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BGH - Entscheidung vom 06.03.2008

III ZR 39/07

Normen:
BGB § 276 § 280 § 328

BGH, Urteil vom 06.03.2008 - Aktenzeichen III ZR 39/07

DRsp Nr. 2008/6306

Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage im Prospekt

1. Der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, hat den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt.2. Den Anforderungen an die Darstellung des Risikos einer Kapitalanlage ist nicht genügt, wenn sich für einen durchschnittlichen Anleger der - unzutreffende - Gesamteindruck aufdrängt, dass er mit seiner Beteiligung ein begrenztes Risiko eingehe.3. Ein Anleger ist in den Schutzbereich eines bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegebenen Prospektprüfungsgutachtens einbezogen, wenn dieses Grundlage seiner Anlageentscheidung war. 4.. Es spricht eine auf die Lebenserfahrung gegründete tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Anleger sich bei einer deutlichen Aufdeckung des Risikos eines Totalverlustes gegen eine Beteiligung entschieden hätte.

Normenkette:

BGB § 276 § 280 § 328 ;

Tatbestand:

Der Kläger zeichnete am 13. Dezember 2000 - unter Einschaltung der D. GmbH als Treuhänderin - eine Kommanditeinlage über 60.000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio an dem Filmfonds V. Dritte KG. Die Fondsgesellschaft geriet im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Insolvenz der Produktionsdienstleisterin in eine wirtschaftliche Schieflage. Es stellte sich heraus, dass an die Produktionsdienstleisterin überwiesene Gelder nicht zurückzuerlangen waren und Erlösausfallversicherungen für aufgenommene Produktionen nicht abgeschlossen waren.

Der Kläger nimmt die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wegen behaupteter Fehler in dem von ihr im Auftrag der Streithelferin erstatteten Prospektprüfungsgutachten vom 14. August 2000 über die Prüfung des Emissionsprospekts auf Schadensersatz in Anspruch und begehrt Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung unter Berücksichtigung einer Ausschüttung von 920,33 EUR Zahlung von jetzt noch 31.291,06 EUR nebst Zinsen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der Beklagten, weil das Prüfergebnis nicht zu beanstanden sei. Denn der Emissionsprospekt erweise sich nicht als fehlerhaft. Bei der gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Inhalts des Prospekts werde deutlich, dass Erlösausfallversicherungen erst für einzelne, konkrete Filmprojekte abzuschließen seien. Hiervon ausgehend sei auch die Restrisiko-Betrachtung nicht zu beanstanden, da sie voraussetze, dass die Geschäftsführung das Absicherungskonzept umsetze. Auch das Gesamtrisiko der Beteiligung werde nicht unzulässig verharmlost. Zwar werde in den "Leitgedanken" zu Beginn des Prospekts betont, dass das Verlustrisiko durch ein "Sicherheitsnetz" begrenzt werde. Es werde jedoch im nächsten Satz klargestellt, dass es sich hierbei (nur) um ein "Konzept" handele. Auf S. 7 des Prospekts finde sich unter der Überschrift "Risiken der Beteiligung" der mehr als deutliche Hinweis, dass im Extremfall das eingesetzte Kapital vollständig verloren gehen könne. Eines besonderen Hinweises, dass das Sicherheitskonzept nur verwirklicht werden könne, wenn die Geschäftsführung die notwendigen Erlösausfallversicherungen auch abschließe, habe es nicht bedurft. Was die nachträgliche Mittelverwendungskontrolle durch die Beklagte angehe, sei weder eine Pflichtverletzung nachvollziehbar vorgetragen noch ein darauf beruhender Schaden schlüssig dargelegt.

II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem maßgebenden Punkt nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Prospekt nicht zu beanstanden sei.

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f.; BGH, Urteile vom 29. Mai 2000 - II ZR 280/98 - NJW 2000, 3346 ; vom 6. Februar 2006 - II ZR 329/04 - NJW 2006, 2042 , 2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 - VII ZR 376/89 - NJW 1992, 228 , 230 [insoweit ohne Abdruck in BGHZ 115, 213]). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81 - NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91 - NJW-RR 1992, 879 , 881). Hiervon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts jedoch in einem maßgebenden Punkt nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Bei seiner Sicht berücksichtigt es nämlich nicht hinreichend den in den Leitgedanken vorbereiteten und durch die als "worst-case-Szenario" bezeichnete "Restrisiko-Betrachtung" vermittelten Gesamteindruck, dass der Anleger mit seiner Beteiligung ein nur begrenztes Risiko eingehe. Insbesondere entwertet das Berufungsgericht das in den Leitgedanken des Prospekts näher beschriebene zentrale (Verkaufs-)Argument der Risikobegrenzung durch ein "Sicherheitsnetz", das aus "präzise definierten Kriterien für das Tätigen einer Investition" und "aus einem intelligenten Konzept von Versicherungen und aus einer breiten Risikostreuung" bestehen soll, in unzulässiger Weise, wenn es insoweit davon spricht, hierbei handele es sich "nur" (dieses Wort steht nicht im Prospekt) um ein Konzept. Damit wird das Verständnis des hinreichend sorgfältigen und kritischen Anlegers nicht richtig erfasst. Wegen der Einzelheiten seiner Beurteilung nimmt der Senat insoweit auf seine Urteile vom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselben Fondsgesellschaft betrafen (III ZR 300/05 - NJW-RR 2007, 1329 , 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 - WM 2007, 1503 , 1504 f. Rn. 14 f) und an der er - nach erneuter Überprüfung - in seinem Urteil vom 22. November 2007 (III ZR 210/06) festgehalten hat, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

III. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO ).

