Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 20.07.2006

III ZR 280/05

Normen:
BauGB § 66 § 189

Fundstellen:
BGHReport 2006, 1347
BGHZ 168, 346
DVBl 2006, 1324
DÖV 2007, 77
NVwZ 2007, 118
UPR 2006, 390
ZfBR 2007, 50

BGH, Urteil vom 20.07.2006 - Aktenzeichen III ZR 280/05

DRsp Nr. 2006/22463

Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des Umlegungsplans

»Die Erfüllung der sich für die Gemeinde aus § 189 BauGB ergebenden Verpflichtungen zur Verbesserung der Agrarstruktur ist grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der im Umlegungsverfahren nach den §§ 45 - 79 BauGB von der Umlegungsstelle zu treffenden Entscheidungen (hier: des Umlegungsplans).«

Normenkette:

BauGB § 66 § 189 ;

Tatbestand:

Der Beteiligte zu 1, der Landwirtschaft als Nebenerwerb betreibt, ist Eigentümer von fünf landwirtschaftlich genutzten Grundstücken in der Gemarkung E., eines Stadtteils von P. (der Beteiligten zu 2; im Folgenden: Stadt). Es handelt sich um zwei jeweils zusammenhängende Flächen von 2.699 m² bzw. von 1.880 m² [(Gesamtgröße: 4.579 m²)]. Beide Flächen liegen im Bereich des Anfang August 2000 bekannt gemachten Bebauungsplans "A. T." der Stadt, dessen Ziel es ist, im Anschluss an den Stadtteil E. - unter Inkaufnahme erheblicher Eingriffe in bisher landwirtschaftliche Bereiche - in größerem Umfang Wohnbauland bereitzustellen. Zugleich mit dem Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan ordnete die Stadt für einen Teilbereich, der auch die Grundstücke des Beteiligten zu 1 umfasst, die Umlegung an. Im Rahmen der Erörterung des vom Umlegungsausschuss der Stadt (dem Beteiligten zu 3; im Folgenden: Umlegungsausschuss) vorgesehenen Umlegungsplans forderte der Beteiligte zu 1 als Ersatz für die von ihm eingeworfenen Flächen, jedenfalls für den 2.699 m² großen Komplex, die Zuteilung landwirtschaftlicher Nutzfläche in einer dem Einwurfswert entsprechenden Umfang. Die Verhandlungen des Beteiligten zu 1 mit der Stadt über die Bereitstellung von landwirtschaftlichen Flächen derselben außerhalb des Umlegungsgebiets führten jedoch zu keiner Einigung.

Mit dem angefochtenen Umlegungsplan vom 17. April 2002 hat der Umlegungsausschuss dem Beteiligten zu 1 für dessen - als Rohbauland mit unterschiedlicher Erschließungserwartung eingestuften - Einwurfsflächen drei Baugrundstücke zur Größe von insgesamt 2.161 m² zugeteilt und zusätzlich zu dessen Gunsten eine Ausgleichszahlung von 22.435 DM (= 11.470,83 EUR) errechnet. Der Beteiligte zu 1 hat - nach erfolglosem Widerspruch - gegen diesen Umlegungsplan (rechtzeitig) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Landgericht - Kammer für Baulandsachen - hat antragsgemäß den Umlegungsplan aufgehoben. Auf die Berufung der Stadt hat das Oberlandesgericht - Senat für Baulandsachen - den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Umlegungsplan zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beteiligten zu 1.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

Das Berufungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Umlegungsplan des Umlegungsausschusses vom 17. April 2002 rechtmäßig ist.

Das Berufungsgericht hat wie schon das Landgericht keinen Grund zur Beanstandung des dem vorliegenden Umlegungsverfahren zugrunde liegenden Bebauungsplans gesehen. Das ist revisionsrechtlich nicht anders zu sehen.

