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BGH - Entscheidung vom 09.08.2006

XII ZR 165/05

Normen:
ZPO § 3

BGH, Beschluß vom 09.08.2006 - Aktenzeichen XII ZR 165/05

DRsp Nr. 2006/24443

Streitwert eines auf ein Konkurrenzverbot gestützten Unterlassungsanspruchs des Geschäftsraummieters gegen den Vermieter

»Zum Gebührenstreitwert für eine Klage, mit der ein Geschäftsraummieter gegen seinen Vermieter einen auf ein Konkurrenzverbot gestützten Unterlassungsanspruch geltend macht.«

Normenkette:

ZPO § 3 ;

Gründe:

I. Der Kläger pachtete von der Rechtsvorgängerin der Beklagten Räumlichkeiten zum Betrieb einer gastronomischen Einrichtung auf dem Grundstück eines Autohofes. Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagte, die auf dem Autohof eine Tankstelle nebst Tankshop betreibt, auf Unterlassung des Verkaufs von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr im Tankshop in Anspruch und begehrt von der Beklagten Auskunft über die von ihr durch den Verkauf von Speisen und Getränken im Tankshop erzielten Umsätze; in diesem Zusammenhang streiten die Parteien über den Umfang einer im Pachtvertrag enthaltenen Konkurrenzschutzklausel. Klage und Widerklage sind in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auf die - nach Nichtzulassungsbeschwerde - vom Senat zugelassene Revision des Klägers hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

II. 1. Unterlassungsanspruch

Der auf die Unterlassung des Verkaufs von Speisen und Getränken im Tankshop und damit auf die Beseitigung der Konkurrenzsituation gerichtete Antrag des Klägers ist mit 168.000 EUR zu bewerten.

a) Eine kostenrechtliche Privilegierung kommt für diesen Antrag nicht in Betracht.

Es liegt kein Fall des § 41 Abs. 1 GKG vor, da zwischen den Parteien nicht der Bestand oder die Dauer des Pachtverhältnisses, sondern nur ein Einzelanspruch auf vertraglichen Konkurrenzschutz im Streit steht. Reine Streitigkeiten über den Vertragsinhalt fallen nicht in den Anwendungsbereich von § 41 Abs. 1 GKG (Senatsbeschlüsse vom 20. April 2005 - XII ZR 248/04 - NZM 2005, 519 und vom 21. September 2005 - XII ZR 256/03 - NZM 2005, 944 , 946).

Auch eine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 5 Satz 1 2. Halbs. GKG , wonach beim Anspruch des Mieters auf Instandsetzung der Mietsache durch den Vermieter der Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung maßgeblich sein soll, scheidet im vorliegenden Fall aus. Zwar hat der Senat entschieden, dass eine entsprechende Anwendung von § 41 Abs. 5 Satz 1 2. Halbs. GKG über den eigentlichen Anspruch auf Instandsetzung der Mietsache hinaus auch in anderen Fällen möglich ist, in denen ein Mieter von Geschäftsräumen von seinem Vermieter Maßnahmen verlangt, um einen Mangel der Mietsache zu beheben (Senatsbeschluss vom 2. November 2005 - XII ZR 137/05 - NZM 2006, 138 , 139; dort: Kündigung gegenüber einem störenden Mitmieter). Aber unabhängig davon, ob in einer vertragswidrigen Konkurrenzsituation gleichzeitig ein Sachmangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB zu sehen ist (vgl. OLG Düsseldorf NZM 1998, 307 ; wohl auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 1234 , 1235; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 BGB , Rdn. 172; Kraemer in: Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. III B Rdn. 1250; Hübner/Griesbach/Schreiber in: Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 14. Kap. Rdn. 176; dagegen OLG Frankfurt EWiR 1985, 555 mit zust. Anm. Ostermann S. 555 f., Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rdn. 660), trägt eine ausschließlich an einem möglichen mangelbedingten Minderwert der Mietsache orientierte Wertbemessung dem wirtschaftlichen Interesse des Mieters an der Beseitigung der Konkurrenzsituation nicht genügend Rechnung. Dieses wird in erster Linie dadurch bestimmt, die nachteiligen Folgen der Konkurrenzsituation auf die Entwicklung seines Geschäftsbetriebes von sich abzuwehren.

