Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BAG - Entscheidung vom 30.10.2007

3 AZB 17/07

Normen:
EuGVÜ (Brüsseler Übereinkommen - Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und - geänderter Text - S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1 geänderten Fassung) Art. 1 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 27 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art.30 Nr. 1
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 34 Nr. 1
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 34 Nr. 3
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 35 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 37 Abs. 1
ZPO § 148

BAG, Beschluss vom 30.10.2007 - Aktenzeichen 3 AZB 17/07

DRsp Nr. 2011/925

Aussetzung eines Arbeitsrechtsstreits wegen doppelter Anhängigmachung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten der Europäischen Union; Anerkennung ausländischer Entscheidungen; Vorgreiflichkeit des ausländischen Verfahrens

1. a) Nach Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ fallen unter dieses Abkommen auch Rechtsstreitigkeiten zwischen Behörden und einer Privatperson, soweit nicht die Behörde einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse führt; ferner ist es auch auf Klagen gegen Vertragsstaaten anwendbar. b) Die zu diesem Übereinkommen erarbeiteten Grundsätze können, da sich auch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 an dem Abkommen orientiert, ohne weiteres für die Auslegung der Verordnung herangezogen werden. 2. a) Die Aussetzung bei einer doppelten Anhängigmachung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten richtet sich nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Danach "setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht". b) Angerufen ist nach Art. 30 Nr. 1 der Verordnung ein Gericht "zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken". 3. Eine Aussetzung des Rechtsstreits in Deutschland kommt danach nicht in Betracht, der Kläger bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Berlin seine Klage bereits eingereicht hatte, als er in Madrid Klage erhob; vielmehr hat hier das spanische Gericht (Juzgado de lo Social Nr. 38) bzw. das für die Überprüfung seines Urteils zuständige Berufungsgericht in Madrid, sein Verfahren auszusetzen. 4. Eine Aussetzung des Rechtsstreits in Deutschland lässt sich auch nicht auf Art. 37 Abs. 1 der Verordnung stützen, da das beklagte Königreich Spanien nicht etwa die Anerkennung der in Spanien ergangenen gerichtlichen Entscheidung, sondern lediglich des spanischen Verfahrens fordert, was jedoch nicht der Vorschrift unterfällt. 5. Eine Vorgreiflichkeit der spanischen Entscheidung, die eine Aussetzung nach § 148 ZPO rechtfertigen würde, käme nach den europarechtlichen Vorgaben eindeutig nur dann in Betracht, wenn die spanischen Gerichte tatsächlich schneller rechtskräftig entschieden als die deutschen Gerichte (Art. 34 Nr. 3 der Verordnung).

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. März 2007 - 18 Ta 467/07 - aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. November 2006 - 86 Ca 405/06 - abgeändert.

Das Verfahren wird nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung oder Aussetzung des Berufungsverfahrens für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Sozialgericht (Juzgado de lo Social) Madrid, Az.: 78/2006, ausgesetzt.

Normenkette:

EuGVÜ (Brüsseler Übereinkommen - Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (ABl. L 304, S. 1 und - geänderter Text - S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1), vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl. L 285, S. 1) und vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden (ABl. 1997, C 15, S. 1 geänderten Fassung) Art. 1 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art.30 Nr. 1; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 34 Nr. 1; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 34 Nr. 3; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 35 Abs. 3; Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) Art. 37 Abs. 1; ZPO § 148 ;

Gründe:

I. Der Kläger, Pförtner und Hausmitarbeiter der Spanischen Botschaft in Berlin, und das Königreich Spanien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers zum beklagten Königreich weiterbesteht.

Der Kläger ist am 25. Januar 1940 in Spanien geboren. Er war für das beklagte Königreich seit 1985 tätig, zuletzt als Hausmeister und Fahrer für die Botschaft in Berlin. Nachdem der Kläger 65 Jahre alt wurde und weiterarbeiten wollte, schlossen die Parteien am 23. Februar 2005 in spanischer Sprache einen schriftlichen Arbeitsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem 66. Geburtstag des Klägers, also am 25. Januar 2006, enden sollte. Mit Schreiben vom 15. November 2005 vertrat der Kläger gegenüber der Botschaft die Ansicht, die Befristung sei unwirksam, und begehrte eine Verlängerung seines Arbeitsvertrages bis zum 31. Januar 2007.

