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BGH - Entscheidung vom 25.10.2006

XII ZR 5/04

Normen:
EGBGB Art. 17 Abs. 1 S. 2
Italienisches Gesetz Nr. 898 zur Regelung der Fälle der Eheauflösung (vom 1. Dezember 1970 in der Fassung des Gesetzes Nr. 72 vom 6. März 1987) Art. 3 Nr. 2 lit. b

Fundstellen:
BGHReport 2007, 151
BGHZ 169, 328
FamRZ 2007, 113
FuR 2007, 35
JZ 2007, 691
MDR 2007, 409
NJW 2007, 220

BGH, Urteil vom 25.10.2006 - Aktenzeichen XII ZR 5/04

DRsp Nr. 2006/29351

Scheidung einer Ehe nach ausländischem Recht

»a) Soweit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die regelwidrige Anwendung deutschen Scheidungsrechts vorsieht, wenn die Ehe auf den Antrag des deutschen oder ehemals deutschen Ehegatten nach dem primär berufenen ausländischen Recht nicht geschieden werden kann, kommt es für diese Voraussetzung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages.b) Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB führt nicht schon immer dann zur Anwendung deutschen Sachrechts, wenn die Ehe nach dem ausländischen Recht derzeit noch nicht geschieden werden kann, etwa weil die nach diesem Recht erforderliche Trennungszeit noch nicht abgelaufen ist.Kann die Ehe nach dem ausländischen Recht derzeit nur deshalb noch nicht geschieden werden, weil der Antragsteller es versäumt hatte, das ihm zumutbare, nach dem ausländischen Recht für den Beginn der Frist maßgebliche Trennungsverfahren einzuleiten, rechtfertigt dies nicht die Scheidung nach deutschem Recht.«

Normenkette:

EGBGB Art. 17 Abs. 1 S. 2 ; Italienisches Gesetz Nr. 898 zur Regelung der Fälle der Eheauflösung (vom 1. Dezember 1970 in der Fassung des Gesetzes Nr. 72 vom 6. März 1987) Art. 3 Nr. 2 lit. b ;

Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt, ihre am 6. August 1994 in Italien geschlossene, kinderlos gebliebene Ehe nach deutschem Recht zu scheiden. Sie ist Deutsche, der Antragsgegner Italiener. Bis zur Trennung im Juni 1995 lebten die Parteien in Italien, die Antragstellerin seitdem in Deutschland.

Ihren Scheidungsantrag vom 7. Juni 1999 hatte die Antragstellerin zunächst nicht weiter betrieben, nachdem sie mit Schriftsatz vom 7. September 2000 mitgeteilt hatte, mit dem Antragsgegner Einvernehmen darüber erzielt zu haben, ein Scheidungsverfahren in Italien durchzuführen.

Im April 2002 nahm die Antragstellerin das Verfahren wieder auf. Auf den Hinweis des Familiengerichts, dass italienisches Recht anzuwenden sei, welches eine gerichtliche Feststellung der mindestens dreijährigen Trennung voraussetze, beantragte sie in der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2002 zunächst, die Trennung der Parteien seit 1995 festzustellen, nahm diesen Antrag aber sogleich wieder zurück.

Ihr Scheidungsbegehren blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Dagegen richtet sich ihre vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in FamRZ 2004, 954 f. (mit Anmerkung Jayme IPrax 2004, 534) veröffentlicht ist, hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens - auch vom Revisionsgericht - von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsurteil BGHZ 160, 332 , 334), für den hier schon am 4. Januar 2000 zugestellten Scheidungsantrag zutreffend aus § 606 a ZPO Abs. 1 Nr. 1 ZPO hergeleitet, weil die Antragstellerin Deutsche ist.

2. Ebenso zutreffend hat es italienisches Sachrecht für primär anwendbar gehalten, weil gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Scheidung dem Recht unterliegt, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Insoweit war das Haager Ehewirkungsabkommen, das zuletzt nur noch im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien galt, nicht mehr zu beachten, weil es von der Bundesrepublik zum 23. August 1987 und damit schon vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages gekündigt worden war. Vielmehr richten sich die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Parteien gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nach italienischem Recht, weil beide Parteien während der Ehe ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt in Italien hatten und der Antragsgegner dort auch jetzt noch wohnt.

