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BGH - Entscheidung vom 26.01.2006

5 StR 514/05

Normen:
StGB § 63

Fundstellen:
NStZ-RR 2006, 136

BGH, Beschluß vom 26.01.2006 - Aktenzeichen 5 StR 514/05

DRsp Nr. 2006/2761

Voraussetzungen für die Annahme einer künftigen Gefährlichkeit

Die Anordnung der Maßregel des § 63 StGB erfordert eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades hinsichtlich neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens.

Normenkette:

StGB § 63 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung, Betruges in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, wegen Körperverletzung, versuchter Nötigung und Sachbeschädigung in zwei Fällen unter Einbeziehung anderweitig verhängter Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten bleibt - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. November 2005 zutreffend ausgeführt hat - zum Schuldspruch und zu den Strafaussprüchen erfolglos. Das Rechtsmittel führt aber zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.

Zwar hat das Landgericht für die in eine von Oktober 1997 bis April 1999 begangene Betrugsserie eingebettete Anlasstat, einen erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung vom 11. Dezember 1998 zum Nachteil von zwei Betrugsopfern, mit nachvollziehbarer Begründung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Die für eine Maßregel nach § 63 StGB weiter erforderliche Wahrscheinlichkeit höheren Grades hinsichtlich neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16; BGH NStZ-RR 2003, 232 ) wird aber mit der knappen Gesamtwürdigung des Landgerichts nicht belegt. Diese erfasst nicht die gesamte Persönlichkeit des Angeklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptverhandlung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB , 53. Aufl. § 63 Rdn. 20 m.w.N.).

Das Landgericht hat die den mitgeteilten Verurteilungen des Angeklagten vom 23. Juni 2000, 15. August 2000, 20. Januar 2004 (jeweils Amtsgericht Goslar) und 5. Juli 2004 (Amtsgericht Braunschweig) zugrunde liegenden Taten nicht in die Würdigung mit einbezogen. Die durch die zahlreichen, vornehmlich an Angehörige von Strafverfolgungsbehörden gerichteten Schreiben des Angeklagten bewirkten Beleidigungen, Verleumdungen, Bedrohungen, versuchte Nötigungen und Körperverletzungen hätten aber - zumal bei überwiegend zugebilligter erheblich verminderter Schuldfähigkeit - Erkenntnismöglichkeiten darstellen können, die Aufschluss über einen etwaigen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem seelischen Zustand des Angeklagten und dessen - im Zeitpunkt der Hauptverhandlung eventuell auch verminderter - Gefährlichkeit hätten geben können. Darauf wäre die Sachaufklärung bei der hier lange zurückliegenden Anlasstat zu erstrecken gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 1995 - 4 StR 146/95).

Solches wird der neue Tatrichter vorzunehmen haben. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei der hier vorliegenden bloßen Lückenhaftigkeit der bisherigen Feststellungen nicht. Der neue Tatrichter wird im Rahmen der Prüfung, ob die Unterbringung erforderlich ist, auch berücksichtigen können, dass der Angeklagte sogar überwiegend uneingeschränkt schuldfähig gewesen ist, so dass gegen ihn als Mittel der Einwirkung vornehmlich die Strafe zur Verfügung gestanden hat (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 16 m.w.N.).

Vorinstanz: LG Braunschweig, vom 03.06.2005
Fundstellen
NStZ-RR 2006, 136