BGH, Beschluß vom 12.06.2006 - Aktenzeichen II ZR 281/04
Umfang des rechtlichen Gehörs im Zivilverfahren
Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn das Gericht entscheidungserheblichen Parteivortrag offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen hat.
Gründe:
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der Kläger durch das Schreiben der Beklagten vom 3. Februar 2000 nicht aus der Sozietät ausgeschlossen worden ist.
II. Das Berufungsgericht hat jedoch dadurch, dass es darüber hinaus den unveränderten Fortbestand des Sozietätsvertrages festgestellt hat, den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG ) in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 544 Abs. 7 ZPO ).
Das Schreiben der Beklagten vom 3. Februar 2000 enthält hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit des Ausschlusses des Klägers die Erklärung der Beklagten, dass dem Kläger für diesen Fall die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen werde. Ein derartiger Entzug ist gemäß § 712 Abs. 1 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig. Das Berufungsgericht hat mit der Feststellung, das Sozietätsverhältnis der Parteien bestehe unverändert fort, entschieden, dass dem Kläger weiterhin die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis, wie sie in § 2 des Sozietätsvertrages geregelt ist, zusteht. Da sich in den Gründen seiner Entscheidung keine Ausführungen dazu finden, aus welchem Grund es zu der Annahme gelangt ist, die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 BGB seien nicht erfüllt, die Entziehung sei deshalb unwirksam, muss davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht diese Erklärung der Beklagten nicht zur Kenntnis genommen hat.