Allerdings fehlen Feststellungen dazu, ob das italienische internationale Privatrecht die Verweisung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB auch annimmt (vgl. Jayme IPrax 1991, 422 und 1987, 167). Das ist indes der Fall: Nach Art. 31 Abs. 1, 2. Halbs. des Gesetzes Nr. 218 vom 31. Mai 1995 über die Reform des italienischen Systems des internationalen Privatrechts (Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Italien - III B 1 - S. 42 g) ist auf die persönliche Trennung und die Auflösung der Ehe beim Fehlen eines gemeinsamen Heimatrechts das Recht des Staates anzuwenden, in welchem das eheliche Zusammenleben überwiegend stattgefunden hat (vgl. Rimini StAZ 1997, 193 , 196), hier also ebenfalls das italienische Recht.

3. Ferner hat das Berufungsgericht zum Inhalt des italienischen Scheidungsrechts (Art. 3 Nr. 2 b Abs. 2 des Gesetzes Nr. 898 vom 1. Dezember 1970 in der Fassung des Gesetzes Nr. 72 vom 6. März 1987) festgestellt, dass die Scheidung (genauer: die Auflösung der Ehe, Art. 1 des Gesetzes 898; vgl. auch Buono StAZ 1997, 201 ) eine gerichtlich bestätigte oder angeordnete Trennungszeit von drei Jahren voraussetze. Diese Voraussetzung liege mangels Durchführung eines gerichtlichen Trennungsverfahrens nicht vor.

Auch das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Darauf, dass das italienische Recht bei einer sogenannten Konkordatsehe nur den Ausspruch der Beendigung der zivilrechtlichen Wirkungen der Ehe vorsieht (Art. 2 des Gesetzes Nr. 898), kommt es hier schon deshalb nicht an, weil die Parteien ausweislich der in den Akten befindlichen Heiratsurkunde eine Zivilehe geschlossen haben. Ergänzend zu den Feststellungen des Berufungsgerichts ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die gerichtlich ausgesprochene (oder bestätigte einvernehmliche) Trennung bei Einreichung der Scheidungsklage (Art. 3 Nr. 2 b Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes Nr. 898, Übersetzung bei Bergmann/Ferid/Henrich aaO. - III B 8 - S. 105, vgl. auch Patti FamRZ 1990, 703 , 705), zumindest aber im Zeitpunkt ihrer Zustellung (vgl. Jayme IPrax 1991 aaO.; MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels 4. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 70 m.N.) schon drei Jahre angedauert haben muss, und zwar von dem Zeitpunkt an gerechnet, zu dem die Parteien vor dem Richter des Trennungsverfahrens erschienen sind.

4. Die Revision wendet sich - ohne Erfolg - allein gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nicht anzuwenden. Nach dieser Vorschrift unterliegt das Scheidungsbegehren eines Ehegatten, der Deutscher ist oder dies bei der Eheschließung war, (regelwidrig) deutschem Recht, wenn die Ehe nach dem sonst berufenen ausländischen Sachrecht nicht geschieden werden kann.

Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, hierfür reiche es nicht aus, dass die Ehe nach ausländischem Recht derzeit, das heißt im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, (noch) nicht geschieden werden könne. Die regelwidrige Anwendung deutschen Rechts sei vielmehr erst dann gerechtfertigt, wenn das an sich maßgebliche ausländische Recht entweder weitaus strengere Anforderungen an die Begründetheit des Scheidungsbegehrens stelle als das deutsche Recht oder die erforderliche Trennungszeit im Vergleich zu § 1566 BGB um soviel länger sei, dass dies praktisch einen Scheidungsausschluss bedeute. Das sei hier nicht der Fall, zumal die Antragstellerin schon zu Beginn des Verfahrens auch vor dem deutschen Gericht die erforderliche Trennungsentscheidung hätte herbeiführen können.

5. Der Senat schließt sich dieser Auffassung im Grundsatz an. Die angefochtene Entscheidung ist somit zumindest im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB legt nicht fest, wann die Voraussetzung gegeben sein muss, dass die Ehe nach dem ausländischen Scheidungsstatut nicht geschieden werden kann. Da es sich um eine Rechtsfrage handelt, ist sie aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen (vgl. MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 68 m.N.; Palandt/Heldrich BGB 65. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 9).

Der Gegenansicht, die auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abstellt (Jayme IPrax 1987 aaO. 168 ohne nähere Begründung; Kersting FamRZ 1992, 268 , 274 im Interesse der Vermeidung eines unerwünschten Statutenwechsels während des Verfahrens), vermag sich der Senat nicht anzuschließen, zumal auch Kersting (aaO. 274 f.) für die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellt.