Ist aber - was auch die Revision nicht in Frage stellt - davon auszugehen, dass die Umlegung einen wirksamen Bebauungsplan mit dem oben beschriebenen Inhalt als Grundlage hat, und dass die Umlegung darüber hinaus auch, soweit es um den Zugriff in die (landwirtschaftlichen) Grundflächen des Beteiligten zu 1 im Umlegungsgebiet geht, erforderlich (§ 46 Abs. 1 BauGB ) ist (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil vom 10. November 1983 - III ZR 131/82 - DVBl. 1984, 337 , 338), so sind sonstige Fehler, die die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Umlegungsplans als solchen begründet haben könnten, nicht ersichtlich.

1. a) Es ist Aufgabe des Umlegungsplans (§ 66 BauGB ), die den Eigentümern der im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ) zustehenden Anteile an der Verteilungsmasse nach dem Verhältnis der eingeworfenen Flächen oder dem Verhältnis der eingeworfenen Werte (hier: Wertmaßstab) zu errechnen und nach Möglichkeit Grundstücke in gleicher oder gleichwertiger Lage wie die eingeworfenen zuzuteilen (siehe insbesondere § 55 Abs. 4 BauGB i.V.m. §§ 56 - 59 BauGB ). Da die Zuteilung entsprechend dem - in erster Linie auf den Ausgleich der privaten Interessen der beteiligten Grundeigentümer gerichteten (BVerfGE 104, 1 , 10) - Sinn und Zweck der Umlegung "aus der Verteilungsmasse" zu erfolgen hat (§ 59 Abs. 1 BauGB ), ist es im Ansatz nicht zu beanstanden, dass der Umlegungsausschuss dem Beteiligten zu 1 auf dessen Soll-Anspruch (§ 57 BauGB ) ebenso wie allen anderen beteiligten Eigentümern ausschließlich Baugrundstücke im Umlegungsgebiet zugeteilt hat. Zuteilungsfähige landwirtschaftliche Grundstücke sind - wie gesagt: entsprechend der Zielsetzung des zugrunde liegenden Bebauungsplans, Wohnbauland auf Kosten früherer landwirtschaftlicher Flächen zur Verfügung zu stellen - im Umlegungsgebiet nicht vorhanden.

b) Die Einzelheiten der Ermittlung des Soll-Anspruchs des Beteiligten zu 1 und der daraus abgeleiteten Zuteilung an diesen im Umlegungsplan, einschließlich der Errechnung des Ausgleichsbetrages in Geld, werden für sich von dem Beteiligten zu 1 nicht in Zweifel gezogen. Insoweit sind auch keine Fehler erkennbar.

2. a) Die Möglichkeit, im Umlegungsplan auch Grundstücke außerhalb des Umlegungsgebiets als Abfindung vorzusehen, besteht nach § 59 Abs. 4 Nr. 2 BauGB nur "mit Einverständnis" der betroffenen Eigentümer. Erforderlich ist also, soweit es um außerhalb des Umlegungsgebiets gelegene landwirtschaftliche Grundstücke der Stadt geht, deren Zustimmung, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Es wäre insoweit also, soweit der Stadt überhaupt solche Flächen zur Verfügung standen und stehen, auf eine Einigung des Beteiligten zu 1 mit der Stadt angekommen. Daran fehlt es hier.

b) Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass der Umlegungsausschuss sich über diesen Tatbestand (fehlendes Einverständnis der Stadt) auch nicht im Blick auf eine - von dem Beteiligten zu 1 in Anspruch genommene - Verpflichtung der Stadt zur Bereitstellung von landwirtschaftlichen Ersatzgrundstücken außerhalb des Umlegungsgebiets hinwegsetzen konnte. Aus den das Umlegungsverfahren betreffenden Vorschriften des Baugesetzbuchs kann eine solche Pflicht der beteiligten Gemeinde - von einzelnen, hier nicht einschlägigen, Sonderregelungen abgesehen (vgl. § 55 Abs. 5 BauGB ; § 59 Abs. 3 , Abs. 5 BauGB ; dazu Schrödter/Stang BauGB 7. Aufl. § 59 Rn. 34, 35 ff.) - nicht hergeleitet werden (Otte, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger BauGB [Stand: November 2000] § 59 Rn. 14).

c) Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, die Stellung der Stadt als Träger der Bauleitplanung, der Umlegung und der Erschließung von Baugebieten verbiete es, sie im Zusammenhang mit § 59 Abs. 4 Nr. 2 BauGB wie einen außenstehenden Dritten anzusehen, der seine Zustimmung geben müsse, um die in seinem Eigentum stehenden Flächen als Abfindung in ein Umlegungsverfahren einzubringen; zwischen dem Umlegungsausschuss einerseits und der Stadt andererseits könne im vorliegenden Zusammenhang nicht differenziert werden.

aa) Der hier gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit der Rheinland-Pfälzischen Landesverordnung über die Umlegungsausschüsse vom 26. März 1981 (GVBl. S. 78; geändert durch Art. 1 der Landesverordnung zur Änderung von Zuständigkeiten in der Vermessungs- und Katasterverwaltung vom 18. März 1997, GVBl. S. 123) tätig gewordene Umlegungsausschuss ist mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen für die Durchführung der Umlegung ausgestattet.

(1) Er führt, lediglich an die Anordnung der Umlegung durch die Gemeinde gebunden, das Verfahren allein nach den gesetzlichen Bestimmungen und seinem (eigenen) pflichtgemäßen Ermessen durch (Löhr, in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB 9. Aufl. § 46 Rn. 13). Zwar ist er ein Organ der Gemeinde, die auch die Haftung für Amtspflichtverletzungen der Ausschussmitglieder trägt (Senatsurteil vom 27. April 1981 - III ZR 71/79 - DVBl. 1981, 926, 927). Er ist aber dieser gegenüber und vor allem gegenüber dem Gemeinderat weisungsunabhängig. Sinn der Aufgabenübertragung auf den Umlegungsausschuss ist es gerade, dass hierdurch die Unabhängigkeit der Umlegungsstelle sowohl gegenüber den Eigentümern als vor allem auch gegenüber der Gemeinde, die als Grundstückseigentümerin in einem Umlegungsgebiet oder aber als Empfängerin von bestimmten Erschließungsflächen keine wirklich neutrale Position für sich beanspruchen kann, sichergestellt wird (vgl. Löhr aaO.).

(2) Umgekehrt muss in einem Umlegungsverfahren, das vom Umlegungsausschuss geführt wird, die Gemeinde, die verfahrensrechtlich immer Beteiligte im Umlegungsverfahren ist (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ), in einem gewissen Umfang, jedenfalls was ihren außerhalb des Planungs- und Umlegungsgebiet gelegenen Grundbesitz angeht, auch als Trägerin eigener (wirtschaftlicher) Interessen gesehen werden.

bb) Daraus folgt, dass im Streitfall einerseits dem Umlegungsausschuss keine Dispositionsbefugnis über außerhalb des Umlegungsgebiets gelegene Grundstücke der Stadt zukam, andererseits aber auch, dass entscheidender Maßstab für die rechtliche Beurteilung des vom Umlegungsausschuss selbständig als Hoheitsakt zu erlassenden Umlegungsplans nicht sein kann, ob und welche "Ermessensentscheidung" der Stadt dazu existiert oder fehlt, ob sie in ihrem Eigentum stehende landwirtschaftliche Nutzflächen als Ersatzland im Sinne des § 59 Abs. 4 Nr. 2 BauGB zur Verfügung stellt.

3. Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Umlegungsplans nach dem System der Vorschriften über das Umlegungsverfahren (§§ 45 ff. BauGB ) ergibt sich hier, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch im Blick auf § 189 Abs. 2 BauGB nichts anderes:

a) Nach dieser Vorschrift soll, wenn bei einer städtebaulichen Maßnahme ein landwirtschaftlicher Betrieb ganz oder teilweise in Anspruch genommen wird, die Gemeinde sich um die Beschaffung oder Bereitstellung geeigneten Ersatzlandes bemühen und ihr gehörende Grundstücke als Ersatzland zur Verfügung stellen, soweit sie diese nicht für die ihr obliegenden Aufgaben benötigt. Diese Bestimmung dient, zusammen mit den weiteren Vorschriften des Achten Teils des Baugesetzbuchs ("städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur") der Abstimmung und Koordination städtebaulicher Maßnahmen mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Die gesetzliche Verpflichtung der Gemeinde, den Eigentümer, der sich dafür entschieden hat, Ersatzland zu erwerben, dabei zu unterstützen, kann unter Umständen zu einem Rechtsanspruch des Betriebseigentümers auf Ersatzlandbeschaffung führen (Krautzberger, in Battis/Krautzberger/ Löhr aaO. § 189 Rn. 6; Roeser, in Berliner Kommentar BauGB 3. Aufl. [Lieferung August 2002] § 189 Rn. 5).