Darauf antwortete die Botschaft in spanischer Sprache unter dem 15. Dezember 2005 mit einem Schreiben, das - durch eine allgemein beeidigte Übersetzerin ins Deutsche übertragen - wie folgt lautet:

"Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Kooperation beschlossen hat, in Einklang mit Klausel 9d Ihres Arbeitsvertrages vom 23. Februar 2005, aufgrund der Notwendigkeit einer Restrukturierung des Dienstes Ihr Rentenalter nicht zu erhöhen. Daher endet Ihr Dienst am 25. Januar 2006.

..."

Am 5. Januar 2006 erschien der Kläger auf der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Berlin und erhob Klage mit dem Antrag festzustellen, "dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 nicht aufgelöst worden ist". In der Begründung der Klage hieß es, der Kläger wolle am Bestand des Arbeitsverhältnisses aus allen sich bietenden Rechtsgründen festhalten. Sie erwähnte zudem, dass er mit Schreiben vom 15. November 2005 einen Antrag gestellt habe, in dem er um Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses um ein Jahr gebeten habe. Diesem Antrag sei nicht entsprochen und ihm mit Datum vom 15. Dezember 2005 eine Kündigung zugesandt worden. Die Klage wurde dem Königreich Spanien auf diplomatischem Wege am 9. Juni 2006 zugestellt.

Bereits am 31. März 2006 reichte der Kläger vor dem Juzgado de lo Social Nr. 38 in Madrid eine weitere Klage gegen das beklagte Königreich ein, mit der er die Unwirksamkeit der Befristung und das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend machte. Mit Urteil vom 5. Mai 2006 hat das Gericht diese Klage erstinstanzlich abgewiesen. Das Berufungsverfahren läuft noch.

Am 8. November 2006 fand vor dem Arbeitsgericht Berlin die Güte- und unmittelbar anschließend die Kammerverhandlung statt. In der Kammerverhandlung hat der Kläger den Antrag gestellt festzustellen, "dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung im Vertrag vom 23. Februar 2005 nicht zum 25. Januar 2006 aufgelöst worden ist". Das beklagte Königreich hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Klage sei unzulässig, jedenfalls liege eine unzulässige Klageänderung vor. Die Klage sei zudem verspätet. Außerdem entfalte das erstinstanzliche spanische Urteil bereits Wirkungen, weil es in den Entscheidungsgründen den Parteien die Rechtslage vor Augen geführt habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 8. November 2006 das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des vor dem Sozialgericht (Juzgado de lo Social) Madrid geführten Verfahrens ausgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, wonach Rechtsbeschwerde innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung einzulegen und die Rechtsbeschwerde innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung schriftlich zu begründen sei. Dieser Beschluss wurde den Parteien formlos zugeleitet und ging dem Klägervertreter am 10. April 2007 zu.

Eingehend beim Bundesarbeitsgericht am 10. Mai 2007 bestellten sich die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers und zeigten an, sie würden "nunmehr die rechtlichen Interessen des Klägers und Beschwerdeführers vertreten" und legten Rechtsbeschwerde ein. Am 1. Juni 2007 stellte das Landesarbeitsgericht den Prozessbevollmächtigten, die den Kläger vor dem Arbeits- und dem Landesarbeitsgericht vertreten hatten, den angefochtenen Beschluss förmlich zu. Mit Eingangsdatum 8. Juni 2007 beantragten die neu bestellten Prozessbevollmächtigten beim Bundesarbeitsgericht eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bis zum 10. Juli 2007. Nach Stattgabe ging die Beschwerdebegründung an diesem Tage beim Bundesarbeitsgericht ein.

Das beklagte Königreich hat die Aussetzung im Verfahren über die sofortige Beschwerde verteidigt und hält an diesem Standpunkt im Rechtsbeschwerdeverfahren fest.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Fristen für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde sind eingehalten.

a) Eine den Fristbeginn auslösende Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 575 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 ZPO ) erfolgte nicht dadurch, dass dieser den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers formlos zuging.

