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BGH - Entscheidung vom 25.09.2006

II ZR 108/05

Normen:
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 266a

Fundstellen:
AuA 2007, 106
BGHReport 2007, 11
BKR 2007, 288
DB 2006, 2681
DStR 2006, 2185
DZWIR 2007, 239
GmbHR 2006, 1332
MDR 2007, 338
NJW 2006, 3573
NZG 2007, 904
NZI 2007, 368
VersR 2007, 213
WM 2006, 2134
ZIP 2006, 2127

BGH, Urteil vom 25.09.2006 - Aktenzeichen II ZR 108/05

DRsp Nr. 2006/27640

Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen bei Fehlen finanzieller Mittel

»Der Geschäftsführer einer GmbH ist wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung auch dann gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB haftungsrechtlich verantwortlich, wenn die GmbH zwar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, er es jedoch pflichtwidrig unterlassen hat, die Erfüllung dieser Verpflichtung durch Bildung von Rücklagen, notfalls auch durch Kürzung der Nettolohnzahlung sicherzustellen (st. Rspr. vgl. BGHZ 134, 304 , 309).«

Normenkette:

BGB § 823 Abs. 2 ; StGB § 266a ;

Tatbestand:

Der Beklagte war im Jahr 2003 Geschäftsführer der C. GmbH, auf deren am 24. April 2003 gestellten Antrag am 1. Juni 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Die spätere Insolvenzschuldnerin zahlte dem bei ihr tätigen Arbeitnehmer B. für den Monat Februar 2003 den Nettolohn, blieb jedoch den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung in Höhe von 609,49 EUR schuldig; sie beglich diesen ausstehenden Betrag auch nicht, als im April 2003 eine Zahlung von 50.000,00 EUR bei ihr einging. Die klagende - zum 1. Januar 2005 mit der zuständigen Einzugstelle vereinigte - Betriebskrankenkasse verlangt von dem Beklagten, gestützt auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB , Ersatz dieses Betrages.

Der Beklagte hat sich darauf berufen, ihm sei die Abführung des Arbeitnehmeranteils zum Fälligkeitszeitpunkt (15. März 2003) nicht möglich gewesen. Die Gesellschaft habe nicht über die erforderlichen Zahlungsmittel verfügt, sie habe sich Ende Februar/Anfang März 2003 in einem erheblichen Liquiditätsengpass befunden. Er habe auf die - nicht eingehaltenen - Zusicherungen der niederländischen Muttergesellschaft vertraut, dass der Gesellschaft Ende März bzw. Ende April liquide Mittel zufließen würden. Die Gesellschaft sei spätestens zum 1. März 2003 wegen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit insolvenzreif gewesen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen Revision - verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die spätere Insolvenzschuldnerin habe am 15. März 2003, dem Fälligkeitszeitpunkt der Arbeitnehmerbeiträge für Februar 2003, nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um diese Verpflichtung zu erfüllen. Die Klägerin sei der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast, dass dem Beklagten die Abführung der Arbeitnehmeranteile möglich gewesen wäre, nicht nachgekommen. Die Nichtbegleichung der Beitragsschuld aus den der Gesellschaft im April 2003 zugeflossenen Mitteln führe nicht zur Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB , vielmehr lasse die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung zum Fälligkeitszeitpunkt die Tatbestandsmäßigkeit des § 266 a StGB entfallen.

II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Geschäftsführer nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB nicht haftet, soweit ihm die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zum Fälligkeitszeitpunkt mangels verfügbarer Mittel nicht möglich war, und dass die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Möglichkeit normgemäßen Verhaltens des Geschäftsführers bei der Sozialkasse liegt (BGHZ 133, 370 , 379 f.; BGH, Urt. v. 11. Dezember 2001 - VI ZR 123/00, ZIP 2002, 261 , 262 f. und - VI ZR 350/00, ZIP 2002, 524 ; Sen.Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026 , 1028).

2. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht jedoch verkannt, dass die Tatbestandsmäßigkeit i.S.des § 266 a Abs. 1 StGB hier nicht wegen Unmöglichkeit der Entrichtung der geschuldeten Beitragsleistung aufgrund fehlender Mittel ausgeschlossen ist, weil der Beklagte den Nettolohn für den betreffenden Monat in voller Höhe ausgezahlt hat.

Der Geschäftsführer hat als Arbeitgeber i.S.von § 266 a StGB dafür Sorge zu tragen, dass ihm die zur ordnungsgemäßen Abführung der - auf den geschuldeten Lohn entfallenden - Arbeitnehmeranteile notwendigen Mittel bei Fälligkeit zur Verfügung stehen. Drängen sich wegen der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft deutliche Bedenken auf, dass zum Fälligkeitszeitpunkt ausreichende Zahlungsmittel vorhanden sein werden, muss der Geschäftsführer nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 133, 370 , 379 f.; BGHZ 134, 304 , 308 f.; Sen.Urt. v. 15. September 1997 - II ZR 170/96, ZIP 1998, 42 , 43 = BGHZ 136, 332 ; BGH, Urt. v. 14. November 2000 - VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80 , 81) durch Bildung von Rücklagen, notfalls durch Kürzung der Nettolöhne sicherstellen, dass am Fälligkeitstag die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung fristgerecht an die zuständige Einzugsstelle entrichtet werden können.

Gegen diese Pflicht hat der Beklagte verstoßen. Er hat am 7. März 2003 - nur wenige Tage vor Fälligkeit des für Februar 2003 geschuldeten Arbeitnehmerbeitrags - den Nettolohn für diesen Monat ungekürzt ausgezahlt, obwohl er wusste, dass er die Beitragsschuld bei Fälligkeit nicht würde erfüllen können. Denn nach seinem eigenen Vorbringen konnte er nicht erwarten, dass der Gesellschaft, die schon Ende Februar/Anfang März einen erheblichen Liquiditätsbedarf hatte, bis zum Fälligkeitszeitpunkt am 15. März liquide Mittel zufließen würden.

Dafür, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der verspäteten Lohnzahlung im insolvenzrechtlichen Sinne zahlungsunfähig war, ergeben sich aus dem in sich widersprüchlichen und nicht konkretisierten Vortrag des Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte.

3. Das Berufungsurteil unterliegt deshalb der Aufhebung, ohne dass es auf den - von den Instanzgerichten für maßgeblich erachteten - späteren Liquiditätszufluss und die von dem Berufungsgericht für rechtsgrundsätzlich erachtete Frage ankommt.

mit Kurzkommentar, AuA 2007, 106

Vorinstanz: LG Bückeburg, vom 08.03.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 2 S 71/04
Vorinstanz: AG Stadthagen, vom 27.10.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 41 C 253/04 (II)
Fundstellen
AuA 2007, 106
BGHReport 2007, 11
BKR 2007, 288
DB 2006, 2681
DStR 2006, 2185
DZWIR 2007, 239
GmbHR 2006, 1332
MDR 2007, 338
NJW 2006, 3573
NZG 2007, 904
NZI 2007, 368
VersR 2007, 213
WM 2006, 2134
ZIP 2006, 2127