Art. 17 Abs. 1 Satz 2 BGB soll einen deutschen oder ehemals deutschen Antragsteller nämlich nur vor der Anwendung eines scheidungsunfreundlicheren fremden Rechts schützen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll diese Vorschrift über das an sich maßgebliche Recht hinaus eine Scheidungsmöglichkeit eröffnen, "um bei ausreichend starkem Inlandsbezug dem berechtigten Bestreben (Art. 6 Abs. 1 GG ) nach Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit auch ohne eine - daneben nicht ausgeschlossene - Inanspruchnahme des ordre public Rechnung zu tragen". Hingegen bezweckt diese Vorschrift nicht, dem deutschen Ehegatten auch die Anwendung des deutschen Rechts auf die Scheidungsfolgen zu sichern. Soweit der Gesetzgeber dies für erforderlich hielt, hat er entsprechende Sonderregelungen an anderer Stelle getroffen, nämlich für den Versorgungsausgleich in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB und für den Unterhalt in Art. 18 Abs. 2 EGBGB . Daraus folgt, dass die Frage des auf die Scheidungsfolgen anzuwendenden Rechts kein Kriterium ist, das schon bei der Auslegung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zu berücksichtigen wäre.

Des im Hinblick auf die Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit gebotenen Schutzes bedarf es z.B. aber nicht mehr, wenn das ausländische Recht, das eine Scheidung bislang überhaupt nicht zuließ (z.B. Irland), sein Recht nach dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit mit Rückwirkung ändert und die Scheidung nunmehr auch nach diesem Recht ausgesprochen werden könnte. Maßgeblich ist das über Art. 17 EGBGB berufene Recht in seiner jeweiligen Gestalt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Staudinger/Mankowski BGB [2003] Art. 17 EGBGB Rdn. 130).

Auch räumt Art. 17 Abs. 1. Satz 2 EGBGB dem deutschen Antragsteller kein Wahlrecht ein, das Scheidungsstatut zu bestimmen. Dem liefe es aber zuwider, wenn der deutsche Antragsteller eine solche Wahl beispielsweise dadurch treffen könnte, dass er seinen Scheidungsantrag entweder nach oder aber vor Ablauf einer nach dem ausländischen Recht erforderlichen Trennungsfrist einreicht (vgl. MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 68; Henrich FamRZ 1996, 841 , 851). Jedenfalls dann, wenn man der vom Berufungsgericht aufgezeigten herrschenden Meinung folgt, wäre im ersten Fall (Antragstellung nach Ablauf der Trennungsfrist) gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB das ausländische Recht maßgeblich; im zweiten Fall (Antragstellung vor Ablauf der Trennungsfrist) wäre hingegen nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht anwendbar, weil dem Scheidungsbegehren nach dem ausländischen Recht noch nicht entsprochen werden könnte.

Der von Kersting (aaO. 274) befürchteten umgekehrten Manipulationsmöglichkeit, dass nämlich der Antragsgegner, der die Anwendung des ausländischen Rechts erreichen möchte, das Verfahren bis zum Ablauf der nach diesem Recht maßgeblichen Trennungsfrist hinauszögert, wird das Gericht ohnehin nach dem Beschleunigungsgrundsatz entgegenzuwirken haben. Den Erfolg des Scheidungsbegehrens kann der Antragsgegner aber auch damit nicht verhindern. Und nur die Scheidbarkeit als solche will Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Interesse der Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit gewährleisten (vgl. MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 69; BT-Drucks. 10/504 S. 61).

b) Nach inzwischen einhelliger Meinung, der sich auch der Senat anschließt, setzt Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB andererseits nicht etwa voraus, dass Ehen nach dem primär anwendbaren Recht grundsätzlich nicht scheidbar sind. Bereits dem Wortlaut der Vorschrift ("die Ehe") ist zu entnehmen, dass ihre Anwendung auch schon dann in Betracht kommt, wenn die individuelle Ehe im konkreten Einzelfall nach dem Primärstatut nicht oder nicht mehr geschieden werden kann (vgl. Johannsen/Henrich Eherecht 4. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 26 m.N.).

