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BGH - Entscheidung vom 18.06.2008

AnwZ (B) 4/07

Normen:
ZPO § 42 Abs. 2

Fundstellen:
BRAK-Mitt 2008, 220

BGH, Beschluß vom 18.06.2008 - Aktenzeichen AnwZ (B) 4/07

DRsp Nr. 2008/13498

Besorgnis der Befangenheit eines Richters im anwaltsgerichtlichen Verfahren

1. Der Umstand, dass der abgelehnte Richter in den bisherigen oder in einem früheren Verfahren Verstöße gegen Gesetzesvorschriften begangen haben kann, reicht allein nicht als Befangenheitsgrund aus.2. Auch aus einer früheren, möglicheweise unrichtigen Rechtsauffassung des Justizministeriums eines Bundeslandes als frühere Anstellungskörperschaft eines heutigen Richters am Bundesgerichtshof kann nicht geschlossen werden, dass der Richter auch heute noch aus unsachlichen Erwägungen an dieser Rechtsansicht festhalten werde.

Normenkette:

ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller hat den zur Mitwirkung in dieser Sache berufenen Richter am Bundesgerichtshof Dr. F. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sein Prozessvertreter hat geltend gemacht:

1. Er habe den Senat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2007 um Mitteilung gebeten,

"... ob und gegebenenfalls welche(s) der Mitglieder dieser Besetzung des Senats in irgendeiner Art und Weise im Zeitraum zwischen 1993 und 2007 an irgendeiner gerichtlichen Entscheidung (Urteile, Beschlüsse etc.) gegen meinen Mandanten mitgewirkt oder irgendein Amt oder irgendeine Funktion bekleidet haben, in der sie an behördlichen Maßnahmen (Verwaltungsakte, Verwaltungshandeln) gegenüber meinem Mandanten mitgewirkt haben oder für solche Maßnahmen die Verantwortung zu tragen hatten, so dass ein 'böser Schein` vorliegen könnte, der einem unbefangenen Dritten den Eindruck vermitteln könnte, dass vorliegend wegen dieser Vorab-Befassung möglicherweise Zweifel an der Durchführung eines objektiven gerichtlichen Verfahrens angezeigt sein könnten."

Der Vorsitzende habe ihm daraufhin auf Empfehlung des abgelehnten Richters nur die aktuelle Senatsbesetzung mitgeteilt. Dieser habe nicht offen gelegt, dass er mit Schreiben vom 14. März 1994 für das H. Justizprüfungsamt in datenschutzrechtswidriger Weise allen Landesjustizprüfungsämtern mitgeteilt habe, dass der Antragsteller in H. nicht am Prüfungsverfahren teilgenommen habe, und seine Kenntnisse auch innerhalb des Landes H. weitergegeben habe. Ausweislich der Feststellungen des S. Datenschutzbeauftragten in seiner Beanstandung gemäß § 29 SächsDSG vom 12. Juli 2007 habe das S. Staatsministerium der Justiz durch das Landesjustizprüfungsamt rechtswidrig Daten über den Antragsteller an die übrigen Landesjustizprüfungsämter übermittelt. An diesem rechtswidrigen Datenaustausch habe der abgelehnte Richter durch sein Schreiben mitgewirkt.

2. Der Antragsteller macht weiter geltend, dass die damalige Anstellungsbehörde des abgelehnten Richters, das H. Staatsministerium der Justiz, mit Schreiben vom 6. April 1994 einen Abdruck seines Ablehnungsbescheides vom 30. September 1993 an das S. Staatsministerium der Justiz übersandt habe. Darin sei dem Antragsteller die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst des Landes H. versagt worden, weil er nach der "gesetzgeberischen Zielvorstellung" nicht unter die einschlägige Regelung des Einigungsvertrages falle. Diese grob falsche Rechtsauffassung des H. Staatsministeriums der Justiz hätten sodann die S. Justizbehörden ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Man müsse damit rechnen, dass der abgelehnte Richter die seinerzeit vom H. Justizministerium eingenommene Rechtsposition auch heute noch für richtig halte.

3. Der abgelehnte Richter habe mit seinem richterlichen Hinweis vom 6. September 2007 auf die Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 10. Juli 2000 bereits erkennbar dazu angesetzt, die Sache möglichst rasch "totzumachen".

II. Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet. Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.

Nach dem in streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach der Bundesrechtsanwaltsordnung entsprechend anwendbaren § 42 Abs. 2 ZPO (Senat, BGHZ 46, 195) setzt die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Dabei ist - von den in § 41 Nr. 4 bis 6 ZPO aufgeführten Ausnahmen abgesehen - die Vorbefassung mit einer Sache allein kein Grund für die Annahme der Parteilichkeit eines Richters (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. September 2007, 2 BvR 2335/06 und 2 BvR 2589/06 Tz. 22; BGHSt 50, 216 , 221; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 42 Rdn. 14 m.w.N.).

1. Das Schreiben des abgelehnten Richters vom 14. März 1994 lässt keine Voreingenommenheit besorgen. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Datenübermittlung durch das H. Landesjustizprüfungsamt seinerzeit rechtswidrig war. Der Umstand, dass der Richter in dem bisherigen oder in einem früheren Verfahren Verstöße gegen Gesetzesvorschriften begangen hat, reicht allein nicht als Befangenheitsgrund aus (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO , 22. Aufl., § 42 Rdn. 9 m.w.N.; vgl. auch BGH, BGHSt 48, 4 , 8). Anhaltspunkte dafür, dass ein möglicher Verstoß auf unsachlichen oder willkürlichen Erwägungen beruhte, bestehen nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller durch eine mögliche Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch eine möglicherweise unberechtigte Datenübermittlung hier berechtigt das Vertrauen in die Sachlichkeit des abgelehnten Richters verloren haben könnte. Dies gilt umso mehr, als das beanstandete Schreiben vor mehr als vierzehn Jahren verfasst wurde und, wie der Antragsteller selbst vorträgt, diesen nur "am Rande" (Seite 2 des Schriftsatzes vom 26. November 2007) betraf.

2. Dass der abgelehnte Richter die Tatsache, dass er das Schreiben vom 14. März 1994 unterschrieben hat, dem Antragsteller auf sein Auskunftsersuchen vom 4. Oktober 2007 nicht mitgeteilt hat, begründet ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Es kann dahinstehen, ob die Mitteilung an das T. Justizministerium und die Justizprüfungsämter überhaupt als behördliche Maßnahme gegenüber dem Antragsteller angesehen werden kann, über die Auskunft erbeten wurde. Der abgelehnte Richter hat in seiner dienstlichen Erklärung hierzu glaubhaft ausgeführt, dass er keine Erinnerung mehr an diese Auskunft gehabt habe und sich auch heute noch nicht erinnere. Ein Verhalten, aus dem eine Voreingenommenheit gegenüber dem Antragsteller abgeleitet werden könnte, liegt somit nicht vor.

3. Aus dem Umstand, dass das H. Staatsministerium der Justiz eine nach Auffassung des Antragstellers falsche Rechtsauffassung vertrat, kann schon nicht gefolgert werden, dass der abgelehnte Richter sich diese Auffassung zu Eigen gemacht hat und erst recht nicht, dass er aus unsachlichen Gründen unverrückbar an ihr festhalten werde. Im Übrigen kommt eine für einen Beteiligten ungünstige und möglicherweise für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung in einem früheren Verfahren oder einem früheren Verfahrensabschnitt grundsätzlich nicht als Grund für die Annahme von Parteilichkeit des Richters in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 29. November 1995, XII ZR 140/94, BGHR ZPO § 42 Abs. 2 Rechtsauffassung 1). Eine Festlegung des abgelehnten Richters zu Lasten des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis vom 4. September 2007. In diesem heißt es ausdrücklich, dass einer erneuten Sachprüfung die Rechtskraft des Senatsbeschlusses vom 10. Juli 2000 entgegenstehen könnte; hierzu werden zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zitiert. Es wird mithin lediglich auf eine Rechtsmeinung hingewiesen, mit der sich eine Entscheidung in jedem Fall auseinandersetzen müsste.

Vorinstanz: AnwGH Sachsen - AGH 2/06 (II) - 15.12.2006,
Fundstellen
BRAK-Mitt 2008, 220