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BGH - Entscheidung vom 29.11.2006

XII ZB 9/04

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1

BGH, Beschluß vom 29.11.2006 - Aktenzeichen XII ZB 9/04

DRsp Nr. 2007/29

Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren

1. Hat nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften eine mündliche Verhandlung stattzufinden, so begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht einer Prozesspartei, sich in dieser Verhandlung zu äußern. Dies gilt jedoch nur dann, wenn auch tatsächlich zivilprozessual die Pflicht besteht, mündlich zu verhandeln. Dies ist nicht der Fall bei der Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig gem. § 519b Abs. 2 ZPO a.F.2. Ist in einem Hinweisbeschluss der Zusatz "neuer Termin von Amts wegen" angefügt, so bindet diese Anordnung das Gericht nicht. Es kann vielmehr jederzeit hiervon wieder Abstand nehmen.

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe:

Die Anhörungsrügen sind zulässig, aber nicht begründet.

I. Anhörungsrüge der Klägerin zu 1:

1. Die Klägerin zu 1 beanstandet, der Senat habe ihr Vorbringen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht vollständig zur Kenntnis genommen und dadurch einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts perpetuiert. Sie sei in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil das Kammergericht entgegen seiner Ankündigung nicht mündlich verhandelt habe. Der Senat gehe zu Unrecht davon aus, die angegriffene Entscheidung beruhe nicht auf diesem Verstoß. Wenn ein Gericht unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe, müsse mit der Rechtsbeschwerde nicht dargelegt werden, was in einer mündlichen Verhandlung über das schriftliche Vorbringen hinaus noch vorgetragen worden wäre. Der Vortrag einer Partei hänge maßgeblich vom Verlauf der Verhandlung und den Äußerungen des Gerichts ab. Bei einer derartigen Fallgestaltung müssten deshalb nur die objektiven Voraussetzungen für einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dargelegt werden. Diese Auffassung entspreche den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2006 (- I ZB 77/05 - MarkenR 2006, 346, 347) und vom 14. Oktober 1999 (- I ZB 15/97 -1 GRUR 2000, 512, 513).

2. Der Senat hat bei seiner Entscheidung den mit der Anhörungsrüge vorgetragenen Angriff bereits in vollem Umfang geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet.

a) Ein Widerspruch zu der zitierten Rechtsprechung des I. Zivilsenats liegt nicht vor. Den Entscheidungen lag jeweils ein Verstoß des Bundespatentgerichts gegen § 69 Nr. 1 MarkenG zugrunde, nach dem auf Antrag eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren mündlich zu verhandeln ist. Habe nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften eine mündliche Verhandlung stattzufinden, begründe der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht einer beteiligten Partei, sich in dieser Verhandlung zu äußern (BGH Beschluss vom 14. Oktober 1999 aaO. S. 513).

b) Vorliegend hatte das Berufungsgericht jedoch zivilprozessual nicht die Pflicht, mündlich zu verhandeln. Vielmehr konnte es durch Beschluss vom 15. Dezember 2003 das Rechtsmittel nach § 519 b Abs. 2 ZPO a.F. als unzulässig verwerfen, weil eine Verhandlung über die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin zu 1 noch nicht stattgefunden hatte, über die nach dem Parteiwechsel allein zu entscheiden war. Der Hinweisbeschluss vom 11. August 2003, der u.a. einen "neuen Termin von Amts wegen" ankündigte, enthielt insoweit lediglich eine nicht bindende Anordnung gemäß § 329 Abs. 1 ZPO , von der das Kammergericht jederzeit wieder Abstand nehmen konnte. Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt deshalb nicht im Unterlassen einer gebotenen mündlichen Verhandlung, sondern im Unterlassen eines Hinweises, nun doch eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu beabsichtigen. Bei einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht ist mit der Rechtsbeschwerde aber darzulegen, was im Falle der Gelegenheit zur Äußerung auf einen ordnungsgemäßen richterlichen Hinweis vorgetragen worden wäre (vgl. BGH Beschluss vom 11. Februar 2003 - XI ZR 153/02 - NJW-RR 2003, 1003, 1004). Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts beruhte nicht auf dem Gehörsverstoß, weil die Rechtsbeschwerde ein schriftsätzliches Vorbringen der Klägerin zu 1 nicht dargelegt hat, das dem Kammergericht überhaupt Veranlassung zu einer mündlichen Verhandlung gegeben hätte.

3. Auch die weitere Rüge der Klägerin zu 1 hat keinen Erfolg. Sie behauptet, der Senat habe nicht zur Kenntnis genommen, dass sie in erster Instanz keinen Parteiwechsel erklärt habe. Sie sei vielmehr davon ausgegangen, bereits die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes hätten zu einem Übergang des Prozessrechtsverhältnisses geführt. In seiner Entscheidung vom 28. Juni 2006 hat der Senat bei der objektiven Auslegung der im Schriftsatz vom 14. September 1999 enthaltenen prozessualen Erklärungen der Klägerinnen auch dieses Vorbringen in vollem Umfang überprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

II. Anhörungsrüge der Klägerin zu 2:

Die Anhörungsrüge der Klägerin zu 2 hat ebenfalls keinen Erfolg. Sie enthält kein Vorbringen, dass der Senat nicht bereits bei seiner Entscheidung über die Rechtsbeschwerde berücksichtigt hat. Die Klägerin zu 2 ist durch den im Berufungsverfahren erklärten Parteiwechsel auf die Klägerin zu 1 aus dem Rechtsstreit ausgeschieden. Ihre Rechtsbeschwerde war damit unzulässig. Der Senat sieht auch hier von einer näheren Begründung entsprechend § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO ab.

Vorinstanz: KG, vom 15.12.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 9691/99
Vorinstanz: LG Berlin, vom 22.09.1999 - Vorinstanzaktenzeichen 23 O 74/99