 2007, 3294 ) nicht in Einklang. Sie entspricht im Übrigen nicht der - nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung - geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK ("Vollstreckungsmodell"; vgl. BGH - GS - NJW 2008, 860 ). Dadurch ist der Angeklagte beschwert, weil sich durch das Vollstreckungsmodell der Zeitpunkt, zu dem ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nach vorne verlagert. Der Angeklagte könnte deshalb - bei Vorliegen der übrigen, nicht von vornherein ausgeschlossenen Voraussetzungen des § 57 StGB - früher als nach dem Strafabschlagsmodell aus dem Strafvollzug entlassen werden.

2. Bei der nunmehr gebotenen Durchführung der Kompensation im Wege des Vollstreckungsmodells wird der neue Tatrichter Folgendes zu beachten haben (s. im Einzelnen BGH aaO. S. 866 f.):

Zunächst hat er in der neuen Hauptverhandlung nach den Kriterien des § 46 StGB und unter Beachtung der gesetzlichen Strafrahmen schuldangemessene, die festgestellte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung außer Acht lassende Einzelstrafen festzusetzen und aus diesen eine Gesamtstrafe zu bilden. Sodann hat er die gebotene Kompensation dadurch vorzunehmen, dass er in der Urteilsformel - zusätzlich zu der neu gebildeten Gesamtstrafe - ausspricht, dass ein bezifferter Teil dieser Strafe als vollstreckt gilt. Dabei ist er durch § 358 Abs. 2 StPO nicht gehindert, höhere Einzelstrafen als die bisher erkannten zu verhängen und auch eine höhere Gesamtstrafe auszusprechen. Indes dürfen die neuen Einzelstrafen die im angefochtenen Urteil als an sich verwirkt und - ohne Kompensationsabschlag - als schuldangemessen ausgewiesenen Strafen nicht übersteigen. Außerdem darf die im Falle vollständiger Vollstreckung zu verbüßende Strafe (schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe abzüglich des als vollstreckt geltenden Teils) nicht höher sein, als die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe. Damit wird sichergestellt, dass der Angeklagte, auch wenn der neue Tatrichter auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als sechs Jahren und sechs Monaten erkennt, durch die Kompensation in Form der Vollstreckungslösung im Ergebnis nicht schlechter steht; denn die höchst mögliche Gesamtverbüßung kann im Vergleich zum bisherigen Straferkenntnis auch dann nicht länger dauern.

3. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zum Strafausspruch zu treffen, die indes zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen.

Vorinstanz: LG Osnabrück, vom 30.08.2007
Fundstellen
BGHR StGB § 306b Ermöglichen 4