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BGH - Entscheidung vom 08.02.2006

5 StR 431/05

Normen:
StPO § 261

BGH, Urteil vom 08.02.2006 - Aktenzeichen 5 StR 431/05

DRsp Nr. 2006/6337

Überzeugung und denktheoretische Zweifel

Die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung erfordert keine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit; vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt.

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Urkundenfälschung (Fall VIII 1) und des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Fall VIII 2) freigesprochen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die sich nur gegen die Freisprechung in Fall VIII 2 wendet, hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen bemühte sich der Angeklagte unter Einschaltung der als Kreditvermittlerin agierenden Mitangeklagten M um ein Darlehen zur Finanzierung eines Grundstückkaufs. Die Mitangeklagte reichte über den Finanzvermittler B einen Antrag auf Baufinanzierung bei der R H ein, dem sie mit Wissen des Angeklagten von ihr gefälschte Lohnunterlagen beifügte, die hinsichtlich des Angeklagten erheblich überhöhte Einkünfte auswiesen. Für die Ehefrau des Angeklagten, die keiner Erwerbstätigkeit nachging, wurden Einkünfte für die Monate März, Juli und Dezember 2001 aus einem nicht existierenden Beschäftigungsverhältnis beim Landeskriminalamt Sachsen fingiert. Der Kredit in Höhe von 260.000 Euro wurde gewährt. Nach Beschränkung auf den Vorwurf der Urkundenfälschung wurde der Angeklagte in diesem Fall (Fall VIII 1) freigesprochen.

2. Als der Angeklagte feststellte, dass das gewährte Darlehen nicht ausreichte, stellte ihm die Mitangeklagte M eine Nachkreditierung durch ein Beamtendarlehen in Aussicht und schärfte dem Angeklagten E zugleich ein, sich wegen des erneuten Finanzierungsbedarfs nicht an die R H zu wenden. Gleichwohl nahm der Angeklagte mit Sachbearbeitern verschiedener Filialen dieser Bank Kontakt auf, darunter auch mit dem Bankangestellten und Zeugen K, der mit dem ersten Kreditantrag der Eheleute E nicht befasst gewesen war. Am 26. April 2002 erhielt der Zeuge ein Telefax, das unter Bezugnahme auf einen zuvor erfolgten Kontakt mit den Eheleuten E, "wie besprochen", die "noch fehlenden" Unterlagen enthielt. Als Absender war auf dem Schreiben die Faxnummer des Landeskriminalamtes Sachsen "Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift Sachsen" angegeben, wo der Angeklagte zur fraglichen Zeit und auch am "Absendetag" tätig war. Das Anschreiben enthielt als Anlagen eine "vertrauliche Selbstauskunft" der Schwiegereltern des Angeklagten, ein Finanzierungskonzept der Eheleute E, die Angabe des Finanzierungsbedarfs, eine Mitteilung zur Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung hinsichtlich der Schwiegereltern sowie gefälschte Lohnbescheinigungen für Frau E betreffend die Monate November 2001 bis März 2002, in denen als Arbeitgeber jetzt die Firma I W und M in Zwickau ausgewiesen war. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben zum Arbeitgeber der Frau E schöpfte man bei der Bank Verdacht und sah von einer erneuten Darlehensvergabe ab.

3. Das Landgericht hat sich an einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung gehindert gesehen, weil auch die Gesamtschau aller be- und entlastenden Indizien nicht geeignet sei, eine tragfähige Entscheidung zu Lasten des Angeklagten zu begründen. Dabei hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte ein "starkes Motiv" hatte, er den Zeugen K zuvor wegen der Nachfinanzierung kontaktiert hatte und er zur fraglichen Zeit der Rauschgiftgruppe des Landeskriminalamtes Sachsen angehörte. Insbesondere die ausführlichen Anlagen, auch zu den Einkommensverhältnissen der Schwiegereltern, sprächen für die Täterschaft des Angeklagten.