Die formlose Zuleitung des Beschlusses an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10. April 2007 steht einer förmlichen Zustellung nicht gleich. Insbesondere ist § 189 ZPO nicht anwendbar. Hier geht es um eine vom Gericht unterlassene Zustellung. Es liegt schon kein Zustellungsauftrag (§ 176 ZPO ) vor. Auf derartige Fallgestaltungen ist § 189 ZPO nicht anwendbar. Er gilt nur, wenn das Gericht mit Zustellwillen gehandelt hat (BGH 26. November 2002 - VI ZB 41/02 - NJW 2003, 1192 , zu II 1 c der Gründe).

b) Ob eine Zustellung wirksam durch die spätere förmliche Zustellung an die zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Dritten Rechtszug andere Bevollmächtigte bestellt hatten (vgl. § 172 ZPO ), kann dahinstehen.

aa) Wurde die Zustellung am 1. Juni 2007 bewirkt, sind - gemessen von diesem Zeitpunkt - die im Rechtsbeschwerdeverfahren geltenden Fristen eingehalten.

(1) Das gilt zunächst für die Frist von einem Monat für die Einlegung der Beschwerde, die mit der Zustellung beginnt. Dass das Rechtsmittel bereits vor der Zustellung und damit vor dem gesetzlich festgelegten Fristbeginn eingelegt wurde, ist unerheblich. Das ist möglich, da eine Begründung (hier nach § 575 Abs. 2 und 3 ZPO ) nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH 24. Juni 1999 - I ZR 164/97 - NJW 1999, 3269 , zu II 3 der Gründe). Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist jedoch, dass die Entscheidung bereits in der Welt ist (RG 7. Februar 1925 - IV 396/24 - RGZ 110, 169 , 170). Das ist hier der Fall. Beschlüsse sind von dem Augenblick an in der Welt, in dem sie formlos mitgeteilt wurden. Das ist unabhängig davon, ob eine Verkündung oder Zustellung gesetzlich (§ 329 Abs. 2 und 3 ZPO ) vorgesehen ist (BGH 27. Oktober 1999 - XII ZB 18/99 - FamRZ 2000, 813, zu II 1 c der Gründe).

(2) Vor Ablauf der Begründungsfrist, die ebenfalls einen Monat nach Zustellung des Beschlusses (§ 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO ) und damit am 2. Juli 2007 ablief, hat der Kläger eine Verlängerung der Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt. Diesem Antrag wurde, wie es § 575 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO ermöglicht, stattgegeben. Die auf den 10. Juli 2007 verlängerte Frist hat der Kläger eingehalten.

bb) War die Zustellung nicht ordnungsgemäß, so wäre der wirksam gewordene Beschluss zulässiger Weise vor Beginn der im Rechtsmittelverfahren geltenden Fristen eingelegt und begründet worden.

2. Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens liegen nicht vor.

a) Die europarechtlichen Voraussetzungen einer Aussetzung sind nicht gegeben.

aa) Anwendbar ist - wovon auch die Vorinstanzen zu Recht ausgegangen sind - die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Dem steht nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall ein Mitgliedsstaat der EG, das Königreich Spanien, beklagt ist. Für das EuGVÜ hat der Europäische Gerichtshof entschieden (15. Februar 2007 - C-292/05 - [Lechouritou]), dass auch Rechtsstreitigkeiten zwischen Behörden und einer Privatperson unter dieses Abkommen fallen, soweit nicht die Behörde einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse führt (Rn. 31 ff.). Das Abkommen ist dann auch auf Klagen gegen Vertragsstaaten anwendbar. Die zu diesem Übereinkommen erarbeiteten Grundsätze können, da sich auch die EuGVVO an dem Abkommen orientiert (dazu Erwägungsgrund 5), ohne weiteres für die Auslegung der Verordnung herangezogen werden.

Die EuGVVO wäre deshalb allenfalls dann nicht anzuwenden, wenn das Königreich Spanien wegen der Grundsätze der Staatenimmunität von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit wäre (§ 20 Abs. 2 GVG ). Darauf beruft sich das beklagte Königreich zu Recht nicht. Eine solche Befreiung läge nur vor, wenn der Kläger hoheitliche Funktionen ausgeübt hätte (BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - BAGE 113, 327, zu A I 2 der Gründe mwN). Das ist bei einer Hausmeister- und Fahrertätigkeit nicht der Fall.

bb) Das gleichzeitig in Spanien laufende Verfahren führt nicht zu einer Aussetzung nach der EuGVVO.

Die Aussetzung bei einer doppelten Anhängigmachung von Klagen bei Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten - wie sie hier vorliegt - richtet sich nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO. Danach "setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht". Angerufen ist nach Art. 30 Nr. 1 EuGVVO ein Gericht "zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken". Eine Aussetzung kommt danach nicht in Betracht. Vielmehr hätte hier das spanische Gericht, der Juzgado de lo Social Nr. 38 bzw. das für die Überprüfung seines Urteils zuständige Berufungsgericht in Madrid, sein Verfahren auszusetzen. Das ergibt sich daraus, dass der Kläger bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Berlin seine Klage bereits eingereicht hatte, als er in Madrid Klage erhob. Der Kläger hat die Zustellung nicht verzögert.