1. Wie der Senat durch Urteil vom 14. Juni 2007 (III ZR 300/05 - aaO. S. 1331 f. Rn. 18 ff.) entschieden hat, liegt eine Haftung der Beklagten wegen einer Verletzung des Prospektprüfungsvertrags nahe. Insoweit hat der Senat bemängelt, das Prospektprüfungsgutachten trete im Zusammenhang mit seiner Bewertung der auf das worst-case-Szenario bezogenen Aussagen des Prospekts über die Risiken der Beteiligung dem durch den Prospekt vermittelten Eindruck nicht hinreichend entgegen, der Anleger gehe - trotz der Risiken einer unternehmerischen Beteiligung - ein insgesamt nur begrenztes Risiko ein (aaO. S. 1332 Rn. 20). An dieser Beurteilung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

2. a) Auf die Verletzung des Prospektprüfungsvertrags kann sich auch der Kläger als vertragsfremder Dritter berufen, denn er ist nach seinem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Vorbringen nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Schutzbereich dieses Vertrags einzubeziehen (vgl. Senatsurteile BGHZ 127, 378 , 380; 138, 257, 261; vom 15. Dezember 2005 - III ZR 424/04 - NJW-RR 2006, 611 , 612 Rn. 12; BGHZ 167, 155 , 161 f. Rn. 12; vom 14. Juni 2007 - III ZR 300/05 aaO. Rn. 21; Urteile des X. Zivilsenats BGHZ 145, 187 , 197 f.; 159, 1, 4 f.; vom 8. Juni 2004 - X ZR 283/02 - NJW 2004, 3420 , 3421). Die Beklagte wird, was für die Einbeziehung der Anleger in den Schutzbereich des Prospektprüfungsvertrags entscheidend ist, durch die Formulierung auf S. 39 des Prospekts hinreichend darauf hingewiesen, dass ihr Bericht ernsthaften Interessenten auf Anforderung zur Verfügung gestellt wird, um - was sich hieraus ohne weiteres ergibt - Grundlage für deren Anlageentscheidung zu werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 aaO. für eine ähnliche Formulierung im Prospekt; Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aaO.). Darüber hinaus war ihr bekannt, dass die Streithelferin ihr diesen Auftrag als Vertriebsorganisation erteilte, also zu dem Zweck, mit dem Prospekt Anleger für eine Beteiligung zu gewinnen.

b) Wie der Kläger sowohl in seiner Klagebegründung als auch in seiner Berufungsbegründung behauptet, unter Beweis gestellt und belegt hat, ist ihm mit Schreiben vom 29. November 2000 das Prospektprüfungsgutachten vor seiner Anlageentscheidung übersandt worden. Das Vorliegen eines beanstandungsfreien Prospektprüfungsgutachtens sei für ihn die Voraussetzung gewesen, sich selbst an dem Fonds zu beteiligen (und den Fonds in seiner Funktion als Anlageberater der C. Bank anderen Kunden zu empfehlen). Sollte sich das Berufungsgericht hiervon überzeugen - die Beklagte hat die Kausalität bestritten -, spricht eine auf die Lebenserfahrung gegründete tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Kläger bei einer deutlichen Aufdeckung des Risikos eines Totalverlustes gegen eine Beteiligung entschieden hätte (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2006 - III ZR 20/05 - NJW-RR 2006, 685 , 688 Rn. 24, 28; vom 22. März 2007 - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925 , 926 f. Rn. 11).

3. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch des Klägers wäre auch nicht verjährt. Seine Verjährung richtet sich nach § 51a WPO a.F., der eine Frist von fünf Jahren ab Entstehung des Anspruchs vorsieht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 aaO. S. 3421 f.). § 51a WPO a.F. ist zwar mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 durch die regelmäßige Verjährung nach § 195 BGB ersetzt worden, die bei noch nicht verjährten Ansprüchen des Auftraggebers von diesem Datum an berechnet wird (§ 139b Abs. 2 Satz 1 WPO ). Läuft die Frist des § 51a WPO a.F. indes früher ab als die Verjährung nach § 195 BGB , hat es nach § 139b Abs. 2 Satz 2 WPO damit sein Bewenden. Da im vorliegenden Fall der Schadensersatzanspruch nicht früher als im Zeitpunkt der Anlageentscheidung (13. Dezember 2000) entstanden ist, ist die Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids am 14. Januar 2005 gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ).

Vorinstanz: OLG München, vom 24.01.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 7 U 4363/06
Vorinstanz: LG München I, vom 18.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 14841/05