Gleichwohl hat die Strafkammer nicht ausschließen können, dass ein Dritter die fraglichen Unterlagen an den Zeugen K übermittelt haben könnte. Dies stützt sie im Wesentlichen auf den Umstand, dass als Arbeitgeber der Frau E im Widerspruch zu der wenige Monate zuvor mit Wissen des Angeklagten abgegebenen Erklärung in den neuen Kreditunterlagen nunmehr die Firma I W und M aufgeführt war und die Mitangeklagte M diese Firma in einem vergleichbaren Fall auch fälschlich als Arbeitgeberin einer erwerbslosen Darlehensnehmerin angegeben hatte. Bei dem Fax könne es sich um eine Totalfälschung handeln. Auch ein Dritter, dem die Faxnummer des Landeskriminalamtes Sachsen bekannt gewesen sei, hätte das Telefax entsprechend präparieren und von einem anderen Gerät absenden können. Es könne im Hinblick auf die Kette der handelnden Personen, namentlich auch inzwischen ausgeschiedener, mit den gefälschten Anträgen der Mitangeklagten M früher befasster Bankangestellten, nicht ausgeschlossen werden, dass ein Dritter das Telefax übersandt habe, um eine Bearbeitung des Nachkreditantrages gegebenenfalls zu Ungunsten der Eheleute zu erwirken und damit den Anschein zu erwecken, dass auch die gefälschten Unterlagen hinsichtlich des ersten Kredites von E stammten.

II. Der Freispruch hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es vorhandene Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist das grundsätzlich vom Revisionsgericht hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat nur zu prüfen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (st. Rspr. vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48 ; BGH wistra 2002, 260 , 261).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen weist die Beweiswürdigung des Landgerichts im Falle des angefochtenen Freispruchs durchgreifende Rechtsfehler auf; die Strafkammer hat sich mit wesentlichen Umständen, welche die von ihr als entlastend bewerteten Indizien in Frage stellen, nicht ausreichend befasst. Ihre Beweiswürdigung ist damit lückenhaft und unklar. Zutreffend zeigen der Generalbundesanwalt und die Beschwerdeführerin die folgenden Gesichtspunkte auf, deren Erörterung sich dem Tatrichter hätte aufdrängen müssen:

Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Angeklagte mit dem Zeugen K Kontakt aufgenommen; hierauf wird in dem Telefax ausdrücklich Bezug genommen. Auf welchem Wege ein etwaiger Dritter gerade von diesem Kontakt und den Bemühungen des Angeklagten um eine Nachfinanzierung Kenntnis erlangt haben soll, teilt das Urteil nicht mit. Ebenso wenig wird die Frage erörtert, ob der Bankangestellte K von dem Angeklagten Unterlagen angefordert hat, worauf der Hinweis im Telefax auf noch ausstehende Unterlagen hindeutet. Was der als Zeuge herangezogene Bankangestellte K gegebenenfalls hierzu bekundet hat, wird nicht mitgeteilt. Weiter bleibt ungeklärt, in welcher Weise ein Dritter in den Besitz von vertraulichen Daten der Schwiegereltern des Angeklagten gelangen konnte. Die Erwägung des Landgerichts, dass sich die Unterlagen aufgrund der hierauf vermerkten Zeitangaben bereits vorab im Besitz eines Dritten befunden haben könnten, ist in diesem Zusammenhang wenig erhellend.

Abgesehen davon, dass der Eingang einer "Totalfälschung" unerklärt bleibt, begründet das Urteil auch nicht näher die Annahme, ein Dritter hätte durch die Telefax-Übersendung den Anschein erwecken wollen, dass auch die gefälschten Unterlagen hinsichtlich des ersten Kredits vom Angeklagten stammten. Der bloße Hinweis auf die Kette der handelnden Personen bei den anderen Geschäften der Mitangeklagten M vermag diese Vermutung des Landgerichts schon deshalb nicht zu stützen, weil eine etwaige Beteiligung dieser Personen an der Nachfinanzierung des Kaufpreises nicht festgestellt worden ist. Im Übrigen wäre die Überlegung der Strafkammer auch nur dann nachvollziehbar, wenn die in die früheren Geschäfte der Mitangeklagten M Eingebundenen in deren kriminelle Machenschaften zumindest eingeweiht gewesen wären. Dies lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Ein gewisser Tatverdacht fällt allenfalls auf die Mitangeklagte M selbst, weil sie die Firma I W und M auch in einem anderen Fall fälschlich als Arbeitgeberin einer einkommenslosen Darlehensnehmerin angegeben hat und von dem erneuten Finanzierungsbedarf des Angeklagten wusste. Dem geht die Strafkammer jedoch nicht nach. Anhaltspunkte für einen solchen Verdacht sind auch sonst nicht ersichtlich.

3. Angesichts der vorliegenden Beweislage vermag der Senat auch nicht auszuschließen, dass die Strafkammer überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei verkannt hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist; vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 10, 208 ff.; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 25; BGH NStZ 1999, 205 ).

Vorinstanz: LG Chemnitz, vom 21.03.2005