Aus der von der Rechtsantragstelle erhobenen Klage war auch - unabhängig von dem missverständlich formulierten Klageantrag - ohne weiteres ersichtlich, was das Klageziel des Klägers war, nämlich die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Auch alleine unter Berücksichtigung des deutschen Textes, auf den es nach § 9 Abs. 2 ArbGG iVm. § 184 GVG ankommt, war erkennbar, was der Kläger beabsichtigte. Er wollte unter allen rechtlichen Gesichtspunkten den nicht verlängerten, also befristeten Arbeitsvertrag aufrechterhalten, ohne dass das von ihm eingereichte Schreiben dem entgegenstehen sollte. Das schloss auch die Überprüfung der Befristungsgründe ein.

cc) Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liegen auch die Voraussetzungen einer Aussetzung nach Art. 37 Abs. 1 EuGVVO nicht deswegen vor, weil das beklagte Königreich im Rechtssinne die Anerkennung des erstinstanzlichen spanischen Urteils verlangt hätte, so dass der Rechtsstreit auch nicht unter diesem Gesichtspunkt ausgesetzt werden kann. Diese Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung geltend gemacht wird, womit die Geltendmachung als prozessuale Einrede ausgestaltet ist. Das ergibt sich auch daraus, dass der Partei, die eine Anerkennung geltend macht, in Art. 53 Abs. 1 EuGVVO Nachweispflichten auferlegt werden. Eine derartige Einrede hat das beklagte Königreich nicht erhoben:

Anerkennung in diesem Sinne bedeutet, dass die Entscheidung rechtliche Verbindlichkeit erlangt hat, die auch im Verfahren vor dem deutschen Gericht zu berücksichtigen wäre. Das beklagte Königreich müsste also nicht nur eine faktische Wirkung - etwa im Sinne überzeugender Argumente - des spanischen Urteils vorbringen, sondern geltend machen, dieses Urteil würde nach dem maßgeblichen Recht, sei es deutsches oder spanisches, bereits zumindest vorübergehend verbindlich sein, etwa im Sinne einer vorläufigen Rechtskraft (vgl. zum Begriff der Anerkennung Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 328 Rn. 20). Derartiges macht das beklagte Königreich nicht geltend. Die bloße Tatsache, dass das spanische Gericht den Parteien "mit den Entscheidungsgründen" etwas "vor Augen geführt hat", worauf sich das beklagte Königreich beruft, reicht nicht aus. Das beklagte Königreich stützt sich nicht darauf, dass nach spanischem Recht dem Urteil bereits jetzt eine anzuerkennende nicht nur faktische, sondern auch rechtliche Wirkung zukäme. Das ist auch nicht ersichtlich (vgl. Zöller/Geimer ZPO § 328 Rn. 47, wonach die meisten Prozessordnungen eine Rechtskraft erst bei Unanfechtbarkeit kennen, abweichende Standpunkte jedoch in Frankreich und im angloamerikanischen Rechtsbereich vertreten werden). Nach deutschem Recht hat das nicht rechtskräftige spanische Urteil ohnehin keine anerkennungsfähige Wirkung (§ 705 ZPO ).

Letztlich begehrt das beklagte Königreich nicht die Anerkennung des spanischen Urteils, sondern des spanischen Verfahrens. Dies ist eindeutig kein Fall von Art. 37 Abs. 1 EuGVVO.

b) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen einer Aussetzung in direkter oder entsprechender Anwendung von § 148 ZPO vor.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, dass den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, das die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Es kann offen bleiben, ob diese Bestimmung hier überhaupt neben der EuGVVO unmittelbar oder entsprechend herangezogen werden kann und ob dem entgegensteht, dass das spanische Verfahren nicht nur eine Vorfrage betrifft, sondern einen identischen Streitgegenstand (vgl. zur Abgrenzung Reichold in Thomas/Putzo 28. Aufl. § 148 ZPO Rn. 3). Sie ist jedenfalls ihrem Zweck nach hier nicht anwendbar.

aa) Nicht auszuschließen ist allerdings, dass das Ergebnis des spanischen Verfahrens hier anzuerkennen, also dann auch möglicherweise vorgreiflich wäre.

