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BGH - Entscheidung vom 20.11.2006

II ZR 6/06

Normen:
ZPO § 138 Abs. 4

BGH, Beschluß vom 20.11.2006 - Aktenzeichen II ZR 6/06

DRsp Nr. 2006/30177

Voraussetzungen des Bestreitens mit Nichtwissen

Eine Partei hat grundsätzlich eine Erkundigungspflicht hinsichtlich Vorgängen im eigenen Unternehmen. Das gilt aber nicht, wenn die Partei nicht mehr in dem Unternehmen tätig ist.

Normenkette:

ZPO § 138 Abs. 4 ;

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das gilt zum einen für die Annahme, der Vortrag des Beklagten in der Berufungserwiderung, zur Jahreswende 1997/1998 hätten die Gesellschafter der Klägerin den Beschluss gefasst, dass die Klägerin die Krankenversicherungsbeiträge des Beklagten zahle, sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Dabei kann offen bleiben, ob der Beklagte - wie die Nichtzulassungsbeschwerde rügt - diesen Vortrag dem Sinn nach schon im ersten Rechtszug gehalten hatte. Denn jedenfalls hat das Berufungsgericht verkannt, dass gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren zuzulassen sind, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der von dem Gericht des ersten Rechtszuges für unerheblich gehalten worden ist.

Diese Voraussetzung ist - wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht geltend macht - hier erfüllt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Zahlungen an die Versicherungsgesellschaft seien jedenfalls deshalb nicht zu erstatten, weil sie auf einer Weisung der Muttergesellschaft der Klägerin beruht hätten, also der zu jener Zeit mit einem Kapitalanteil von 51 % an der Klägerin beteiligten m. Handelsgesellschaft mbH. Ob die Gesellschafter der Klägerin - zusätzlich also auch der Beklagte als damals zu 49 % beteiligter Mitgesellschafter - einen förmlichen Beschluss gefasst hatten, war danach unerheblich.

2. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör weiter dadurch verletzt, dass es den Vortrag des Beklagten, er bestreite die Zahlungen der Klägerin an die Versicherungsgesellschaft - in der behaupteten Höhe - mit Nichtwissen, unberücksichtigt gelassen hat. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässig, wenn die betreffende Tatsache weder eine eigene Handlung der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen ist. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass der Beklagte persönlich die Beträge überwiesen hat oder dass er diese Vorgänge persönlich wahrgenommen hat.

Zwar hat der Bundesgerichtshof eine Erkundigungspflicht der Partei angenommen bei Vorgängen in dem eigenen Unternehmen oder einem unter Anleitung und Aufsicht des eigenen Unternehmens tätig gewordenen anderen Unternehmen (BGH, Urt. v. 7. Oktober 1998 - VIII ZR 100/97, ZIP 1998, 1965 , 1967). Das gilt aber dann nicht, wenn die Partei - wie hier der Beklagte - nicht mehr in dem Unternehmen tätig ist. Auch ist der Beklagte nicht verpflichtet, sich bei seinem Krankenversicherer nach den dort eingegangenen Zahlungen zu erkundigen, zumal die Klägerin nicht geltend macht, in Beweisschwierigkeiten zu sein, sondern sogar die Vorlage der Buchungsbelege angeboten hat.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Gesellschafter einer GmbH rechtlich ohne weiteres in der Lage, nicht nur die Gewinne, sondern auch das übrige Vermögen der Gesellschaft auf sich zu übertragen oder zur Deckung eigener Schulden zu verwenden, wenn sie sich einig sind und nicht zum Nachteil der Gläubiger gegen § 30 GmbHG verstoßen (BGHZ 95, 330 , 340; Sen.Urt. v. 12. Dezember 1983 - II ZR 14/83, ZIP 1984, 170). Diese Voraussetzungen sind hier für die Zeit, in der - unmittelbar oder mittelbar - allein der Beklagte und seine Ehefrau an der Klägerin beteiligt waren, nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten erfüllt. Für die Zeit danach kommt es dagegen darauf an, ob zuvor die Gesellschafter der Klägerin einen ausdrücklichen oder konkludenten in die Zukunft wirkenden Beschluss gefasst haben.

b) Im Übrigen hat das Berufungsgericht gegebenenfalls der Behauptung der Klägerin nachzugehen, der Beklagte als ihr seinerzeitiger Geschäftsführer habe entsprechende gegen ihn gerichtete Erstattungsforderungen in den Jahresabschlüssen verbucht. Sollte das der Fall sein, könnte der Vortrag des Beklagten zu dem Einverständnis mit den Versicherungszahlungen widersprüchlich und damit unbeachtlich sein. Die Klägerin hat im Rahmen der neu eröffneten Berufungsverhandlung Gelegenheit, die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die zugrunde liegenden Buchungsunterlagen vorzulegen, so dass sich der Beklagte dazu erklären kann.

Vorinstanz: KG, vom 08.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 23 U 159/04
Vorinstanz: LG Berlin, vom 24.06.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 27 O 402/03