b) Im vorliegenden Verfahren betreffend die (bauland-)gerichtliche Überprüfung des Umlegungsplans eines Umlegungsausschusses im Umlegungsverfahren hat dies jedoch keine Auswirkungen.

aa) Es bestehen bereits Bedenken gegen die im erstinstanzlichen Urteil der Kammer für Baulandsachen geäußerte und auch von der Revision vertretene Ansicht, auf Seiten der Stadt sei gegen § 189 Abs. 2 BauGB verstoßen worden, weil diese überhaupt noch keine Ermessensentscheidung, ob sie eigene landwirtschaftliche Nutzflächen als Ersatzflächen zur Verfügung stellt, getroffen habe, beziehungsweise, weil sie dem Beteiligten zu 1 im Verwaltungsverfahren "kein konkretes Angebot gemacht" [LGU 9] habe.

Dies braucht indessen nicht weiter vertieft zu werden.

bb) Denn selbst wenn der Stadt unter dem Blickwinkel des § 189 Abs. 2 BauGB ein pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen anzulasten wäre, würde dies keinen durchgreifenden Mangel des Umlegungsplans des Umlegungsausschusses begründen. Der Senat schließt sich jedenfalls für die Umlegung der auch in der Fachliteratur, soweit diese sich hierzu äußert, vertretenen (Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger aaO. § 189 Rn. 7; vgl. auch Schriever aaO. Rn. 35) Ansicht des Berufungsgerichts an, dass die Erfüllung der sich für die Gemeinde aus § 189 Abs. 2 BauGB ergebenden Pflichten grundsätzlich nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der betreffenden städtebaulichen Maßnahme ist.

Für das Verhältnis zur Umlegung spricht schon der Regelungszusammenhang zwischen den §§ 45 - 84 BauGB einerseits und den §§ 187 - 191 BauGB andererseits dafür, dass es sich um eigenständig zu beurteilende, von einander grundsätzlich unabhängige, Verfahren und Rechtsverhältnisse handelt. § 189 Abs. 2 BauGB erweitert lediglich die Rechtsposition bestimmter Eigentümer im städtebaulichen Verfahren; die Rechte des Eigentümers aus anderen, gesondert geregelten Verfahren lässt er dagegen unberührt (vgl. Krautzberger, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger aaO.; Schrödter/Breuer aaO. § 189 Rn. 6; Krautzberger, in Battis/Krautzberger/Löhr aaO. § 189 Rn. 5, 6; Schriever aaO. Rn. 37). Zweck und Ausgestaltung speziell des Umlegungsverfahrens, das häufig eine Vielzahl von Eigentümern und umfangreiche städtebaulich umzugestaltende Grundstückskomplexe betrifft, erfordern, dass dieses grundsätzlich allein nach den dafür geltenden besonderen Vorschriften zügig abgewickelt wird. Durch die auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit anzustrebende Bestandskraft des - auf eine wertgleiche Abfindung für alle Beteiligten ausgerichteten - Umlegungsplans gehen dem beteiligten Landwirt etwaige zusätzliche Ansprüche aus § 189 BauGB und ein darauf bezogener (verwaltungs-)gerichtlicher Rechtsschutzanspruch nicht verloren.

Vorinstanz: OLG Koblenz, vom 16.11.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 263/05
Vorinstanz: LG Frankenthal, vom 21.01.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 2/04
Fundstellen
BGHReport 2006, 1347
BGHZ 168, 346
DVBl 2006, 1324
DÖV 2007, 77
NVwZ 2007, 118
UPR 2006, 390
ZfBR 2007, 50