Umstritten ist lediglich die Frage, ob die subsidiäre Anwendung deutschen Scheidungsrechts bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die Ehe derzeit, d.h. im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, nach dem Primärstatut noch nicht oder nur unter erheblichen Erschwernissen geschieden werden kann. Dies wird von der herrschenden Meinung insbesondere auch für den Fall bejaht, dass eine nach ausländischem Recht erforderliche Trennungszeit noch nicht abgelaufen ist (OLG Celle FamRZ 1987, 159 , 160; OLG Köln [10. Zivilsenat] FamRZ 1996, 946 , 947; KG IPrax 2000, 544 ff.; OLG Zweibrücken IPRspr 2002 168, 170; OLG Schleswig OLGR 2004, 7 f. m.Anm. Finger FamRB 2004, 187 f.; AG Mainz NJW-RR 1990, 779 f.; AG Weinheim IPrax 1998, 374 m.Anm. Jayme; Staudinger/Mankowski aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 168; Erman/Hohloch BGB 11. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 24; MünchKomm-BGB/Winkler v. Mohrenfels aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 67; Soergel/Schurig BGB 12. Aufl. Art. 17 EGBGB Rdn. 26; Palandt/Heldrich aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 9; Bamberger/Roth/Otte BGB Art. 17 EGBGB Rdn. 10; Uecker in Scholz/Stein Praxishandbuch Familienrecht P 37; Kegel Internationales Privatrecht 7. Aufl. 20 VII 2 a bb S. 652; Lüderitz IPrax 1987, 74, 75; Dopffel FamRZ 1987, 1205 , 1213; kritisch: Henrich FamRZ 1986, aaO. 850 f. und Johannsen/Henrich aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 26 f.; ohne Einschränkung nunmehr ders., Internationales Scheidungsrecht 2. Aufl. Rdn. 92; Kropholler Internationales Privatrecht 2. Aufl. § 46 I 5 S. 325; a.A. OLG Stuttgart FamRZ 2006, 43 f.; AG Hamburg FamRZ 1998, 1590 ; AG Bergisch Gladbach und nachfolgend OLG Köln [14. Zivilsenat] IPrax 1989, 310; AG Sinzig FamRZ 2005, 1678 ).

Jedenfalls für Fallkonstellationen der vorliegenden Art, in denen das primär berufene ausländische Scheidungsrecht für eine nicht einverständliche Scheidung eine gleich lange Trennungsfrist von drei Jahren vorsieht wie § 1566 Abs. 2 BGB , die Trennungsfrist nach dem ausländischen Recht aber mangels Einleitung eines förmlichen Trennungsverfahrens noch nicht zu laufen begonnen hat, schließt der Senat sich der Ansicht des Berufungsgerichts an, und zwar aus den nachstehend dargelegten Erwägungen:

c) Die Regelung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist rechtspolitisch fragwürdig (vgl. Jayme IPrax 1989, 310, 311), weil sie den ausländischen Ehegatten benachteiligt, indem sie ihm unter Umständen deutsches Recht aufzwingt, wenn sein Ehegatte die Scheidung in Deutschland begehrt, während er selbst als Antragsteller die möglicherweise gewünschte Anwendung deutschen Rechts nicht erreichen kann. Auch läuft diese Regelung dem erstrebenswerten Ziel einer einheitlichen Entscheidung im Inland und im Ausland zuwider (vgl. Henrich FamRZ 1986, aaO. 850 a.E.; Jayme IPrax 1987, aaO. 168). Sie erweist sich auch deshalb als Ausnahmevorschrift gegenüber dem allgemeinen Grundsatz des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB , weil sie einerseits die Anwendung deutschen Rechts (regelwidrig, vgl. Palandt/Heldrich aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 9) auch unterhalb der Schwelle ermöglichen will, die für die Inanspruchnahme des deutschen ordre public zu beachten ist (vgl. BT-Drucks. 10/504 S. 61), andererseits aber die Möglichkeit ausschließt, die durch Nichtanwendung der ausländischen Vorschrift entstehende Lücke vorrangig durch eine äquivalente Ersatzlösung des ausländischen Rechts zu schließen, wie dies bei einem Verstoß gegen den deutschen ordre public grundsätzlich geboten ist, bevor auf die Regelung des deutschen Rechts zurückgegriffen werden kann (vgl. MünchKomm-BGB/Sonnenberger aaO. Art. 6 EGBGB Rdn. 95). Statt dessen schreibt Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die lex fori zwingend als Ersatzrecht vor, und zwar auch dann, wenn bei nur ehemaliger deutscher Staatsangehörigkeit des Antragstellers allenfalls ein schwacher Inlandsbezug gegeben ist (vgl. Kersting FamRZ 1992, 268 , 273).

Bereits aus diesen Gründen verbietet sich nach Auffassung des Senats eine weitestmögliche Auslegung dieser Vorschrift, wie sie die herrschende Meinung befürwortet.

