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BGH - Entscheidung vom 08.03.2006

1 StR 60/06

Normen:
StGB § 2 Abs. 3 § 78 Abs. 1 § 224 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 08.03.2006 - Aktenzeichen 1 StR 60/06

DRsp Nr. 2006/7886

Verjährungsfrist bei Erhöhung der Strafrahmenobergrenze

1. Zwar unterfallen schärfere Verjährungsregeln nicht dem Rückwirkungsverbot und sind daher grundsätzlich auch auf zurückliegende Taten anzuwenden sind, sofern diesbezüglich noch keine Verjährung eingetreten war. 2. Anderes gilt jedoch dann, wenn eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf einer nachträglichen Verschärfung der bei der Berechnung zu Grunde zu legenden Höchststrafen beruht. Insoweit verbleibt es gemäß § 2 Abs. 3 StGB auch hinsichtlich der Verjährung bei der Anknüpfung an die mildere Strafdrohung.

Normenkette:

StGB § 2 Abs. 3 § 78 Abs. 1 § 224 Abs. 1 ;

Gründe:

Das Landgericht München II hat den Angeklagten wegen Mordes sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt, festgestellt, dass die Schuld des Angeklagten besonders schwer ist und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

Soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von M. H. (III.A.2.a. der Urteilsgründe) verurteilt wurde, führt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. Februar 2006 aus:

"Hinsichtlich der 1997 begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil von M. H. besteht ein Verfahrenshindernis. Die Tat ist verjährt.

a) Zu Recht ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass gemäß § 2 Abs. 3 StGB nicht die derzeitige, sondern die zur Tatzeit geltende Strafbestimmung der gefährlichen Körperverletzung (§ 223a StGB a.F.) zur Anwendung zu bringen war. Nach Ablauf der an die Strafdrohung dieser Norm anknüpfenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB ) kann die Tat jedoch nicht mehr verfolgt werden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA S. 48) hat sich die Verjährungsfrist nicht durch die Neufassung der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB n.F.) durch Gesetz vom 1. April 1998 auf zehn Jahre verlängert. Zwar trifft im Ansatz zu, dass schärfere Verjährungsregeln nicht dem Rückwirkungsverbot unterfallen und daher grundsätzlich auch auf zurückliegende Taten anzuwenden sind, sofern diesbezüglich noch keine Verjährung eingetreten war (vgl. BGH NStZ 2005, 89 ). Anderes gilt jedoch dann, wenn eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf einer nachträglichen Verschärfung der bei der Berechnung zu Grunde zu legenden Höchststrafen beruht. Insoweit verbleibt es gemäß § 2 Abs. 3 StGB auch hinsichtlich der Verjährung bei der Anknüpfung an die mildere Strafdrohung (BGH NStZ 2006, 32 ; LK-Jähnke, StGB , 11. Aufl., vor § 78 Rdnr. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB , 26. Aufl., § 78 Rdn. 11).

Eine Verjährungsunterbrechung innerhalb des fünfjährigen Verjährungszeitraums ist vorliegend nicht ersichtlich. Die dem Angeklagten vorgeworfene Handlung wurde erstmals in der Vernehmung der Zeugin M. H. vom 16. Februar 2005 (Bl. 601, 610 d.A.), also in bereits verjährter Zeit, zur Sprache gebracht.

b) Soweit Verjährung eingetreten ist, ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Von der teilweisen Einstellung unberührt bleiben jedoch die Schuld- und Strafaussprüche im Übrigen, sowie die Aussprüche über die Gesamtstrafe, über die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und über die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Auch ohne Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von M. H. verbleibt es gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 StGB bei lebenslänglicher Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe. Zu den Feststellungen der besonderen Schuldschwere ist die Schwurgerichtskammer allein schon hinsichtlich des Mordes an G. F. auch ohne Berücksichtigung der weiteren Taten des Angeklagten gelangt (UA S. 56). Schließlich spielte die Tat zum Nachteil von M. H. auch bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung keine Rolle (UA S. 57), zumal insoweit 'nur' eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt wurde, die im Rahmen des § 66 Abs. 2 StGB keine Berücksichtigung finden konnte."

Dem tritt der Senat bei.

Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ).

Vorinstanz: LG München II, vom 30.09.2005