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BGH - Entscheidung vom 15.09.2006

2 StR 280/06

Normen:
StGB § 55 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2

Fundstellen:
NStZ-RR 2006, 376

BGH, Beschluß vom 15.09.2006 - Aktenzeichen 2 StR 280/06

DRsp Nr. 2006/24850

Sach- oder Verfahrensrüge bei Schweigen des Urteils zum Vollstreckungsstand gesamtstrafenfähiger Entscheidungen

Der Senat hat Bedenken gegen die Ansicht, das Schweigen eines Urteils zum Vollstreckungsstand einer gesamtstrafenfähigen Entscheidung stelle keinen Erörterungsmangel dar, weil in diesem Fall grundsätzlich davon auszugehen sei, dass dem Tatrichter insoweit Feststellungen nicht möglich waren.

Normenkette:

StGB § 55 Abs. 1 ; StPO § 344 Abs. 2 ;

Gründe:

1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat hinsichtlich des Angeklagten H. Y. keinen Bestand. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 29. November 2004 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und Munition zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Nähere Angaben zu dieser Vorstrafe enthält das Urteil nicht, insbesondere ist der Vollstreckungsstand der Strafe nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe zu Recht unterblieben ist oder ob ggf. ein Härteausgleich zu gewähren war.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar im Urteil vom 17. Februar 2004 (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 4) entschieden, das Schweigen eines Urteils zum Vollstreckungsstand einer gesamtstrafenfähigen Entscheidung stelle keinen Erörterungsmangel dar, weil in diesem Fall grundsätzlich davon auszugehen sei, dass dem Tatrichter insoweit Feststellungen nicht möglich waren. Gegen diese Rechtsansicht hat der Senat Bedenken. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Aus den Urteilsgründen ergeben sich hier nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Tatrichter die Möglichkeit einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung übersehen hat.

2. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, die Tatopfer S. und K. hätten sich zu Beginn der Auseinandersetzung mit den Angeklagten in einer Notwehrsituation befunden, rechtlichen Bedenken begegnet. Nach den Feststellungen waren beide Seiten gewillt, eine körperliche Auseinandersetzung unter Einsatz gefährlicher Werkzeuge zu suchen. Im Rahmen einer solchen einverständlichen Schlägerei sind beide Seiten gleichermaßen Angreifer und Verteidiger; ein Notwehrrecht steht den Beteiligten schon deshalb nicht zu (BGH NJW 1990, 2263 , 2264; OLG Stuttgart NJW 1992, 850 , 851), weil es ihnen am Verteidigungswillen fehlt.

Auf die fehlerhafte Wertung des Landgerichts kommt es jedoch hier nicht an, denn eine Rechtfertigung konnte sich hier auch nicht aus einer Einwilligung ergeben. Eine Rechtfertigung der von den Angeklagten vorgenommenen Tathandlungen kam hier aufgrund der Unwirksamkeit des anfänglichen Einverständnisses gemäß § 228 StGB nicht in Betracht.

Vorinstanz: LG Kassel, vom 25.11.2005
Fundstellen
NStZ-RR 2006, 376