Die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist daher auf die Fälle zu beschränken, in denen der deutsche oder ehemals deutsche Antragsteller des Schutzes dieser Vorschrift bedarf, um seine Eheschließungsfreiheit wiederzuerlangen. Das ist aber nicht schon immer dann der Fall, wenn er die Scheidung bei Anwendung deutschen Rechts schneller erreichen könnte. Wenn der Gesetzgeber dies bezweckt hätte, hätte er eine Meistbegünstigungsklausel geschaffen, die eine wahlweise Anwendung des deutschen oder des ausländischen Scheidungsrechts ermöglicht, je nachdem, welches Recht schneller oder einfacher (z.B. ohne die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme) zu der begehrten Scheidung führt. Statt dessen schreibt Art. 17 Abs. 1 EGBGB aber zwingend vor, zunächst die Scheidbarkeit nach dem primär berufenen ausländischen Recht zu prüfen, bevor die Anwendung deutschen Rechts in Betracht kommt. Es genügt daher nicht schon die Feststellung, die Ehe könne "jedenfalls" nach deutschem Recht geschieden werden (vgl. Erman/Hohloch aaO. Art. 17 EGBGB Rdn. 24).

Dem Gesetzgeber, der eine derartige IPR-rechtliche Regelung trifft, kann nicht unterstellt werden, er habe die Schwierigkeiten übersehen, die in der Praxis mit der Feststellung ausländischen Rechts verbunden sind und häufig zu einer erheblichen Verlängerung des Verfahrens (z.B. durch Einholung eines Rechtsgutachtens) führen. Gleiches gilt für die Notwendigkeit einer unter Umständen im Ausland vorzunehmenden Beweisaufnahme, wenn etwa das ausländische Recht die Scheidung nur aus einem Verschulden des anderen Ehegatten zulässt. Diese Erschwernisse und Verzögerungen mutet der Gesetzgeber dem deutschen Antragsteller zu und nimmt dabei auch in Kauf, dass sich gegebenenfalls erst nach längerer Zeit herausstellt, dass schließlich doch auf deutsches Sachrecht zurückgegriffen werden kann und muss. Auch angesichts eines zusammenwachsenden europäischen Rechtssystems kann und darf der Staat seinen eigenen Bürgern derartige Opfer bis zu den Grenzen des ordre public auferlegen (vgl. Rüberg, Auf dem Weg zu einem europäischen Scheidungskollisionsrecht, Diss. [2005] S. 124 f.; vgl. auch AG Hamburg aaO. 1591).

Insoweit weist der Senat darauf hin, dass das sogenannte "Deutschenprivileg" des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB voraussichtlich ohnehin nicht von Bestand bleiben, sondern durch ein harmonisiertes europäisches Kollisionsrecht ("Rom III") ersetzt werden wird. Nach dem endgültigen Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Juli 2006 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich (KOM [2006] 399) soll sich das Scheidungs- oder Trennungsverfahren in Ermangelung einer (gemeinsamen) Rechtswahl der Parteien vorrangig nach dem Recht des Staates richten, in dem die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Fehlt es an einem solchen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, soll der letzte gemeinsame Aufenthalt maßgeblich sein, sofern einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort dort noch hat (Art. 20 b lit. b des Vorschlags). Das Recht des Staates, in dem der Antrag gestellt wird, soll äußerst ersatzweise nur dann anwendbar sein, wenn die zuvor genannten Anknüpfungsvoraussetzungen nicht gegeben sind und auch die Anknüpfung an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit ausscheidet (Art. 20 b lit. c und d des Vorschlags). Die Anwendung des danach berufenen Rechts soll nur bei einem offenkundigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts versagt werden können (Art. 20 e des Vorschlags).

Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist daher nicht als Garantie für den deutschen Antragsteller zu verstehen, die Scheidung ebenso schnell und problemlos erreichen zu können, wie dies der Fall wäre, wenn von vornherein nur deutsches Sachrecht in Betracht käme.

Eine Scheidung nach deutschem Recht ist daher nicht gerechtfertigt, wenn der Antragsteller beispielsweise einen nach dem ausländischen Recht gegebenen Scheidungsgrund (z.B. Ehebruch) nicht mehr geltend macht (oder den erforderlichen Vorschuss für eine Beweisaufnahme nicht zahlt) und damit eine Prozesslage, die die Scheidung nach ausländischem Recht unmöglich macht, selbst herbeiführt.