b) In Ermangelung einer besonderen kostenrechtlichen Vorschrift richtet sich der Streitwert gemäß § 48 Abs. 1 GKG und § 3 ZPO daher nach dem Interesse des Klägers an der begehrten Verurteilung der Beklagten.

aa) Zu bewerten ist das Interesse des Klägers, sein Geschäft ohne die angeblich unzulässige Konkurrenz betreiben und den ihm dadurch drohenden Schaden von sich abwehren zu können. Dieser Schaden entspricht nach allgemeiner Auffassung dem Reingewinn, der dem Kläger infolge der vertragswidrigen Konkurrenzsituation entgeht (KG Rpfleger 1962, 154 unter y); OLG Düsseldorf ZMR 1993, 377 ; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. Rdn. 2697). Die Wertbemessung nach dem voraussichtlich entgehenden Gewinn ist bei ordentlich kündbaren Mietverhältnissen in der Regel auf den zukünftigen Schaden beschränkt, der dem Mieter bis zu dem auf die Klageerhebung folgenden nächstmöglichen Kündigungstermin entstehen kann, weil der Vermieter in diesen Fällen die Möglichkeit besitzt, durch die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts die ihm drohenden Schadenersatzansprüche zeitlich zu begrenzen (vgl. OLG Düsseldorf NZM 2006, 158 , 159). Liegt demgegenüber ein befristetes Mietverhältnis vor, geht das Interesse des Mieters grundsätzlich auf die Abwendung des durch die Konkurrenzsituation bis zum Ablauf der restlichen Vertragslaufzeit drohenden Schadens. Um die Parteien in solchen Fällen keinem unübersehbaren Kostenrisiko auszusetzen, ist der Streitwert in der Praxis früher anhand eines auf drei Jahren hochgerechneten Schadensbetrages bemessen worden (OLG Düsseldorf ZMR 1993 aaO., KG Rpfleger 1962 aaO.). Diesem Gedanken tritt der Senat im Grundsatz bei, wobei sich in vergleichbaren Fällen im Rahmen der Wertbemessung nach § 3 ZPO unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 9 Satz 1 ZPO die Berechnung des möglicherweise entgangenen Gewinns auf der Grundlage einer dreieinhalbjährigen Betrachtung als Bemessungsrichtlinie anbietet.

Im Übrigen orientiert sich die Höhe des dem Kläger möglicherweise drohenden Schadens grundsätzlich an den in der Klageschrift dargelegten Erwartungen des Klägers, wenn sich für einen Schaden in dieser Größenordnung hinreichende objektive Anhaltspunkte ergeben. Der Kläger hat anhand einer Darstellung der Umsatzentwicklung seiner Gaststätte behauptet, dass sein Umsatz seit dem angeblichen Verstoß der Beklagten gegen das Konkurrenzverbot monatlich um durchschnittlich 7.908 EUR zurückgegangen sei; durch diesen Umsatzrückgang sei ihm ein monatlicher Gewinn in Höhe von durchschnittlich 5.083 EUR entgangen. Bereinigt man den behaupteten Umsatz- und Gewinnrückgang des Klägers um solche Effekte, die sich aus den im Zeitraum seit Juni 2003 unstreitig verkürzten Öffnungszeiten in der Gaststätte des Klägers ergeben haben könnten, lassen sich nach Einschätzung des Senats aus dem Vorbringen des Klägers Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass ihm ein monatlicher Gewinn jedenfalls in einer Höhe von rund 4.000 EUR entgangen sein könnte. Daraus folgt im Ergebnis eine Bewertung des Unterlassungsantrages mit 168.000 EUR (4.000 EUR x 42 Monate).