Nach Art. 34 Nr. 3 EuGVVO ist eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedsstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist. Nach dieser Regel käme es für die Anerkennungsfähigkeit der spanischen Entscheidung darauf an, ob die dortige Entscheidung schneller ergeht als die hiesige. Ist das der Fall, wäre sie anzuerkennen. Diese Rechtsfolge käme allerdings nur zum Tragen, wenn nicht weitere Anerkennungshindernisse bestehen. Das ist nicht auszuschließen: Es wäre denkbar, bei einem Verstoß gegen die Aussetzungspflicht nach Art. 27 EuGVVO ein ungeschriebenes Anerkennungshindernis anzunehmen. Selbst wenn man der EuGVVO ein derartiges ungeschriebenes Anerkennungshindernis nicht entnehmen will, könnte sich die Frage stellen, ob ihre Verletzung eine Verweigerung der Anerkennung einer trotzdem ergangenen Entscheidung wegen Verstoßes gegen den ordre public (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO) ermöglicht. Immerhin liegt darin eine - zumindest objektive - Verletzung des Hoheitsrechtes des EG-rechtlich zur Entscheidung berufenen Mitgliedsstaates. Fraglich wäre, ob - wie das Arbeitsgericht meint - Art. 35 Abs. 3 EuGVVO dem entgegensteht. Diese Bestimmung betrifft nur Regeln über die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedsstaates; die internationale und örtliche Zuständigkeit nach den Regeln der EuGVVO steht hier aber nicht in Frage.

bb) Diese Fragen können beim derzeitigen Verfahrensstand aber dahingestellt bleiben. Jedenfalls käme nach den europarechtlichen Vorgaben eine Vorgreiflichkeit des spanischen Verfahrens eindeutig nur dann in Betracht, wenn die spanischen Gerichte tatsächlich schneller rechtskräftig entschieden als die deutschen Gerichte. Wäre dies nicht der Fall, wäre die spanische Entscheidung in keinem Falle anerkennungsfähig. Dem stünde ohne weiteres Art. 34 Nr. 3 EuGVVO entgegen. § 148 ZPO dient aber dazu, die Vorgreiflichkeit anderweitiger Entscheidungen zu respektieren, nicht jedoch sie erst herbeizuführen. Darauf liefe seine Anwendbarkeit im vorliegenden Falle aber hinaus.

3. Entgegen der Ansicht des beklagten Königreichs steht auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) der Fortsetzung des Verfahrens nicht entgegen.

Es ist dem Kläger unbenommen, von den für ihn günstigen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Hier kommt hinzu, dass wegen des zeitaufwändigen Zustellungsweges der vorliegende Rechtsstreit zunächst nicht effektiv betrieben werden konnte. Dem beklagten Königreich steht es frei, von sich aus das spanische Gericht über das hiesige Verfahren zu informieren und zu versuchen, eine Aussetzung zu erreichen. Es ist ihm also nicht verwehrt, sich gegen eine EG-rechtlich möglicherweise unzulässige doppelte Inanspruchnahme zu wehren. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Klägers im Rechtsbeschwerdeverfahren, er habe seinerseits zwischenzeitlich auf eine Aussetzung des spanischen Verfahrens hingewirkt, berücksichtigt werden kann.

4. Hinsichtlich der Aussetzungsentscheidung war es nicht erforderlich, ein Vorlageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung europarechtlicher Fragen einzuleiten. Soweit es auf europarechtliche Fragen ankam, waren diese eindeutig aus dem Text der Verordnung und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zu beantworten - acte claire (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - 283/81 - [SRL C.I.L.F.I.T] EuGHE 1982, 3415).

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten sind weder für das Beschwerde- noch für das Rechtsbeschwerdeverfahren angefallen, nachdem beide Rechtsmittel nicht zurückgewiesen oder zurückgenommen bzw. verworfen wurden (Nr. 8614 und 8623 sowie 8624 des Kostenverzeichnisses zum GKG ). Im Übrigen betrifft das Verfahren einen prozessualen Zwischenstreit, dessen weitere Kosten zu den Kosten des Ausgangsverfahrens gehören (vgl. BAG 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06 -, zu B III der Gründe).

Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, vom 30.03.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 18 Ta 467/07
Vorinstanz: ArbG Berlin, vom 08.11.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 86 Ca 405/06