Gleiches gilt aber auch, wenn der Antragsteller es unterlässt, rechtzeitig die ihm zumutbaren Schritte zu unternehmen, die ihm in absehbarer, hier sogar den Trennungsfristen des deutschen Rechts vergleichbarer Zeit die Scheidung nach ausländischem Recht ermöglicht hätten. Ein solcher Fall liegt hier vor.

d) Der Senat schließt sich der Beurteilung des Berufungsgerichts an, dass die für die Scheidung nach italienischem Recht erforderliche materiell-rechtliche Voraussetzung, die Trennung gerichtlich bestätigen oder aussprechen zu lassen, keine unzumutbare Erschwernis darstellt, zumal ein solches Verfahren auch vor den deutschen Gerichten durchgeführt werden kann (BGHZ 47, 324 , 335 ff.).

Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen eines Trennungsverfahrens hier bereits seit 1995 gegeben waren, hätte die bei Einleitung des Verfahrens im Juni 1999 anwaltlich vertretene Antragstellerin jedenfalls sogleich auf Bestätigung oder Ausspruch der Trennung antragen können, und auch hierfür wäre ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen. Nach dem als lex fori anwendbaren deutschen Verfahrensrecht hätten auch keine Bedenken bestanden, vorsorglich hilfsweise zugleich die Scheidung zu beantragen, oder auch umgekehrt (vgl. AG Hamburg aaO. 1591). Dann hätte die Ehe möglicherweise, nachdem die Antragstellerin das Verfahren von September 2000 bis April 2002 nicht betrieben hatte, bereits auf die mündliche Verhandlung erster Instanz am 15. August 2002 nach italienischem Recht geschieden werden können, spätestens jedoch auf die mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 20. November 2003.

Es kommt daher nicht darauf an, dass die Antragstellerin einen in diesem Sinne auszulegenden Antrag, nämlich "festzustellen, dass die Parteien seit 1995 getrennt leben", erst in der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2002 gestellt, aber sogleich wieder zurückgenommen hat. Deshalb bedarf es auch keiner Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht andernfalls am 20. November 2003 gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB deutsches Recht hätte anwenden müssen, weil eine Scheidung nach italienischem Recht frühestens im August 2005 möglich gewesen wäre.

Wegen der ausdrücklichen Rücknahme des auf die Feststellung oder den Ausspruch der Trennung gerichteten Antrages bedarf es hier auch keiner Entscheidung, ob ein solcher Antrag generell als in einem Scheidungsantrag enthaltenes Minus angesehen werden kann (so AG Hamburg aaO. 1591). Abgesehen davon, dass dies dem Scheidungsbegehren der Antragstellerin (nach italienischem Recht) wohl nur zum Erfolg hätte verhelfen können, wenn sie den "weitergehenden" Scheidungsantrag zurückgenommen und nach dem Trennungsausspruch erneut gestellt hätte, hat die Antragstellerin hier mit der ausdrücklichen Rücknahme ihres Antrags auf Bestätigung oder Ausspruch der Trennung ihr schon zuvor geäußertes Begehren verdeutlicht, (nur) nach deutschem Recht geschieden zu werden. Ihr Scheidungsantrag kann daher nicht dahin ausgelegt werden, er umfasse (ungeachtet der Rücknahme des ausdrücklich darauf gerichteten Antrags) nach wie vor auch die Feststellung oder den Ausspruch der Trennung, so dass das Berufungsgericht jedenfalls in diesem Umfang ihrem Begehren gegebenenfalls hätte stattgeben müssen.

e) Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Entscheidung nicht etwa bedeutet, dass die Ehe der Antragstellerin nun überhaupt nicht mehr geschieden werden kann, was auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen könnte (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 87/04 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung steht beispielsweise nicht einem erneuten Scheidungsbegehren entgegen, das darauf gestützt wird, inzwischen seien die nach italienischem Recht bestehenden Scheidungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. MünchKomm-BGB/Wolf aaO. § 1564 Rdn. 104, 106).

Hinweise:

Anmerkung Henrich FamRZ 2007, 117

Hinweise:

Anmerkung Erik Jayme IPRax 2007, 691

Vorinstanz: OLG Hamm - 4 UF 226/02 - 20.11.2003, vom - Vorinstanzaktenzeichen
Vorinstanz: AG Dortmund - 173 F 2494/99 - 15.8.2002, vom - Vorinstanzaktenzeichen
Fundstellen
BGHReport 2007, 151
BGHZ 169, 328
FamRZ 2007, 113
FuR 2007, 35
JZ 2007, 691
MDR 2007, 409
NJW 2007, 220