bb) Soweit daneben für die Wertbemessung nicht nur der nach dem Gewinnrückgang bemessene geschäftliche Schaden des Mieters durch die angeblich vertragswidrige Konkurrenz, sondern zusätzlich ein an der Mangelhaftigkeit der Mietsache orientiertes Minderungsinteresse des Mieters herangezogen wird (so OLG Düsseldorf NZM 2006 aaO.), vermag der Senat diesem Ansatz nicht zu folgen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass im Gewährleistungsprozess bei der Geltendmachung von Schadenersatz- und Minderungsansprüchen, die auf dem gleichen Mangel der Mietsache beruhen, grundsätzlich keine Wertaddition vorzunehmen, sondern allein auf den Anspruch mit dem höheren Streitwert abzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - XII ZR 162/00 - NZM 2004, 423 ). Unter dem insoweit maßgeblichen Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Identität erscheint es in gleicher Weise sachgerecht, bei der Bewertung eines vom Mieter gegen den Vermieter geltend gemachten Anspruchs auf Beseitigung einer vertragswidrigen Konkurrenzsituation nur auf das - in der Regel höher zu bewertende - Interesse des Mieters an der Schadensabwendung abzustellen und ein daneben möglicherweise bestehendes Minderungsinteresse nicht noch zusätzlich zu addieren. Dies gilt umso mehr, als mit der Minderung des Mietentgelts eine Senkung der Betriebsausgaben verbunden ist, die auf die Berechnung eines möglicherweise entgangenen Gewinns unmittelbaren Einfluss nimmt.

2. Auskunftsanspruch

Der auf Auskunftserteilung über die mit dem Verkauf von Speisen und Getränken zum Verzehr im Tankshop erzielten Umsätze der Beklagten gerichtete Antrag des Klägers ist mit 12.000 EUR zu bewerten.

Der Wert des Auskunftsanspruchs orientiert sich an dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft, wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - nach der Abweisung seiner Klage in der Vorinstanz ein Rechtsmittel einlegt. Dieses wirtschaftliche Interesse an der Auskunftserteilung ist nach § 3 ZPO zu schätzen; es beträgt in der Regel einen Bruchteil des Wertes des Leistungsanspruches, dessen Durchsetzung die Auskunft vorbereiten soll (Senatsurteil vom 31. März 1993 - XII ZR 67/92 - FamRZ 1993, 1189 ). Mit der begehrten Auskunft über die durch den Verkauf von Speisen und Getränken erzielten Umsätze beabsichtigt der Kläger die Vorbereitung eines eigenen, auf den Ersatz entgangenen Gewinns gerichteten Schadenersatzanspruches. Für die Wertbemessung ist hier nur die bei Klageerhebung im September 2004 bereits verstrichene Zeit zu berücksichtigen, in der die Beklagte dem Kläger angeblich vertragswidrig Konkurrenz gemacht hatte. Denn wegen des Schadenersatzes, den der Kläger auf der Grundlage der begehrten Auskünfte auch für die Zeit nach Klageerhebung verlangen könnte, liegt eine wirtschaftliche Identität mit dem Unterlassungsanspruch vor.

Da der Kläger offensichtlich konkurrenzbedingte Umsatzrückgänge seit Juli 2003 behauptet, fällt der Wert des Auskunftsantrages - hier bei Ansatz eines Bruchteils von 1/5 - mit 12.000 EUR ins Gewicht (1/5 x 4.000 EUR x 15 Monate).

3. Der Senat hat daher den Streitwert für das gesamte Verfahren auf 180.000 EUR (168.000 EUR + 12.000 EUR) festgesetzt.

Vorinstanz: OLG Celle, vom 08.09.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 42/05
Vorinstanz: LG Lüneburg, vom 18.02.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 305/04